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Re: [ox] HOWTO Encourage Women in Linux



On Tue, Nov 26, 2002 at 02:01:54PM [PHONE NUMBER REMOVED], Tereza wrote:
[...]

So. Mensch hoert gerade "the for carnation" mit der gleichnamigen
Platte, falls es jemanden interessiert. Sehr schoen, sehr ruhig
zum Schreiben.

So.

Ich halte mich zwar nicht fuer einen Techie, viele Sachen habe
ich trotzdem alleine gemacht, mache sie immer noch alleine, 
sich zurueckziehen, meinen Dingen in Ruhe nachgehen. Es ist dann auch 
die Geschichte, dass ich nicht sonderlich handwerklich begabt bin,
waehrend demgegenueber mein Vater alles bei uns in der 
Familie gemacht hat, vom Tapezieren, Malern, Regale bauen, Tischlern
ueberhaupt, Eisenbahn reparieren, Lampen ausschrauben, Trabi
zum Funktionieren bringen, halt der Kerl im Haus. Waehrend ich
mich dann auch an meine klaeglichen Versuche erinnere, 
handwerkliche Dinge alleine durchzufuehren (und zu imponieren...): 

Ich hatte irgendwann mal meine Eisenbahnanlage auseinandergerupft und
wollte die Gleise neu verlegen, was logisch ja kein Problem war. 
Aber mir fehlten alle moegliche Fertigkeiten wie einen nicht 
abstrakten und skurrilen Tunnel zu bauen, eine Stadt darzustellen, 
dort den kuenstlichen Rasen umherzustreuen und alles sowas. Haette 
ich meinen Vater um Hilfe gefragt, er haette mir wieder alles abgenommen, 
es waere ihm zu langsam gegangen, an die Elektrik haette ich eh nicht 
gedurft und ueberhaupt. Stolz. Wille, ohne ihn es zu koennen.

Da stand ich nun so ohne alles und irgendwie kam ich nicht weiter. 
Ich habe seine Arbeit kaputtgemacht (was ihn aergerte), aber was neues 
alleine auf die Beine zu stellen, das habe ich dann nicht
geschafft (was ihn wohl bestaetigte). So ein Vorwurf, Dinge nicht zu Ende
zu bringen, diesen habe ich immer noch im Ohr, der kommt auch aus
dieser Zeit.

Naja, keine Ahnung, irgendwie konnte ich es mir selber also nie
beweisen, ob ich es denn je gekonnt haette. Diese Handwerkssachen in
und ausserhalb der Schule (im Osten gabs PA=Produktive Arbeit), diesen
Scheiss kann man in eine Pfeife rotzen und dann wegschmeissen. Metallscheiben
feilen, Holz schleifen, Lampenkaesten zusammenbauen, bah. Ab und zu gab
es den Zugang zu Maschinen; an einer grossen Bohrmaschine zu arbeiten, 
das beeindruckte mich dann schon. Technisches Zeichen fand ich gut;
durchs Auswendiglernen der Formalien, DIN-Kram und dass ich zu bloed war,
mit meinen angestrengten, warmen Fingern nicht den Bleistiftzug
zu verwischen, da habe ich mich dann auch davon weggetrieben.

Gut, diese Geschichten kennt jeder fuer sich. Ich mache mir
nur selber an solchen Geschichten klar, wie ich gepraegt worden bin,
fuer mich stellt sich dann dieses Reproduzieren von Dingen besser dar,
ich kann es fuer mich ganz deutlich erkennen, das, wie die Leute zu mir
waren, und das, wie ich heute manchmal verwirrt dastehe, wenn ich
mit Leuten in Kontakt trete und manchmal auf diesen alten Kram zurueckgreife,
und ich nicht merke, dass ich etwas verwende, was mir selbst nicht viel
Gutes getan hat.

Um dann jetzt in die Gegenwart ueberzutreten; ich arbeite zur Zeit in einer
Firma und programmiere dort die Software weiter, und neben mir sitzt so ein 
Kerl, der aus einer voellig anderen Richtung kommt, die auch technisch ist,
aber mit Programmierung so nicht viel zu tun hatte. Er hat jetzt programmieren
gelernt, machte das Praktikum in dieser Firma und arbeitet nun fest dort.
Was sich mir da auftut ist teilweise die Hoelle, auf sowas war ich bisher 
nicht vorbereitet. Ich arbeite seit ein paar Jahren auf einem Gebiet, habe Dinge
programmiert, gesehen, gehoert, diskutiert, besitze da bestimmte Erfahrungen,
die man auch mit diesen Leuten teilte, so dass es sich darueber auch wesentlich
einfacher unterhalten liess. Da bin ich jetzt raus. Nun ist kulturell (kann man
das so sagen?) etwas voellig anderes vorhanden.

