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Re: [ox] Allgemein- und Partialinteresse



[unread ox: 49]

Hi Stefan und alle,

Stefan Merten wrote:

>>http://www.opentheory.org/ind-u-org/v0001.phtml#8
>>
>>>Partialinteressen werden demnach stets auf
>>>Kosten anderer durchgesetzt,
>
> Hier merken wir uns die genaue Formulierung.
>
>>Gibt es nicht auch Interessen, deren Durchsetzung gegen keine anderen
>>Interessen verstößt, die aber gleichzeitig nicht dem hohen Anspruch
>>des Allgemeininteresses unterliegen? Meinem Gefühl nach ist ein
>>solcher Interessentyp sogar eine recht große Klasse. Oder verstehe ich
>>da was falsch?
>>
>>From:  "Stefan Meretz" <stefan.meretz hbv.org>
>>Wichtiger Punkt!
>
> Hupps - das überrascht mich jetzt schon ein bißchen. Du hattest das
> alles so sicher da hinformuliert... Aber schön, dann können wir
> gemeinsam was lernen :-) .

:-)

>>Das bringt mich auf folgenden Gedanken: Ob ein
>>individuelles oder auch gemeinsames Interesse "allgemeinen" oder
>>"partialen" Charakter hat, ist keine Eigenschaft des Interesses oder
>>Bedürfnisses, sondern seiner Form, in der es umgesetzt wird.
>
> Das klingt sehr gut! Tatsächlich klingt das an der gemerkten Stelle
> ja auch schon durch, denn da ist ja auch schon von der Durchsetzung
> die Rede. Ja klingt ausgesprochen logisch, die Durchsetzung eines
> Interesses von dem Interesse selbst zu trennen. Das ist analog dazu,
> das Bedürfnis von der Art seiner Befriedigung zu trennen.
>
>>Ok, es gibt sicher auch Interessen, da liegt mindestens der

>>Partialcharakter hat der Hand, weil klar ist, wie sie umgesetzt
>>werden.
>
> Was noch die Frage ist. Na gut, wenn ich ein Interesse daran habe,
> jemenschen ein Leid anzutun, dann ist das zumindest in den
> allermeisten Fällen nicht anders vorstellbar als als Partialinteresse.
> Aber das ist ja dann ohnehin schon "böse".
>
>>Aber meistens ist das nicht apriori klar.
>
> Genau. Wie die Bedürfnisbefriedigung ist die Durchsetzung von
> Interessen höchst gesellschaftlich vermittelt. Allein das
> Instrumentarium, das mir als Mensch zur Verfügung steht, ist schon
> höchst gesellschaftlich bestimmt.
>
>>Wenn das stimmt, dann ist die Frage nicht, ob ein Interesse "dem
>>hohen Anspruch des Allgemeininteresses" genügt, denn das sieht man
>>dem Interesse ja nicht an, sondern "nur", ob es in einer Bewegungsform
>>ausgelebt werden kann, die strukturell auf Kosten Anderer oder im
>>Nutzen Aller liegt.
>
> Oder auch in meinem Nutzen aber ohne daß es auf Kosten anderer geht.
> Oder würdest du das unter dem Nutzen Aller subsumieren?

Jein. Ja, weil ich mich als gesellschaftlicher Mensch entfalte, was - in
der zum-Nutzen-aller-Struktur - im Interesse der Anderen liegt, auch
wenn sie _unmittelbar_ (=nein) nichts davon haben oder merken. Aber
mittelbar eben schon.

Das ist, finde ich, auch ziemlich leicht nachzuvollziehen, auch heute
schon: Wer "nur für sich" eine schöne Sache macht (was auch immer), dem
geht's besser, ist entspannter etc. - und das ist auch für die Anderen
angenehm(er).

>>Wenn ich das Bedürfnis,
>
> Hah, da sprichst du auch schon vom Bedürfnis :-) .

Ja, ich habe den Unterschied zwischen Bedürfnis und Interesse nicht
klar. Muss ich nochmal drüber nachdenken.

