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Re: [ox] Re: Bedingungen für Selbstentfaltung?



Hi Benni und alle!

Da scheint ja ein wirklich wichtiges Thema doch erhebliche
Unklarheiten zu haben. Spannend. Ich hänge mich mal eben hier ein,
weil schon hier wichtige Essentials drin sind.

Last week (12 days ago) Benni Baermann wrote:
On Fri, Apr 05, 2002 at 12:13:44PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
2 weeks (18 days) ago Benni Baermann wrote:
On Wed, Mar 13, 2002 at 10:31:52PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Um bei dem großen Selbstentfaltungsding mitmachen zu können sind
Kenntnisse und Mittel erforderlich und zwar nicht zu knapp.

Hupps? Für mich nicht.

Ja, da kommen wir der Sache vielleicht näher.

Ganz bestimmt sogar.

Ich merke grad, dass es tatsächlich nicht "Kenntnisse und Mittel"
sind, sondern eher eine Einstellung zu sich und anderen, die
erforderlich sind für Selbstentfaltung.

Da würde ich die allerdings zustimmen. Eine (Lebens-)orientierung auf
Selbstentfaltung ist ein ziemlich anderes Paradigma als ein auf
Wertsklave. Stichtwort: Protestantische Arbeitsethik. Dazu werde ich
in der nächsten Zeit noch einige interessante Hinweise posten (wenn
ich das Buch durchhabe ;-) ).

Hier helfen uns vielleicht sogar Referenzen auf vormoderne
Lebensweisen, da in diesen die Entfremdung mir weniger drin gewesen zu
sein scheint - na ja, sag' ich mal so ;-) .

Irgendwie habe ich massiv das Gefühl, daß du hier ein ganz bestimmtes
Ideal von Selbstentfaltung im Kopf hast, daß du letztlich anderen
überstülpen wirst müssen. Warum?

Ne, zunächst geht es mal nur um das "die eigene Selbstentfaltung ist
die unmittelbare bedingung der Selbstentfaltung der anderen und
umgekehrt". Nur steckt da halt verdammt viel drin finde ich.

Wie andern-threads schon angedeutet würde ich das so universell nicht
behaupten. Das ist das, was wir in der Freien Software bzw. deren
Produktion sehen können und was da stimmt. Ob das überhistorisch gilt?
Eher nicht würde ich meinen - zumindest nicht ohne massivst
moralinsauer zu werden.

Wenn Du jetzt auf Deinem hohen Theorieross
daherkommst und ihnen sagst, dass sie aber "qua menschsein" sich bitte
selbstentfalten sollen werden sie Dich wohl vor allem mit grossen
Augen angucken.

Na ja, mensch müßte es ihnen schon in ihren Worten sagen. Aber ein
halbes Jahr Mallorca würden die meisten verstehen - meinst du nicht?
Danach würden sicher die allermeisten sich anfangen was zu überlegen,
worauf sie Bock hätten.

Das kann sein. Aber "was, worauf sie Bock haben" ist noch keine
Selbstentfaltung, weil das eben auch sein kann, die eigene Frau zu
unterdrücken oder die Kinder zu schlagen. Und das zählt tatsächlich
dann nicht mehr zu Selbstentfaltung.

Nicht? Warum?

Und ich glaube durchaus, dass es
verdammt viele Leute gibt, die zunächst mal destruktive Wünsche haben,
die eben gerade die anderen nicht berücksichtigen.

StefanMz müßte hier eigentlich das Problem haben, daß du den Leuten
zumindest vorschreiben willst, was Selbstentfaltung gefälligst nicht
zu sein hat. Ich habe jedenfalls ein Problem ;-) . Ich denke nicht,
daß der *Selbstentfaltung* eine Grenze immanent ist. Wenn das so wäre,
dann könnte übrigens auch das Kapital an genau diese Grenze gehen und
damit die Selbstentfaltung integrieren.

Das heißt jetzt natürlich nicht, daß solchem Tun nicht Einhalt geboten
werden sollte - klar sollte. Aber die Selbstentfaltung *per se* kann
da m.E. nicht als Grund herhalten.

Mir geht es nur darum,
dass es eben ein grosser Schritt ist von der Theorie, nach der jeder
"qua Menschsein" sich Selbstentfalten kann und der Praxis, das auch
für die Leute konkret möglich und wünschenswert zu machen.

