Algorithmen und Waren (was Re: [ox] WOS2)
- From: Hans-Gert Graebe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Fri, 19 Oct 2001 13:55:54 +0200 (MET DST)
Bernd Binder schrieb
Die Überlegung an dieser Stelle ist immer (ungefähr) folgende:
Der algorithmische Anteil (d.h. Informationsanteil) an den Waren, die das
Bruttosozialprodukt (Mehrprodukt) bilden, steigt von Jahrzehnt zu Jahrzehnt
unaufhöhrlich an - im Verglich zum materiellen Anteil dieser Waren.
So, wie heute mehr und mehr Dienstleistungsarbeit (zumindest in Europa)
das verarbeitende Gewerbe verdrängt, so wird historisch darauf aufbauend
eine weitere Modernisierung "Information" zunehmend wichtiger.
Neben einigen anden Aspekten bedeutet das, dass Freie
Informationsverarbeitung bzw. Weitergabe potentiell einen höheren Anteil
an den Tätikeiten/Gebrauchtswerten erlangen sollte als
Lohnarbeit/Tauschwerte.
War das zu abstrakt? :-)
Das Problem mit dem 'algorithmischen Anteil' ist, dass die Herstellung
(einer Implementierung) eines Algorithmus keine Waren produziert,
sondern eine Waren produzierende Maschine. Genau das ist ja auch die
Grundlage der dotcom-Euphorie gewesen: Einmal richtig anstrengen und
dann Geld scheffeln bis zum Abwinken. Das funktioniert (natürlich)
nicht. Und als Marx (in den Grundrissen) gedanklich mit dieser
META-Warensituation herumspielte, um zu sehen, wie sie LOGISCH in
seine Theorie reinpasst, da stellte er fest, dass es weder als capital
fixe noch als capital circulant so richtig funktioniert. Denn wenn
die Schöpfung des wirklichen Reichtums weniger abhängt von der
Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht
der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt
werden und die selbst wieder [...] in keinem Verhältnis steht zur
unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern
vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem
Fortschritt der Technologie ([Grundrisse, S. 600])
dann
ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst
verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung
seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der
Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als
Gesellschaftskörper -- in einem Wort die Entwicklung des
gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der
Produktion und des Reichtums erscheint. ([Grundrisse, 601])
Das ist der zentrale Grund, weshalb hier auf dieser Liste die Meinung
vorherrscht, dass es mit der "Information" als zentralem Baustein
irgendwie "anders" sein / werden muss und wird. Insbesondere, dass man
die ganze Dynamik nicht mehr (oder moderater: nicht primär) in
Wertkategorien beschreiben und verstehen kann. Obwohl diese heute
natürlich FAKTISCH wirken, was dem Ganzen einen etwas subtilen
Charakter verleiht.
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Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
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