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Re[2]: OS vs FS (was: [ox] Zum Begriff der Herrschaft)



Hallo Stefan und alle anderen,

Friday, November 8, 2002, 5:55:49 PM, you wrote:

Benni Baermann wrote:

Meinem Verständnis nach, gibt es auf Projektebene keinen Unterschied
(oder keinen wesentlichen) zwischen "Freier Software" und "Open Source
Software". Der Streit ist im wesentlichen ein ideologischer
Begriffsstreit, der sich eben gerade daran entzündet, das Selbe
Phänomen benennen zu wollen.

das sehe ich anders. Oder vielleicht w"unsche ich es w"are anders :-)

'Free Software' beschreibt keine Projekte. Ich kann als Angestellter
eines Unternehmens ein Programm schreiben, und es dann unter GPL
lizensieren. Die Entwicklung hat dann trotzdem 'geschlossen'
stattgefunden.

Klar, viele *meinen* mit 'Free Software' was anderes, aber darum geht
es ja hier gerade: pr"aziser mit diesen Begriffen umzugehen, damit wir
besser verstehen, was da eigentlich vorgeht.

Genau. Wenn ichs damals richtig verstanden habe, dann wurde das, was
du meinst hier auf der Liste mal als 'doppelt freie' Software
diskutiert: frei produziert und frei distribuiert. Mir persoenlich ist
Wurscht wie wirs nennen, das Thema der Produktionsseite (Projekt)
erscheint mir aber tatsaechlich mindestens so wichtig wie das der
Lizenz und allem was daran haengt. Und natuerlich haengt beides
zusammen. Und vielleicht sollte man noch eine dritte Ebene einfuegen:
die Benutzung, womit wir dann bei dreifach freier Software waeren.
Aber bis dahin ist noch viel Anstrengung des Begriffs. Ein andermal.

Doch nun zur Macht:

Danke fuer deine interessanten Differenzierungen von Machtphaenomenen
in FS-Projekten. Als Soziolog faellt mir dazu erstmal folgendes ein:

Was du ueber den Maintainer schreibst aehnelt in ein paar Zuegen dem
idealisierten (Selbst-)Bild des patriarchalen Unternehmers um 1900. Er
versteht als seine Aufgaben und Arbeitsbedingungen:

a) Die Sorge um das Weiterbestehen,

b) die Abhaengigkeit von guten ArbeiterInnen, die dementsprechend auch
gut behandelt werden muessen,

c) die Organisation der Zusammenarbeit und

d) die Verantwortung fuer den Gesamtproduktionsprozess und das
Produkt.

Spannend finde ich nun, dass du (mit Brooks) interne Konsistenz und
Klarheit stark machst um diese Ziele zu erreichen. Ein
"Industriekapitaen" des 19. Jahrhunderts wuerde gerade Geschlossenheit
benuetzen um die Ziele zu erreichen, allen voran natuerlich: Patente.
Nur kurz ein noch ein Beispiel dafuer: Der Bestand der Firma im
Familienbesitz wird durch Privat(aus)bildung fuer den Stammhalter
garantiert. Nur er (sic!) soll das Geheimwissen bekommen. (Ironie der
Geschichte: einige der besten linken Theoretiker sind als solche
Fabrikerben erzogen worden).

Ich uebersetze deine Klarheit und Konsistenz fuer mich erstmal in:
Minimieren von informeller und Maximieren von formeller Organisation.
Das leuchtet ein, noch so offene Quellen helfen nichts, wenn ich a)
ewig brauche um sie zu verstehen und v.a. wenn b) ein Haufen
impliziter "Geschichte" dahinter verborgen ist. Gleichzeitig lauert
aber dahinter ein Machtfaktor, den du auch schon andeutest: Formale
Regeln sind nicht machtneutral. Zum einen gibt es denjenigen, der sie
durchsetzt und interpretiert, zum anderen sind auch in noch so
abstrakten Regeln, Techniken und Technologien Machtverhaeltnisse
eingeschrieben.

Trotzdem wuerde ich sagen, dass dies eine auch politisch fuer mich
vertretbare Version von Machtausuebung in FS-Projekten und darueber
hinaus darstellt: Der/ie MaintainerIn wird auf formelle Klarheit und
Konsistenz verpflichtet und hat die Verantwortung dafuer, dass diese
gewahrt wird. Informelle Mittel der Machtausuebung, wie z.B. Kungeln,
so effektiv das sein mag, um die oben angefuehrten Ziele a-d zu
erreichen, waeren damit verboten.

Ein Zweifel bleibt: Wir wissen aus der Arbeitssoziologie, dass
ueberall da, wo Menschen zusammenarbeiten, ein Haufen informelle
Organisation stattfindet. Gerade die Zunft der CSCW (Computer
Supported Cooperative Work) hat sich lange die Zaehne daran
ausgebissen, dass eine ganze Menge an Arbeitsinteraktion (und
uebrigens auch Wissen) nicht formalisierbar ist. Wo bleibt das dann?
Und ist es nicht auch das, was Arbeit manchmal spannend macht, dass
wir Freund oder Feind werden mit unseren Chefs und KollegInnen?

?

thomas

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