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[ox] Text- versus Software-Lizensierung (was: Fragen über Fragen)



* Thomas U. Grüttmüller <sloyment gmx.net> [2005-10-13 00:33]:
* Die Texte, um die es geht, sind mehr oder weniger unbedeutend und könnten in
  ein paar Stunden von jedem neu geschrieben werden. Schlimmer ist aber, daß
  die Wikipedia, die größte Sammlung freier Texte, für ein Oekonux-Wiki ohne
  GFDL nicht zur Verfügung steht (nicht schlimm für die Wikipedia, aber
  schlimm fürs Oekonux-Wiki).

Karl sagte es auch schon: Wozu sollte es gut sein, Wikipedia-Inhalt
einfach zu kopieren? Wenn ich einen Wikipedia-Artikel verbessern oder
ergaenzen moechte, tue ich das in der Wikipedia. Wenn ich etwas anderes
produziere, moechte ich die Wikipedia hoechstens zitieren und verlinken.
Dein Punkt wuerde mir hoechstens einleuchten, wenn es darum ginge, aus
irgendeinem Grund eine weitere Enzyklopaedie zu erstellen.

Es wurde einigen Leuten klar daß die GFDL nicht wirklich für Wikis
und extrem kollaboratives Arbeiten geeignet ist.

...eine völlige Ablehnung von Copyleft-Lizenzen, also genau das Gegenteil von
der bisherigen Euphorie. Die GFDL ist also nicht für Wikis geeignet? Dann hat
es die Wikipedia die ganze Zeit falsch gemacht. Und die GPL taugt dann wohl
auch nicht für Programme? OK, dann kann man ja als Konsequenz fast die
gesamte freie Software einstampfen und Oekonux gleich mit.

Das wuerde ich gelassener sehen, weil die Lizenzfrage fuer den Erfolg
von freiem Inhalt m.E. nicht so zentral ist, wie Du es hier darstellst.
Auch wenn GPL-Fans manchmal das Gegenteil suggerieren, ist ja ein
nennenswerter Teil der groesseren freien Software-Pakete gar nicht
GPL-lizensiert. Der Copyleft-Hebel ist manchmal hilfreich und manchmal
aergerlich, aber ich denke, er entscheidet im Normalfall nicht darueber,
wie freie Inhalte gegenueber der proprietaeren Konkurrenz abschneiden.
Daher koennte ich weder Copyleft-Euphorie noch "voellige Ablehnung"
nachvollziehen und finde es durchaus okay, nicht tagein, tagaus die
juristischen Details von Lizenzen durchzukauen.

Im Fall von Texten kommt bei mir noch ein ganz anderer Punkt hinzu,
naemlich dass ich hier ehrlich gesagt noch gar nicht wirklich den
eigentlichen Witz von freier Lizensierung verstanden habe, sei es mit
Copyleft oder ohne. Im Fall von Software liegt unittelbar auf der Hand,
dass es viele Vorteile hat, wenn Aenderungen durch jeden und nicht nur
durch den urspruenglichen Produzenten vorgenommen werden koennen. Diese
Vorteile ergeben sich zum Teil schon durch die Verfuegbarkeit von
Quellcode, also nicht erst durch freie Lizensierung: Auch proprietaere
Software kann durch den Nutzer angepasst werden und eventuelle Bugfixes
oder Verbesserungen koennen an den Produzenten zurueckfliessen, sobald
der Nutzer Quellcode-Zugriff hat. Darueber hinaus kann sich der Nutzer
durch das Lesen des Quellcodes Wissen aneignen, das er anderweitig
verwenden kann, ohne dabei illegal zu handeln, solange er den Code nicht
direkt kopiert (oder Patente verletzt). Diese Vorteile sind im Fall von
Text automatisch gegeben, sobald er irgendwie verfuegbar ist, weil es
hier keine Differenz von Quellcode und uebersetztem Ergebnis gibt.

Darueber hinaus gibt es im Fall von Software natuerlich Moeglichkeiten,
die sich nicht schon durch Quellcode-Zugriff, sondern erst durch freie
Lizensierung ergeben, vor allem die direkte Wiederverwendbarkeit von
Code fuer andere Projekte. Auch dies ist im Fall von Text bis zu einem
gewissen Grad auch ohne freie Lizensierung moeglich, insbesondere ist
die inhaltliche Weiterentwicklung eines irgendwie verfuegbaren Textes
durch Zitat und Referenzierung i.A. kein Problem. Der einzige Vorteil,
den freie Lizensierung hier noch bietet, ist, dass tatsaechlich Kopien
moeglich sind, die ueber Zitate hinaus gehen. Nun sind solche Kopien im
Normalfall aber doch sinnlos, sofern der kopierte Inhalt sowieso schon
verfuegbar ist. Als Beispiel habe ich oben nochmal Karls Punkt bezuegl.
der Kopie von Wikipedia-Inhalten wiederholt.

Nun will ich nicht ausschliessen, dass es Faelle geben mag, wo Kopien,
die ueber Zitate hinaus gehen, als Grundlage fuer Weiterentwicklungen
dienen koennen. Bei kollaborativ erstellten Texten kann man sich z.B.
Forks vorstellen; bei der Wikipedia gab's das ja auch schon. Bei solchen
Projekten sehe ich also durchaus den Sinn von freien Lizenzen. Ansonsten
ist die Differenz zwischen freiem und nicht-freiem Inhalt im Fall von
Text i.A. aber doch deutlich unbedeutender, als im Fall von Code, oder?

Holger

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