Entfremdung und Fetisch (was: Re: [ox] Re: Doppelt Freie Software)
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Thu, 16 May 2002 11:16:20 +0200
Hi Stefan und alle,
ein kleines Spezialdiskussiönchen;-)
On Monday 13 May 2002 18:52, Stefan Merten wrote:
Der Begriff des "doppelt frei" verweist darauf, deswegen finde ich
ihn gut. Dann muss aber auch der Inhalt drin sein: Keine
Verwertung.
So meine ich es auch und würde noch weitergehen: Keine Entfremdung.
Wieso "weitergehen" - gibt es Entfremdung jenseits der
Verwertung(slogik)?
Das würde ich aber doch annehmen.
Warum läßt sich z.B. das Handeln aufgrund eines religiösen Fetischs
nicht als Entfremdung fassen? Ich meine, da geht es doch auch um eine
Zielsetzung, die genauso außerhalb des Individuums liegt wie die
Verwertungslogik - oder?
IMHO ist der Unterschied, dass die "externe Zielsetzung" - die Erlösung im
Jenseits oder sonstwas - selbst gewählt wurde. Es gab immer auch etliche,
die sie nicht gewählt hatten, oder andere Teleologien verfolgen. Diese
Wahl mit der Option des Entzugs hat niemand in der Verwertungslogik, dem
Wertfetisch kann sich keiner entziehen - selbst, wenn ich mir noch einen
anderen zulege (Blutsbande oder sonst was).
[ Nach meinem Eindruck ahnst du den Unterschied auch selbst, als du in
http://www.oekonux.de/liste/archive/msg04865.html zum Subject
"Bedingungen für Selbstentfaltung?" schreibst: "Hier helfen uns
vielleicht sogar Referenzen auf vormoderne Lebensweisen, da in diesen die
Entfremdung mir weniger drin gewesen zusein scheint - na ja, sag' ich mal
so ;-) ." ]
Zugespitzt: Während die Menschen in der Vormoderne ihre (durchaus
unterschiedlichen) Teleologien verfolgten, verfolgt die universale,
gleichmachende Teleologie des Werts den Menschen in der Moderne.
Weitergedacht heisst das nämlich, das bei - angenommen - abgeschaftem
Wertfetisch, es völlig egal ist, ob sich Menschen quasi ihren
individuellen "Hobbyfetisch" zulegen. Der kann "Teil ihrer besonderen Art
der Selbstentfaltung" sein. Mein Ding wäre das nicht - aber warum nicht
von wem anderes? Egal ist das deswegen, weil die Vergesellschaftung nicht
über einen Fetisch "gesteuert" wird, sondern durch die Menschen.
Dann kann ich dir jetzt noch sagen, dass meine Frage "Wieso 'weitergehen'
- gibt es Entfremdung jenseits der Verwertung(slogik)?" eigentlich anders
gemeint war;-)))
Nämlich formelhaft: Keine Verwertungslogik - keine Entfremdung mehr. Wieso
geht dann eine Forderung nach Abschaffung der Entfremdung "weiter"?
Entfremdung ist IMHO die Erscheinung, das Resultat, der Verwertungslogik
als gesellschaftlichem Prinzip. Dagegen ist schlecht angehen, wenn du
nicht an die "Ursache" gehst. IMHO ist deswegen "Abschaffung der
Verwertungslogik" weitergehender als die Forderung nach Überwindung der
Entfremdung.
Als Beleg dafür kann ich die Alternativbewegung anführen, die quasi
"unmittelbar" die Entfremdung überwinden wollte, aber nicht erkannte,
dass Entfremdung ein Ergebnis ein Vermittlungsprozesses - den über das
realabstrakte Dritte des Werts - ist. Und Resultate von
Vermittlungsprozessen sind nun mal nicht unmittelbar aufhebbar.
Ciao,
Stefan
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