Waehrend ich versuche, ihm etwas zu erklaeren, schaue ich ihm dabei in die Augen,
um die Wirkung zu erkennen, obs denn da klickt macht oder nicht. Oft habe ich das
Gefuehl, es klappt nicht. Es klappt einfach nicht. Er sagt dann oft "ja", und
diese typischen Key-Woerter, die auf ein "Verstehen" schliessen sollen.

Ach, frueher haette mich diese "Dummheit", dieses "nicht verstehen wollen" 
geaergert, diese "Unfaehigkeit", blablabla. Und all diese Kraftwoerter, mit denen
man Menschen beschimpft. Auch wenn man diese nicht ausspricht, sie zumindest denkt
und denjenigen so schnell wie moglich loswerden moechte.

Hier hat bei mir jedoch eine Veraenderung stattgefunden, 
die bei mir zum Beispiel damit zu tun hat, dass ich fuer mich das Ding mit 
der Reproduktion von Verhaltensweisen nach meinem Verstaendnis erklaeren konnte:

       Wenn etwas nicht klappt, bin ich genervt. 
       Wenn ich genervt bin, gebe ich irgendwann auf 
       und nehme demjenigen die Aufgabe weg und mache
       es selber. 

Aber hallo? Das passt auf das Verhalten in meinem Umfeld. Oder auf andere, eher bekannte
Menschen in meinem groesseren Umfeld, Lehrer, Freunde, und immer weiter. Das scheint
alles voellig normal zu sein. Das sehe ich immer wieder. Immer sind die anderen die DAUs,
die einen zum Wahnsinn treiben.

Mir ist die Lust vergangen, das weiterhin zu reproduzieren, es in die naechste Generation
zu schleppen. Andere Leute damit an ihrer eigenen Entfaltung zu hindern, die Leute
zu behindern. Ich weiss selbst sehr genau, was ich durch solche erfahrenen
Verhaltensweisen nicht gemacht habe, nicht machen konnte, gerade als Kid, wo man doch
arg von den Leuten um einen herum und ihrem Wohlwollen abhaengig ist.

Nun denn, um von diesem Kerl weiterhin zu sprechen. Natuerlich lodere ich innerlich,
wenn ich merke, der rafft es nicht. Dazu habe ich schon zu lange mit dieser Emotion gelebt,
dass ja immer ich selbst und meine Unfaehigkeit daran Schuld waeren, wenn ich es nicht
kapiere, verstehe. 

Aber seltsamerweise hat sich das gemildert, ich beruhige mich wieder, es packt mich
dann eher Neugierde. Gut, er versteht mich nicht. Das ist mein und sein Pech. Das
verlaengert die Diskussion, mehr aber nicht. 
Was versteht er denn nicht? Wie stellt er sich das ganze ueberhaupt vor? Mal sehen, was er
sagt. Kann ich was damit anfangen? Vielleicht ist sein Bild besser und ich kann da
herumstochern? Und all der ganze Kram, wie man auf jemanden eingeht, wenn die Interessen
gleich sind, man sich sozusagen gerade "beruehrt". (Mit all dem Zwang, der auf Arbeit
bisher noch "natuerlich" entsteht, etwas machen zu muessen, ein bezahltes, gemeinsames Ziel
zu verfolgen, was natuerlich wahre Motive verschleiert, er oder ich eigentlich kein
wirklich erforschendes Interesse an etwas haben muessen...)

Letztendlich steht fuer mich als Vorbild, dass Kommunikation Risiko ist, ich kann
und will die Leute nicht kontrollieren, was sie sich unter dem und das vorzustellen
haben. Ich kann mir eine grosse Bandbreite an Moeglichkeiten schaffen, um mich
mit Leuten zu verstaendigen. So dass es fuer mich nicht jedesmal aufs neue erstmal eine
Hoelle ist, auf jemanden zu treffen, der sich nicht in meinem Umfeld bewegte. Der also von
den Dingen, wie ich sie sage, wie sie in meinem alten Umfeld benutzt wurden,
so gut wie kein eigenes, vertrautes Bild davon hat, in welchem er umhernavigieren 
oder in welchem ich mit herumschippern kann.

