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Re: [ox] Re: Freiwirtschaft (War: interessantes Interview)



Hallo Kurt,

Hier wird immer von "leistungslosem Einkommen" geredet.
Damit sind wohl die "Couponschneider" gemeint, die von
den Zinsen ihres Vermögens leben. Aber was ist mit den
"leistungslosen" Einkommensbeziehern wie Alte, Kranke,
Behinderte? Was passiert mit denen in dieser Schönen
Neuen Freiwirtschaftswelt? 
die leistungslosen Einkommen leistunsschwacher sind zunächst mal keine
leistungslosen Einkommen im Sinne der Freiwirtschaft. Gemeint sind in der
Tat diejenigen, die von Bodenrenten und Zinsen leben.

Es ist auch falsch, wenn es auch gerne, gerade aus dem extremlinken Lager,
unterstellt wird, dass Freiwirtschafttler sich nicht um leistungschwache
Bürger kümmern würden. Sie verfolgen nur im Kern einen anderen Ansatz,
nämlich nicht die schwachen auf Kosten der Mittelschicht zu fördern,
sondern im Grunde überhaupt die starken Vermögensunterschiede erstmal zu
bereinigen.

Schon Gesell, also der erste Freiwirtschafter, hatte außerdem die Erlöse
aus der Bodenpacht (aus verstaatlichtem Bodeneigentum) den Müttern
zugeschrieben. Was er damit meinte, waren die Kinder, nur waren
alleinerziehede Väter damals wohl undenkbar. Das ist wohl eine dieser
Gruppen, oder? Auch passen Modelle wie das Bürgergeld nach Meinung vieler
Freiwirtschafter hervorragend in die Freiwirtschaft, auch meiner
persönlichen Meinung nach.

Darüber wird in der Regel
von den Gesellianern kein Wort verloren. 

Das ist reine Polemik, weil es gelogen ist. Warum werden den
Freiwirtschaftlern immer so viele falsche Behauptungen untestellt? Wovor
habt ihr (die sowas behaupten) Angst? Unter den Freiwirtschaftler machen
sich meiner Erfahrung nach wesentlich mehr Menschen Gedanken über die
Probleme der leistungsschwachen als im Bevölkerungsdurchschnitt. 

Ich glaube, du verwechselst Freiwirtschaft mit Neoliberalismus.
Eine gegensätzlichere Verwechslung gibt es ja kaum.

M. E. wird
damit nur der Geld- und Arbeitsfetisch (beide gehören
untrennbar zusammen) auf die ideologische Spitze
getrieben.

Auch das ist reine Polemik, der zudem der Ansatz zugrunde liegt, es ginge
ohne Arbeit. Geht es? Stand der heutigen Technik! Wie?

Wenn 10% der Bevölkerung der Industriestaaten von ihren Zinsen leben
können, und zwar in extremem Luxus, wer erarbeitet wohl diese Werte? Die
(immer kleiner werdenden) Mittelschicht. Dazu zähle ich jetzt mal alle,
die aus eigener Arbeitskraft Einkommen erzielen. Den da liegt die
Produktivkraft der Gesellschaft. Diese ist also zum erhalt ihres
Lebensstandards zur Arbeit gezwungen. Bessere Sklaven sind das, mehr
nicht. Ich bin selbst so einer, wie wohl die meisten hier.

Die Freiwirtschaft huldigt also keinesfalls dem Arbeitsfetisch, sondern
ganz im Gegenteil befreit die arbeitenden Menschen vom Zwang der Arbeit
(zur Erwirtschaftung der Zinsen für die Reichen). Und bei der
Freiwirtschaft von Geld-Fetisch zu reden ist ja wohl so falsch wie es nur
sein kann.

Auch die antisemitischen Untertöne bei Gesell werden
von seinen Anhängern geflissentlich übergangen, weil
das nicht ins Konzept passt. Wer ist denn das "Urbild"
des Wucherers und "leistungslosen" Couponschneiders?
Natürlich "der Jude", wer sonst!

Wo gab es denn antisemitische Untertöne? Außer in aus dem Kontext
gezogenen Zitaten, wobei mir da eigentlich nur eines einfällt. Dass Gesell
Antosemit war ist eine leider immer wiederkehrende Behauptung, aber eine
falsche. SELBST WENN er Antisemit gewesen wäre, hat das keinen Einfluss
auf den Wert seiner anderen Ideen. Genausowenig wie Richard Wagners
Antisemitismus den musikalischen Wert seine Opern schmälert. Aber wie
gesagt, es ist eine dreiste Lüge, Gesell wäre Antisemit gewesen. Bitte
auch nur einen Beweis, der nicht einfach wiederlegbar ist!

Es hat ja gerade das größte Experiment der
Menschheitsgeschichte mit Tauschringen und
Alternativwährungen in Argentinien gegeben. Es ist
zugrunde gegangen - an der Inflationierung gefälschter
alternativer "Geldscheine". 

Was vielleicht auch einfach an der Qualität der Geldscheine lag? Davon
abgesehen waren hier auch ganz andere (un-freiwirtschaftliche) politische
Ziele und Wege mit im Spiel.

Tauschringe, Alternativwährungen usw. sind bestenfalls
Notstandsmaßnahmen in Notzeiten, um überhaupt so etwas
wie gesellschaftliche Reproduktion aufrecht zu
erhalten. Mehr aber beim besten Willen nicht.

Das ist eine Meinung oder Behauptung, kein Argument oder gar ein Beweis.

Die Freiwirtschaft ist vor allem ein Werkzeug, ein Weg zu einer besseren
Welt, und eine Basis für weitere Veränderungen zum Positiven. Genau so ein
Weg, ein Werkzeug, fehlt fast allen Alternativ-Ideologien. Wobei ich die
Freiwirtschaft nichtmal als Ideologie sehe, denn die Freiwirte sind so
unterschiedlich, wie eine Menschengruppe nur sein kann.

Warum wird dieser Weg so verteufelt, mit dreisten Lügen, Unterstellungen
und Fehlinterpretationen schlecht gemacht? Denkt doch stattdessen mal
lieber darüber nach, wie ihr die Freiwirtschaft für eure Ziele als
Werkzeug einsetzen könntet! 

Alles Gute wünscht
	Michael

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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