Re: [ox] WOS2 -- Wohlstand
- From: Robert Gehring <zoroaster snafu.de>
- Date: Tue, 16 Oct 2001 20:24:01 +0000
Guten Abend Gregor, Thomas und alle anderen!
Thomas schrieb:
...
ich auch deinen Beitrag mitbekommen, in dem du festgestellt
hast, daß freie Software zu Wohlstand führt. Das halte ich für
einen wichtigen Punkt. Es muß also betont werden, daß ein
etwaiges zukünftiges ökonomisches System, das auf den Prinzipien
freier Software beruhen soll, demzufolge ein System voller
Wohlstand sein muß und keinesfalls eines, das den Teilnehmern
asketische Lebensweise abverlangt.
Ich möchte im Hinblick auf diese Überlegung auf einen sehr interessanten -und
m.E. sehr relevanten- Aufsatz von Robert E. Lane hinweisen: "The joyless
market economy", pp 461-488, in A. Ben-Ner, L. Putterman (eds.): Economics,
Values, and Organization, Cambridge University Press, 1999.
Lane untersuchte eine beeindruckende Vielzahl von Studien zum Thema
"Wohlstand und Wohlbefinden", die z.T. einen Zeitraum von mehreren
Jahrzehnten abdecken. Die Studien wurden z.T. in den USA, z.T. anderswo
erarbeitet. Im Ergebnis kommt Lane -u.a.- zu der Feststellung, daß es
oberhalb der -relativen- Armutsgrenzen keinen nachweisbaren Zusammenhang
zwischen Wohlstand und Wohlbefinden gibt.
<<The <I>economic fallacy</I> is the belief that beyond the poverty level
higher levels of income increase a sense of well-being. Almost all the
evidence from economically advanced countries shows that although more money
to the poor decreases their unhappiness and increases their satisfaction with
their lives, above the poverty line this relationship between level of income
and level of subjective well-being is weak or nonexistent. Thus, the rich are
no more satisfied with their lives than the merely comfortable, who, in turn,
are only slightly, if at all, more satisfied with their lives than the lower
middle classes.>> (p. 471) [Hervorhebung vom Autor]
Die Fixierung auf ökonomischen Wohlstand könnte -läßt man die Befunde von
Lane gelten- nicht das bringen, was man sich davon ev. erhofft.
Sehr wohl aber trägt -nach Lane- eine wirtschaftliche (Zukunfts-)Sicherheit
-ohne nennenswerten Einfluß auf welchem Niveau sie angesiedelt ist ("above
the poverty line")- zum Wohlbefinden bei (pp 476ff)
Als besonders relevante Faktoren mit Einfluß auf das subjektive Wohlbefinden
können außerdem -nach Lane- angesehen werden:
* "intrinsic work satisfaction" (p. 478)
* "leisure satisfaction" (zunehmend über die Jahrzehnte) (pp 478f)
* "friendship" (p. 480)
* "family" (p. 482)
Ein "Wohlstand bei sozialen Beziehungen" könnte also positivere Auswirkungen
haben als ein bloß wirtschaftlicher Wohlstand. [Wer asketisch leben möchte,
kann damit u.E. sehr glücklich sein, wenn er (sie) nicht erzwungenermaßen
hungern oder unter der Brücke schlafen muß.] Wie ein solcher "Wohlstand bei
sozialen Beziehungen" zu gestalten sein könnte, ...
Und was es mit der "intrinsic work satisfaction" bzw. der "leisure
satisfaction" auf sich hat, wird jede(r) wissen, die/der mit Open Source etc.
zu tun hat.
Gruß, Robert
--
Von/From: Dipl.-Inform. Robert Gehring
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