Message 05644 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05345 Message: 91/91 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Konsens, Wir, Gepflogenheiten (was: Re: [ox] Zum Begriff der Herrschaft)



Hi ThomasUG und Liste!

Last month (40 days ago) Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
2. Konsens

Zur Erinnerung: Konsens ist dann
erreicht, wenn niemensch mehr widersprechen muss.

Diese Definition stimmt nicht mit der überein, die ich aus dem
Schülerrat und aus der Fachgruppe Informatik her kenne. Nach der
ist Konsens nämlich dann erreicht, wenn in einem Punkt alle
einer Meinung sind, d.h. wenn eine Abstimmung 100% Ja- oder 100%
Neinstimmen und keine Enthaltungen ergäbe.

Das würde ich dann Einstimmigkeit nennen.

Nach deiner Definition wäre hingegen Konsens auch bei 100%
Enthaltung erreicht.

100% Enthaltung würde bedeuten, dass keineR was will. Dann braucht es
gar keine Entscheidung. Allerdings halte ich es für Konsens, wenn
eineR was will und keineR aus der entsprechenden Konsensgruppe
widersprechen muss.

Wichtig auch und zunächst sehr ungewohnt: Konsens ist dann erreicht,
wenn nicht mehr debattiert wird (d.h. wenn die Debatte störungsfrei
verlaufen ist). D.h. Konsens ist tendenziell dann da, wenn niemensch
mehr Verbesserungsvorschläge / Bedenken äußert. Die effektivste
Methode mit diesem praktischen Problem umzugehen scheint mir bisher,
einen Timeout anzugeben, bis wann alle was gesagt haben müssen. Dieser
Timeout muss selbstredend angemessen sein - sowohl was das Gewicht der
Entscheidung, ihre Dringlichkeit, als auch die
Kommunikationsmöglichkeiten betrifft.

Dies finde ich sehr lasch und nicht sehr
befriedigend.

Nun, ich und ein paar Freunde haben uns in früheren (anarchistischen)
Zeiten ziemlich viele Gedanken über diesen Komplex gemacht. Die oben
erwähnte Kurzform war das Bündigste was uns eingefallen ist. Ich finde
sie immer noch sehr treffend - insbesondere weil ich sie lange in der
Praxis erlebt habe.

Mensch kann sich darüber natürlich noch mehr Gedanken machen. Leider
habe ich den sehr guten Konsens-Reader nicht mehr, in dem z.B. sieben
Konsensstufen aufgelistet waren. Einstimmigkeit war dort Konsens 1.
Klasse und ganz am Ende stand die Trennung.

3. Das "Wir"-Problem

Na, ich versuche ja schon immer brav Anführungszeichen zu
verwenden, wenn (mir) die Bezeichneten nicht ganz klar sind
;-( ...

Durch das "Wir" bezeichnest du alle 300 Leute, die an dem
Projekt teilnehmen; da helfen auch die Anführungszeichen nichts.
D.h. auch die Leute (Sabine, Hartmut, Dirk, Karl usw.), die in
mindestens einem Punkt anderer Meinung sind als du. Diese Leute
haben aber sicher etwas dagegen, wenn du trotz anderer Meinung
für sie mit sprichst.

Die Gruppe, die du mit "wir" meinst, ist deutlich kleiner, und
welche Namen auf der Liste auftauchen, ist mir nur in einem Fall
wirklich klar.

Anders sieht es natürlich in den Fällen aus, in denen wirklich
alle gemeint sind, z.B. bei organisatorischen Fragen: "Wie
können wir mit weniger Aufwand besser kommunizieren?"

Zur Klarstellung: Wenn ich wir sage, dann lege ich damit nicht alle
auf irgend etwas fest. Wer das so sehen will, dem ist das natürlich
unbenommen - ich sehe es jedenfalls nicht so und kann mir daher auch
keinen Vorwurf machen. Ich gehe nicht mal von einem Konsens in obiger
Definition aus.

4. Die Gepflogenheiten

Bei Oekonux haben wir ja mittlerweile sogar die
Gepflogenheiten
[http://www.oekonux.de/liste/intro.html#Gepflogenheiten]
aufgeschrieben, die sich auf der Liste ausgebildet haben und
die von den allermeisten Leuten hier zustimmend kommentiert
werden.