>>Software in die Welt setzen zu wollen, in proprietärer, warenförmiger
>>Weise umsetze, läuft das notwendig auf Kosten Anderer; wenn ich
>>desgleichen in freier, insbesondere wertfreier Weise umsetze, dann
>>liegt das offenkundig im allgemeinen Interesse.
>
> Liegt es, wenn ich z.B. den Code gar nicht veröffentliche? Was ist mit
> kleinen Perl-Skripten auf der Kommandozeile, die ich mir schnell
> zusammenbastele? Die liegen in meinem Interesse / Bedürfnis, gehen auf
> niemenschens Kosten und liegen auch irgendwie nicht im allgemeinen
> Interesse.

In dem oben beschriebenen Sinne schon: Wenn du dich richtig gut fühlst,
weil dir mal wieder im Handumdrehen ein kleines nettes Skript geglückt
ist - was kann den Anderen besseres passieren?

Ah, der fällt mir ein zu beachtender Unterschied auf: Es gibt zwei Arten
oder Seiten von "im allgemeinen Interesse": Das Produkt, das Resultat,
die Wirkung, die Andere erfahren, und die Person, die sich durch die
Entfaltung verändert hat - was auch Andere erfahren. Beides ist wichtig!

Selbstentfaltung (im allgemeinen Interesse) zeitigt zwei Resultate: ich
schaffe was allgemein Nützliches und ich erschaffe mich als jemand, der
sich selbstentfaltet. Beides ist im Interesse aller. Dabei kann die
Bedeutung des Ersten verschieden sein: Der Allgemeinheitsgrad des
Nützlichen kann gegen Null gehen. Das Zweite ist aber immer präsent -
weswegen es btw. total daneben ist vom Altruismus zu sprechen, was
unterstellt, das Zweite sei abwesend.

Der Monaden-Bürger kann sich hingegen nur vorstellen, am Produkt des
anderen interessiert zu sein, während das Interesse an der Person nur
instrumentellen Charakter hat. Der Grund ist der äußere Selbstzweck der
Wertverwertung, der sich interaktiv durchsetzt. Bei der Selbstentfaltung
hingegen habe ich hingegen ein Interesse an der Selbstentfaltung des
Anderen. Dies aber nicht im instrumentellen Sinne, damit ein gutes
Produkt rauskommt, sondern ich habe ein Interesse an der Entfaltung als
_Selbstzweck_. Denn nur die Selbstentfaltung als Selbstzweck ist der
freie Entfaltungsmodus. Es geht also darum, nicht kurzfristig gute
Produkte zu bekommen, sondern langfristig Menschen, die im eigenen
Interesse für ein gutes Leben für alle sorgen.

>>Die Frage ist also nicht: Ist das Interesse vom "Typ" partial
>>oder allgemein, sondern ist die Bewegungsform des Interesses vom "Typ"
>>partial oder allgemein. Sobald der ummittelbare individuelle Rahmen
>>überschritten wird, ich also irgendwie gesellschaftlich handle, kann
>>man IMHO eine der beiden Bewegungsformen feststellen.
>
> Vielleicht ist das "irgendwie gesellschaftlich" handeln der Punkt der
> mich umtreibt...

Ich habe das "irgendwie gesellschaftlich" mal versucht zu denken. Kannst
du damit was anfangen? Wichtig ist mir daran: Es unterstellt keine
irgendwie notwendigen "Seinseigenschaften" des Menschen (was die
Altruismus oder sonstige Gute-Mensch-Annahmen tun), damit Selbstfaltung
geht. Selbstentfaltung braucht "nur" bestimmte Bedingungen, in denen sie
funktioniert, icht aber bestimmte Menschen. Und historisch erstmals
traten solche Bedingungen eben mit der Freien Software auf. Erstmals? Na
ja, wir haben dann auch andere Bereiche entdeckt, aber die waren und
sind nie so beschaffen, dass daraus eine neue Form der
Vergesellschaftung vorstellbar war.

Ciao,
Stefan

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