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Re: [ox] Freie Energie & Freie Information



Hallo,

Christoph Reuss schreibt:,

Ein Schelm, wer da Parallelen zu gewissen Texten über Freie Information
und Freie Kooperation sieht?  ;-}   (die vielleicht ein ökonomisches bzw.
"psychisches Perpetuum Mobile" [Gesellschaftssysteme, die mehr psychische
Energie abgeben, als hineingesteckt wird] versprechen...)

Hier würde ich allerdings auch Christoph in der Tendenz widersprechen.
So sehr ich die IAC-Thesen schätze und so sehr ich bedaure, daß sie
nicht breit rezipiert werden, so sehr weigere ich mich auch
menschliche Gesellschaften mit Phänomenen gleichzusetzen, die den
Naturgesetzen unterliegen.

Wenn die menschliche Physe  Naturgesetzen unterliegt, warum sollte nicht
auch die menschliche Psyche Naturgesetzen unterliegen ?  (Physe und
Psyche hängen übrigens zusammen, und deren Zusammenhang unterliegt
ebenfalls Naturgesetzen -- z.B. die Wirkungen von Bewegung, Hitze,
Koffein, Quecksilber etc. auf die Psyche.)  Das Vorhandensein von
Freiheitsgraden oder gar "freiem Willen" sollte in beiden Fällen nicht
über das Vorhandensein einschränkender Naturgesetze hinwegtäuschen --
z.B. physisch: Man kann sich zwar "frei" bewegen, muss aber immer die
geltenden Gravitationsgesetze berücksichtigen und sollte sein Verhalten
daran anpassen (z.B. nicht aus dem Fenster springen, um so schneller
zum Parkplatz zu gelangen), und man kann Energie(forme)n ineinander
umwandeln, aber nicht aus "nichts" erzeugen.  Genausowenig können
Individuen und Gesellschaften psychisch über ihren eigenen Schatten
springen.  Das meinte ich mit "psychisches Perpetuum Mobile".

Ein Unterschied ist, dass psychische "Energie" im Gegensatz zu
physikalischer Energie sehr spekulativ und nicht messbar ist.
Ein psychisches Energieerhaltungsgesetz kann also nicht über
Ebene der Hypothese hinaus kommen.

Auch ökonomische Gesetze haben bei weitem nicht die
Unumgänglichkeit der Naturgesetze und entsprechende Analogien
sind meist pure Ideologie. Sie setzen den "Homo ökonomicus"
voraus, der aber nur eine (Anti-) Idealvorstellung ist und dem
die realen Menschen zum Glück nur mehr oder weniger ähnlich
sind. Inwieweit sie ihm entsprechen, ist keine Frage der
natürlichen Psyche, sondern der gesellschaftlichen Prägung bzw
Kultur.

Psyche und Ökonomie haben Grenzen, darin hast du recht. Aber
daraus die Unmöglichkeit einer auf Selbstentfaltung beruhenden
Wirtschafts- oder Gesellschaftsform abzuleiten ist doch sehr
spekulativ.


Bezogen auf das Listenthema wäre auszuloten, inwieweit die psychischen
Verhältnisse von einer kleinen privilegierten "Nerds"-Elite auf die
Gesamtgesellschaft verallgemeinerbar sind.  (M.E. nicht weit...)

Da die "Nerds" doch wohl auch irgendwie der menschlichen Art
angehören, seh ich keinen Grund, warum bei Normalsterblichen die
Motivation durch Selbstentfaltung nicht auch funktionieren
sollte. Ein gewisser Freiraum gegenüber ökonomischen Zwängen ist
dazu natürlich notwendig, aber doch auch nicht unmöglich.

Auch ich bin skeptisch gegenüber dem Optimismus, aus der freien
Softwareentwicklung allein schon eine neue Wirtschaftsordnung
entstehen zu sehen. Das entscheidende Privileg der FS ist aber
nicht die materielle Unabhängigkeit der Produzenten, sondern die
leichte Kopierbarkeit ihrer Produkte. Die Glaubwürdigkeit des
Ökonuxkonzepts wird dadran hängen, ob es gelingt diese Schwelle
zu überschreiten, dh die Möglichkeiten der Selbstentfaltung auch
jenseits der Kopierbarkeit sichtbar zu machen.

Gruß, Jobst


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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