Re: [ox] Text- versus Software-Lizensierung
- From: Hans-Gert Gräbe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Tue, 01 Nov 2005 19:45:12 +0100
Hi Thomas,
deine Antwort fordert zum Widerspruch heraus.
Thomas U. Grüttmüller wrote:
Die Frage ist insbesondere, was es bedeutet, an unserem Wiki
mitzuarbeiten. Ob einzelne Chunks Gegenstand der Lizenz sind oder das
Wiki als Ganzes.
Einzelne Chunks natürlich.
Wieso ist das "natürlich"?
Bei der Wikipedia zählt jeder einzelne Artikel als Werk und wird separat
lizensiert. Unabhängig davon kann man sich aber natürlich die Arbeit machen,
die Versionengeschichte durchzukämmen und einzelne Abschnitte einzelnen
Autoren zuzuordnen (z.B. beim Verdacht einer Urheberrechtsverletzung).
Das heißt ja nicht, dass wir es auch so machen müssen. Vielleicht ist ja
Wikipedia durch in dieser Frage mglw. zu unreflektiertes Machen (in
seiner auch juristischen Vorreiterrolle) den IPR-Leuten schon auf den
Leim gekrochen, die das Wort "natürlich" dauernd im Mund führen. Du
solltest nicht unterschätzen, in welchem Umfang in der IPR-Debatte Dinge
als Selbstverständlichkeiten verkauft werden, die es (aus der
Perspektive der "Macht des Wissens") mitnichten sind.
Nach meinem Verständnis ("Werk") kann es nur das Wiki
als Ganzes sein. Es wird also interne Regeln geben müssen, wie wir
miteinander diesen kollektiven Schaffensprozess gestalten - und dort ist
der Autorenbegriff (im Sinne des Urheberrechts) mangels Werkhaftigkeit
des Ergebnisses nicht (?) anwendbar.
Dann hätte als Konsequenz eben keiner ein Urheberrecht daran. Aber das ist
leider nicht die Rechtslage.
Doch, es gäbe ein kollektives Subjekt - eben OekonuxAlsProjekt - das ein
Urheberrecht am gesamten Wiki hat. Ähnlich ist ja auch die Rolle der FSF
im Kontext GPL-geschützter Software (nur ähnlich!).
Weiters kann ich mit "so ist die Rechtslage" wenig anfangen, da selbst
Juristen bestätigen, dass hier extrem viele widersprüchliche Urteile
existieren, vieles nicht gesetzlich festgeklopft ist (Gott sei dank)
usw. Hier wird also derzeit *Recht geformt* und (auch) wir sollten dort
unseren Part spielen. Siehe mein Bericht von der OpenAccess-Konferenz in
Wien.
Wenn jemand urheberrechtsverletzende Inhalte in das Wiki einstellt, dann soll
er imho auch selber dafür geradestehen! Welchen Sinn sollte es haben, das am
Oekonux e.V. abzulassen? Na, ein Glück, daß ich da nicht mehr Mitglied bin.
Das ist mir unklar. Bei anderen kollektiven Publikationen gibt es immer
V.i.S.d.P.-Deklarationen. *Wenn* wir dediziert meiner Auffassung folgen,
dass Chunks keine "Werke" sind, sondern nur das Wiki als Ganzes, dann
ist die Frage, wer der Adressat eines möglichen claims ist, m.E. gar
nicht anders zu beantworten als von mir angeführt.
Eine Reproprietarisierung wäre, wenn jemand den Text verändert und dann die
veränderte Version nicht frei lizensiert.
Beispiel: Tux, das Linux-Maskottchen, ist frei. Es darf beliebig reproduziert
und auch verändert werden. Nun gibt es diverse abgeleitete Versionen, die
jedoch zumeist ohne Lizenz daherkommen und somit nicht ohne weiteres
reproduziert und verändert werden dürfen. Das ist eine Reproprietarisierung.
Hmm. TUXe herstellen erfordert materielle Ressourcen und folglich ein
klares Refinanzierungskonzept. Übrigens könnte die Linux-Community hier
leicht mitverdienen, *wenn* sie (1) ein kollektives Subjekt wie die FSF
konstituierte und (2) dieses für TUX eine kollektive Marke registrierte.
Dazu ist mE bereits das Markenrecht ausreichend.
Wobei das JA beinhaltet, dass
es dafür überhaupt keiner Lizensierung (Erlaubnis) bedarf, sondern sich
dieses Recht schlicht aus dem (zu etablierenden) Grundrecht "freedom of
ideas" ableitet.
Das ist Wunschdenken, völlig an der Rechtslae vorbei.
Nein, siehe oben, sondern hart umkämpftes juristisches Terrain. (Auch
hier) ist die "Produktion der Verkehrsformen" bereits voll im Gange und
wir sollten das deutlicher registrieren. Rechtslage ist (nicht nur) in
dem Bereich was extrem dynamisches. Übrigens ist das eine Variation
deiner anderenorts aufgeworfenen "lizenzrechtlichen" Frage, wie mit
einem Exzerpt von 3 aus 300 Seiten umgehen.
Viele Grüße, HGG
--
Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53
tel. : +49 341 97 32248
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