Ich kann mir zum Beispiel gar nicht mehr vorstellen, vor einer grossen Menge zu stehen
und ihnen etwas erklaeren zu koennen. Das ist fuer mich nicht praktikabel. Entweder
ich schalte die Leute gleich, sie bekommen alle dasselbe beigebracht, machen dieselben
Erfahrungen, na - ein wenig variabel, klar - dann ist das vielleicht machbar, dann komme ich
dem Ideal nahe, sofort oder gleich verstanden zu werden. Aber die Gewalt, die dafuer
ausgeuebt werden muss, die habe ich gar nicht und will ich auch nicht.

Um es mal umzudrehen, in einer Uni-Vorlesung sass ich da, hatte mich fuer ein Thema
interessiert, der Mensch fing an zu erzaehlen, ich fands superinteressant, der
Beruehrungspunkt war da. Doch, irgendwann driftete ich ab. Immer. Ich haette zwar
den Fokus auf mich erneut richten koennen, indem ich die Fragen aeussere, die mich
interessierten, um sozusagen wieder in Beruehrung mit dem Vorlesenden zu kommen - so waere
ich wachgeblieben. 
Aber das ist in einer Vorlesung nicht machbar. Auch gar nicht gewollt. Der Vorlesende ist
darauf nicht vorbereitet. Und es wuerde die anderen auch nicht interessieren. Und ob der
Vorlesende so firm waere, um meine Fragen zu beantworten, auf sie einzugehen, weil sie 
vielleicht mit dem vorzutragenden Stoff erstmal gar nichts zu tun haben, die Gefahr, nicht
selber als Depp vor der Masse dazustehen, neee, das geht alles nicht.


Die Welt ist vielfaeltig. Es existiert keine wirkliche Organisation, um auf die
Leute einzeln einzugehen. Mir fehlen die Wege, die Dinge zu machen oder zu erfahren, die ich
gerne machen wuerde. Wenn ich von heute auf morgen Lust haette zu erfahren, wie sich
ein Hubschrauber in einer Extremsituation verhaelt, es waere gar nicht moeglich. Ein langer,
kontinuierlicher Weg waere vonnoeten.

Je vielfaeltiger auch die Leute werden, umso schwerer wird es, fuer sich Gleichgesinnte zu
finden, mit denen man fuer eine Zeit gemeinsam "vorwaerts" gehen kann, mit denen man sich
austauschen kann. Oder die einen selbst inspirieren. Vor allem wird es schwer,
Gleichgesinnte zu erkennen. Wer kann schon in die Leute reinkucken. Es sind wohl die Themen,
wo man hoffen kann, dass dieser Thementopf von interessierten Leuten bearbeitet wird.

Worauf man sich vielleicht wirklich noch einigermassen verlassen kann, ist der gemeinsame
Lebensraum, das gemeinsame Aufwachsen in einer Gegend. Man driftet also nicht voellig ab
in eine eigene erfahrene Welt, es wird Ueberschneidungen geben, man kann tratschen bzw.
Interessen teilen. 

Aber dennoch bereitet mich nicht wirklich etwas darauf vor, mit all den Unterschieden
der Leute untereinander umzugehen.

Mann, Olaf, olle Labertasche. Stop.

Dieser Kerl, mit dem ich da zusammensitze, der mir was erklaert und ich ihm,
der grosse Unterschied zwischen uns, das war mein Ausgangspunkt. Dieser erinnerte mich
naemlich an all die Frauen, die mir im Laufe des Lebens im Computer-Bereich begegneten. Eine
ganz andere Auffassung von Dingen. Und nicht weit davon ist da diese Nicht-Tolerierung
bzw. das ist so nicht richtig, denn behindert wird eigentlich nix (ala Keywords RTFM, oder
so, wie Tereza es beschrieb, Selbststudium, all die Voraussetzungen, um mitreden zu
duerfen), sondern eher dieses nicht Erklaeren, kein Eindringen in die Vorstellungswelt
des anderen, kein Brueckenschlagen, das schnell genervt sein, das Abstempeln, die Leute als
dumm darstellen, und so weiter.

Hm.

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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