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Veranstaltungsbericht "copy kills (music kills) capitalism" (was: Re: [ox] "Digitalisierte Musik zwischen Raubkopie und gesellschaftlicher Alternative")



Hi Liste!

Last week (9 days ago) Stefan Meretz wrote:
Wenn du dazu kommst, berichte dann mal, wie's gelaufen ist, würde mich
interessieren.

Ich berichte natürlich gerne :-) .

Die Veranstaltung war nicht sehr groß (ca. 13 BesucherInnen), was aber
der Diskussion keinen Abbruch getan hat. Im Gegenteil: Die Diskussion
nach den drei Beiträgen von Matze Schmidt, Julian Finn und meiner
Wenigkeit war interessant und auf hohem Niveau. Julian Finn war
anstatt Oliver Moldenhauer gekommen, der leider kurzfristig absagen
musste.

Ich habe die anderen beiden Beiträge nicht mitgeschrieben und
rekapituliere aus dem Gedächtnis. Vielleicht kann ja Matze und/oder
Julian uns noch einen Link zu ihren Folien liefern.

Matze überraschte mit einem Abriss über den kapitalistischen
Verwertungskreislauf. In diesen bettete er in seinem Beitrag auch die
Musikproduktion ein. Er wies darauf hin, dass die Musikproduktion
stark nach industriellen Muster organisiert ist. Neben einer hohen
Arbeisteiligkeit (Producer, etc.) gäbe es auch einen hohen apparativen
Aufwand (Tonstudios) sowie einen hohen Aufwand für
Auswahl/Qualitätskontrolle, Marketing und Distribution (Labels,
Musikindustrie). Die Arbeitsteiligkeit, der apparative sowie der
Marketing-Aufwand schiebt sich zwischen die eigentlichen MusikerInnen
und die KonsumentInnen - wobei in den Zwischenschichten durchaus auch
kreative Arbeit geleistet würde. Sein Vorschlag ging in die Richtung,
die gesamte Zwischenschicht in die Sphäre der MusikerInnen zu
verschieben. Er war allerdings skeptisch bzgl. einer solchen
Möglichkeit, da in den Apparaten auch Spezial-Chips vorkämen. Gerade
bei letzterem bin ich eher skeptisch und kann mir nicht wirklich
vorstellen, dass es auf der Ebene der Chips so schrecklich viel
Spezielles geben *muss*. Weiter war Matze skeptisch, ob dieses
Flohmarktkonzept eine gesellschaftliche Basis werden könne oder nicht
für immer in einer Nische stecken bliebe.

Julian gab in seinem Beitrag einen Abriss über DRM und vor allem die
ContentFlatrate, die von der attac-AG Wissensallmende im Rahmen einer
Kultur-Flatrate promotet wird. Interessant war insbesondere die Folie,
nach der die MusikerInnen und andere Kreative nur 14% des Kaufpreises
einer CD erhielten, während der Rest vor allem in Richtung
Musikindustrie fließt.

Das Superset meines Beitrags kennt ihr ja bereits. Wen es interessiert
kann ich auch gerne nochmal per privater Mail das Exzerpt schicken,
das ich dann letztlich vorgetragen habe.

Die Diskussion nach unseren Beiträgen verlief sehr angenehm zwischen
allen Anwesenden. Kamen zu Beginn viele Nachfragen zu
Oekonux-Kernthemen, so bewegten sich die Beiträge im weiteren Verlauf
immer stärker rund um das Thema des Abends. Offenbar waren die von mir
präsentierten Thesen auf fruchtbaren Boden gefallen - gegen Ende der
Diskussion tat mir Julian schon fast leid, weil er sich bei der
Verteidigung der ContentFlatrate / P2P-Steuer allein auf weiter Flur
befand. Die von mir geäußerte Kritik, dass es sich um ein
sozialdemokratisches Modell handele wurde im Publikum und auch von
Matze weit gehend geteilt und es gab viel Einigkeit, dass mit der
ContentFlatrate / P2P-Steuer an der Frontlinie zwischen alter und
neuer Gesellschaft Terrain kampflos aufgegeben würde - um mal in
dieser militärischen Sprechweise zu bleiben. Dies wurde allgemein als
Schritt in die falsche Richtung gesehen. Viel mehr seien die in meinem
Beitrag vorgeschlagenen Handlungsoptionen wie Koexistenz von DRM und
Freien Inhalten und Stärkung Freier Inhalte durch Nutzung von z.B.
CreativeCommons-Lizenzen zu bevorzugen.

Matze stimmte zu, dass die Arbeitsteiligkeit kein prinzipielles
Hindernis für eine durchgehend Freie Musikproduktion sei, da der
kreative Anteil aller notwendigen Tätigkeiten von den jeweils
Kreativen gerne erbracht werden würde und deswegen einer
Produktionsweise auf Basis von Selbstentfaltung prinzipiell nichts im
Wege stünde.

Einen besonders interessanten Gedankengang fand ich auch eine
Reflexion auf die Street-Musician-Modelle als leichtgewichtige
Alternative zur ContentFlatrate. Die Idee der Street-Musician-Modelle
ist, dass KonsumentInnen den MusikerInnen bei Gefallen eines Stückt
direkt über ein Payment-System einen kleinen Betrag zukommen lassen.
Nachdem Julian darauf hingewiesen hatte, dass entsprechende
Experimente in den USA nur zwei Monate überlebt hätten, schloss sich
der Gedanke an, dass dies auch etwas mit der Verantwortung der
KonsumentInnen zu tun habe. Es müsse hier auch ein Umdenken der
KonsumentInnen dergestalt statt finden, dass sie sich bewusst auch mal
für einen solchen kleinen Obulus entscheiden. Ein Gedanke, den ich
sehr gut finde, und der auch jenseits des Geldes sehr angenehm ist:
Wenn dir war gefällt, dann lob mal wieder :-) . Die P2P-Steuer ist
hinsichtlich einer solchen Bewusstseinsänderung hingegen
kontraproduktiv.

Ein Diskutant wies weiter darauf hin, dass es in der Filmszene schon
durchaus interessante Projekte gäbe. Er nannte die Site

	drachenfeder.com

[noch nicht verifiziert], wo der kostengünstige Nachbau einer
sündteuren Studiokamera angeboten würde (hallo ChristophB :-) ). Auf

	hacker-movies.com

[noch nicht verifiziert, Bindestrich fraglich] gäbe es auch eine Szene
für Freie Filme.

Soweit mal von mir. Jule und Matze waren ja auch auf der
Veranstaltung, vielleicht können sie oder andere ja noch ergänzen
und/oder korrigieren.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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