Message 04078 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT04038 Message: 8/29 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Historisch-spezifische Bedingungen fuer FS



Hi Thomas und Liste,

fand ich sehr spannend deine Ausführungen. Ein paar Fragen habe ich dazu:

Thomas Berker wrote:
> Aus dem Bauch heraus scheint mir klar, dass die
> historisch-spezifische FS-Bewegung, so wie sie sich politisch
> artikuliert (inkl. der Brueche darin) und so wie sie materiell
> in den FS Projekten selbst agiert, ein klassisch
> anti-fordistisches Projekt ist, das
> a) meritokratisch gegen den fuer Fordismus typischen
> korporatistischen Filz argumentiert und
> b) anti-tayloristisch gegen buerokratisch-tayloristische
> Arbeitsorganisation.
>
> Die These waere, dass FS-Projekte aus ihrer historischen Genese
> heraus mit zwei Straengen der anti-fordistischen Opposition in
> gegenwaertiger Gesellschaften auf Gedeih und Verderb verbunden
> sind.

Der Oppositions-Begriff unterstellt Bewegung und Akteure des Anti-Fordismus. Welche meinst du? Doch nicht etwa die Gewerkschaften?

> Zum einen ist das die radikal-demokratische Opposition, die
> Gleichheit gegen jede Form von als ungerecht empfundenen Filz
> stellt. Diese Fraktion hat einen europaeischen Fluegel, dessen
> Hang zum Wohlfahrtsstaat nicht zu uebersehen ist.
> Barbrook/Cameron selbst gehoeren zu diesem Fluegel, am Ende der
> "Kalifornischen Ideologie" rufen sie im Namen Europas nach dem
> Staat. Der US-amerikanische Fluegel kann sich nicht auf
> wohlfahrtsstaatliche Traditionen beziehen und propagiert
> Gleichheit als Freiheit von Staat (libertarian movement).
> Gemeinsamer Nenner ist vielleicht gerade die egalitaere
> Hierarchie meritokratischer Strukturen ("egalitaere Hierarchie"
> ist natuerlich ein Widerspruch in sich, gemaess der
> meritokratischen Idee/Ideologie ist der Ausgangspunkt zur
> Bildung von Hierarchien offen und egalitaer).

Mir ist nicht klar (geworden), was "meritokratische Strukturen" sind - mehr als "transparente Hierarchien"? Was anderes als "Jeder ist seines Glückes Schmied"? Erst habe ich "meritokratisch" als eine Art "Haltung" gelesen, dann sprichst du aber von "Strukturen". Und dann gibt's das auch als "Ideologie"? Hast du dazu Literaturtipps?

Egalitäre Hierarchie ist vielleicht wirklich der passende Begriff für die FS, obwohl das noch nichts über die Dynamik aussagt.

> Zum anderen finden sich mannigfaltige postfordistische
> Fraktionen innerhalb des Kapitals selbst. Sie sind schwer
> festzumachen (Negri spricht von den "tausend Varianten"), da
> sie eher aus tastenden Suchbewegungen als aus einer buendigen
> Strategie heraus sich entfalten. Gemeinsam ist ihnen dennoch,
> Produktivitaetssteigerung um jeden Preis und auf jeder Stufe
> des Arbeitsprozesses zu suchen. Ein paar Varianten setzen auf
> Beschleunigung innerhalb des Produktions-Konsumptions-Zyklus,
> z.B. ueber eine engere Verzahnung beider Sphaeren (z.B economy
> of scope statt scale).

B2B und B2C (business-to-customer) und CRM (customer-relationship-management) fallen mir da ein. Das ist gleichzeitig auch die technokratische Variante.

> Ein paar Varianten suchen Reserven in
> der Entfaltung von Produktivitaetsressourcen bei den Arbeitenden
> selbst, wenn es sein muss ueber das Versprechen der
> Selbstentfaltung (gerne hier auf der Liste diskutiert). FS
> Entwicklung als Produktions-Konsumptions-Modell verspricht
> beides und ist insofern anschlussfaehig.

Und deswegen in der Tat für das Kapital interessant. Aber du nennst es ja selbst vorsichtig "Versprechen". Derzeit scheint es eher einen Rollback zu geben. Von der Re-Taylorisierung ist die Rede. Die Gruppen der Gruppenarbeit werden aufgelöst oder umgewandelt (z.B. statt Wahl durch die Gruppe, Einsetzen von Gruppenleitern von oben - so bei Opel). Wie sieht das in Skandinavien aus, bekommst du da was mit?

> Das Buendnis mit beiden Fraktionen macht einen Teil des
> relativen Erfolgs der FS Bewegung und der einzelnen Projekte
> aus. In Laendern, in denen beide anti-fordistischen
> Oppositions-Fraktionen relativ stark sind, wuerde ich demnach
> groessere politisch-oekonomische Ressourcen fuer FS vermuten,
> mithin eine hohe Beteiligung an der Bewegung. Soweit ich das
> sehe, trifft das fuer die USA, Deutschland und Skandinavien in
> hohem Mass zu.

Warum aber nicht für Italien, Frankreich und Spanien? Sie diese Länder soviel "fordistischer" strukturiert?

Ciao,
Stefan

--
      Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
      Internetredaktion
      Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin
--
      stefan.meretz verdi.de
      maintaining: http://www.verdi.de
      private stuff: http://www.meretz.de
--





________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT04038 Message: 8/29 L3 [In index]
Message 04078 [Homepage] [Navigation]