Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?
- From: Joost Klüßendorf <kluessej gmx.de>
- Date: Tue, 27 May 2003 11:32:05 +0200
Hallo,
Casimir Purzelbaum wrote:
Ref.:«Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?»
Joost Klüßendor
Diese Komplexität ist aber nichts, was nur dem Gegenstand der
kritischen Psychologie eigen ist: kein Physiker kann die genaue
Flugbahn eines Blattes vom Baum zur Erde vorhersagen geschweige den
unter realen Bedingungen reproduzieren.
> [...]
Daraus aber einen "freien Willen" und vor allem aber die Unmöglichkeit
objektiver Erkenntnis abzuleiten, würde wahrscheinlich niemandem
einfallen (Mystiker nicht mitgerechnet).
Ich wollte den "freien Willen" nicht aus der Komplexität ableiten,
sondern die Komplexität als Alternativbegründung für meine Argumentation
anbieten, falls jemand das Konzept "freier Wille" anzweifelt.
Im Gegensatz zu den Humanwissenschaften ist die Physik allerdings in der
Lage, solche komplexen Vorgänge, wie das Fallen eines Blattes, in
einzelne Aspekte (Gravitation, Luftreibung, Wind) aufzuteilen, und diese
einzelnen Aspekte separat in vereinfachten Experimenten zu behandeln.
Diese Möglichkeit haben die Humanwissenschaften leider nicht, der Mensch
ist in dieser Hinsicht unteilbar, wenn er handelt, dann sind immer alle
komplexen Faktoren gleichzeitig beteiligt. Daher meine Behauptung:
genausowenig wie Gallilei in der Lage gewesen wäre, aus dem gemächlichen
Dahinsegeln eines Blattes die Fallgesetze abzuleiten, ist die
Psychologie in der Lage, aus dem Handeln von Menschen Gesetze abzuleiten.
Ich behaupte nicht, dass verschiedene Beobachtungen nie vergleichbar
sind. Ich behaupte nur, dass die Beobachtungen von handelnden Menschen
nicht vergleichbar sind. Denn die Art der Beobachtungen, die ich kenne,
sind nicht in der Lage, zu überprüfen, ob eine Situation (wozu z.B. die
Gedankenwelt des Beobachteten gehört) mit einer anderen Situation
vergleichbar ist.
Zu deiner anderen Mail, Casimir, der Befragung von Karl-Heinz und den
objektiven Interessen, die damit wahrscheinlich meintest. Es kann
passieren, dass ich Dinge als mein Interesse bekunde (z.B Ausländer
rauswerfen), aber später merke, dass mir die Folgen nicht gefallen (wenn
das faschistische Regime, was ich gewählt habe, mich im Krieg verheizt).
Dann habe ich natürlich gegen mein zukünftiges Interesse verstoßen.
Nur, und das ist glaube ich Stefan Mz. Argument gewesen (in seiner Mail
vom 22.4.09:11), ist das von außen nicht mit letztendlicher Sicherheit
festestellbar. Ob eine andere Person ihr Handeln ("Ausländer raus !")
bereuen wird (wenn sie im Schützengraben liegt) ist nicht klar. Selbst
wenn die Folgen einer Handlung (ein Krieg) mit großer Sicherheit
vorauszusehe sind, kann niemand wissen, wie das Individuum diese Folgen
bewertet - vielleicht ist Karl-Heinz ja stolz auf seine Uniform und die
Schussverletzungen, die seine Tapferkeit bezeugen ? Kann ich ihm
trotzdem objektiv attestieren, dass die Situation gegen sein Interesse
verstößt ?
Grüße,
Joost
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