Die "Gepflogenheiten" haben nicht wir aufgeschrieben, sondern
du. Stefan Mz und Benni haben Verbesserungsvorschläge
eingebracht, was man als Zustimmung werten kann.

Sie sind also nach obiger Definition im Konsens entstanden.

Karl und
irgendein Uli sind hingegen dagegen; das ignorierst du
jedoch. "Die allermeisten Leute hier" haben sich zu den
"Gepflogenheiten" bisher enthalten. Daß du dies als Zustimmung
wertest, erinnert mich stark an deine "Konsens"-Definition.

Ja. Wobei ich betonen möchte, dass diese Gepflogenheiten sich
vollständig aus der Listenpraxis ableiten und daher in einer sozialen
Praxis gewachsen sind. Sie sind dadurch nicht sakrosankt, aber es gibt
m.E. Hinweise darauf, dass sie auch heute noch der sozialen Praxis
entsprechen.

Ich will es hier zum x-ten Male wiederholen: Die Leute, die sich bei
`liste oekonux.de' anmelden, tun das - und davon ist bei bewussten
Menschen auszugehen - weil sie an der Liste interessiert sind so wie
sie angekündigt ist. D.h. z.B. auch eine gewisse Fokussierung auf die
Themen von Oekonux - und so eng ist es ja nicht wie schon dieser
Thread zeigt. Es ist also nicht völlig aus der Luft gegriffen zu
glauben, dass diese Leute an genau dieser Liste interessiert sind - so
wie sie ist. Wie geht es dir, wenn du Cola bestellst und Bier kriegst?
Zumindest als Dauerzustand wirst du das nicht witzig finden vermute
ich.

Sind Leute dagegen an allgemeinem Geplauder interessiert, dann gibt es
einige Tausend andere Mailing-Listen, Newsgroups, IRC-Kanäle,
Chat-Rooms, etc. pp. Seit Neuestem gibt es sogar `chat oekonux.de',
das explizit keinerlei Beschränkungen unterliegt. D.h.: Es wird
niemensch etwas dadurch genommen, dass sie Off-Topic-Mail nicht
hierher senden soll. Das einzige was entfällt, ist die Möglichkeit,
die Liste hier für eigene Zwecke zu missbrauchen. Das ist ein bisschen
wie das Reprivatisierungsverbot in der GPL. Spam ist hier ein
extremes, aber nichtsdestotrotz klares Beispiel. Warum diese Freiheit
zum Missbrauch, diese Freiheit zur Grenzüberschreitung jetzt höher zu
bewerten ist, als der Wunsch der Vielen, sich einfach auf das zu
konzentrieren, was sie gewählt haben, ist mir immer noch nicht
nachvollziehbar.

Solche Gepflogenheiten haben schon einen normativen
Charakter - und das soll ja auch gerade so sein.

Und genau dies ist der Grund, warum ich gegen dieses Regelwerk
bin.

Um ein normatives Regelwerk aufzustellen, benötigst du
Machtmittel.

Das kann jedeR jederzeit. Machtmittel brauchst du höchstens zur
Durchsetzung.

Z.B. kann der Duden-Verlag nur deshalb die deutsche
"Rechtschreibung" festlegen, weil es gesetzlich festgelegt ist,
daß genau dieses Regelwerk in Schulen und sonstigen Behörden
anzuwenden ist. Außerhalb des Bereichs, wo es mit Zwang
durchgesetzt wird, ist es jedoch wertlos.

Derartige Machtmittel hast du aber nicht (s.o.), d.h. deine
Verhaltensregeln können allenfalls unverbindlicher Natur sein.
Dann sollten sie auch so gemeint und einem entsprechenden
Hinweis versehen sein, auf daß sie schließlich aus Einsicht in
ihre Sinnhaftigkeit und nicht aus bloßer Spießer-Mentalität
befolgt weren.

Nun, ich finde die Gepflogenheiten schon ziemlich stark als Bitte
formuliert. Es ist nicht jeder Punkt ausführlich erläutert und
erklärt, aber das hätte ich an dieser Stelle auch für zu lang
gehalten. Aber du kannst ja gerne Erläuterungen schreiben, die dann
verlinkt werden. Die allermeisten scheinen aber keine zu brauchen -
sonst würden sie wohl nachfragen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05345 Message: 91/91 L2 [In index]
Message 05644 [Homepage] [Navigation]