Nun, da sehe ich nicht wirklich ein Problem. Aber vielleicht liegt das
daran, daß ich nicht so viele Vorgaben mache.

Aber das "Die Bedingung der eigenen SE ist die SE der anderen und
umgekehrt" siehst Du doch auch als Vorgabe, oder? Ich denke es geht
nicht darum, dass schon jegliches Handeln, was nicht direkt
fremdbestimmt ist SE wäre.

Hmm... Vielleicht ist die Klasse zu groß, aber wenn es nicht
entfremdet ist, dann würde ich schon in die Richtung denken. Habe ich
aber auch noch nicht klar.

Aber ich will ganz klar machen, daß ich nicht der Meinung bin, daß
Selbstentfaltung automatisch political correctes Verhalten zur Folge
hat. Sogar ganz bestimmt nicht. Es wäre zu hoffen und zu erwarten, daß
auf dieser Grundlage das eher wächst - mehr aber m.E. nicht.

Aha. Du hast also Angst, daß sich zu wenige SklaventreiberInnen
finden, die es den selbstentfalteten Sklaven ordentlich besorgen. Na,
da habe ich eher keine Bedenken.

Nein, ich denke tatsächlich, dass "selbstentfaltender Sklave" oder
"selbstentfaltende Sklaventreiber" ein Widerspruch in sich ist. Das
schliesst vorübergehende Unterordnung nicht mit ein, solange man dort
jederzeit raus kann (siehe FK oder Spiel).

Ok, da hast du wohl recht. Ich habe tatsächlich mehr ein Sklaventum
gemeint, aus dem die Sklaven auch wieder aussteigen können. So etwas,
was in der SM-Szene wohl i.d.R. funktioniert.

Ich würde
denken, vor allem letzteres ist lediglich irrational mit dem
Selbstentfaltungsmodell, das "wir" hier diskutieren. Daß es irrational
ist, heißt nicht, daß es automatisch verschwindet - aber die Chancen
stehen jedenfalls ganz gut.

Nehmen wir als Beispiel Freie Software: Es wäre z.B. völlig
irrational, keine Freie Software von Schwarzen / Weißen / Gelben /
Roten / Grünen / <deine ethnische Haßgruppe hier> oder von Männern /
Frauen usw. einzusetzen *weil* sie von den jeweiligen Leuten kommt.
Manche werden es dennoch tun, aber die Rationalität zieht das
statistisch schon gerade.

Also angesichts der realen Nicht-Beteiligung von Frauen und
Nicht-Weissen an FS find ich das fast schon zynisch :-(

Häh? Den Kommentar verstehe ich überhaupt nicht.

Wäre das nicht so, gäbe es im übrigen keinen Kapitalismus, der
schließlich auch nur aufgrund von Rationalitätsbedingungen - halt
unter bestimmten historischen Vorgaben und vielfach gebrochen -
gedeihen konnte.

Das hab ich jetzt nicht kapiert. Zumindestens den Zusammenhang zum
Rest nicht.

Der Gedanke war wohl: Menschen funktionieren nach (irgendwelchen,
gerne auch emotionalen) Rationalitätsprinzipien. In der
Produktivkraftepoche des Feudalismus formte sich das in anderer Weise
aus als im Kapitalismus und in der GPL-Gesellschaft führt dieses
Rationalitätsprinzip eben (statistisch) zu der Selbstentfaltung, die
"wir" hier diskutieren - jedenfalls in der Organisation nützlicher
Tätigkeiten.

Möglicherweise sind alle diese Dinge nur Ausfluss des
Verwertungssystems, glaub ich aber nicht. Und selbst wenn, werden sie
nicht von heute auf morgen verschwinden und "wir" müssen irgendwie
damit umgehen, sowohl theoretisch als auch in der Praxis.

Warum? Ich weiß jedenfalls nicht so genau, warum ich damit umgehen
muß. Um was zu erreichen?

Um Herrschaft loszuwerden, weil die SE widerspricht.

Von Herrschaft mag ich nicht sprechen, solange wir das Machtteil nicht
geklärt haben. Das wird sicher noch ein eigenes Faß...


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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