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Entwicklung und Geschichte (war: Re: [ox] notizen zur keimform)



Hallo

auch wenn die Listen-Karawane schon längst weitergezogen ist.

Ja, geht mir auch im Moment so...

zuerst was zu Annette:
Das ist eine analytische Aussage, die noch gar nicht
automatisch alles Gewesene rechtfertigt!!!

Naja, kann ich wirklich Analyse und Wertung so trennen?

Nein,  natürlich ergreife ich auch Partei. Aber eben mit kühlem Verstand
(das Herz sollte heiß bleiben). Ich habe in dem, was ich über Analyse
schrieb, erst mal den Strang überbetont, der zu dem führte, was wir heute
vorfinden. Rückwärts gesehen gibts da einen rückverfolgbaren Weg nach hinten
(blöder Ausdruck, ich sehe eine dementsprechende Darstellung vor mir).
Betont habe ich, daß es auf diesem Weg halt keine Wunder gab, sondern jeder
Schritt aus der Analyse der Bedingungen heraus nachvollziehbar ist. Die
Bedingungen waren halt so, daß es genau so gekommen ist, wies kam... Wie das
kam, erläutert genauer die Dialektik - präzisiert durch die
5-Schritt-Methode Holzkamps. Das schließt gar nicht aus, daß es an jedem
Entscheidungspunkt zeitlich kurz vorher vielleicht auch Potenzen für andere
Wege gegeben hat (darüber sagen traditionelle Dialektikkonzepte wirklich so
gut wie nichts). Es gab ja dann in der Evolution auch oft genug Prozesse, in
denen gleichzeitig mehrere Potenzen ausgeschöpft wurden, wo sich der
Evolutionsbaum sozusagen echt verzweigt hat. Bei den Zweigen, die
abgebrochen wurden/abstarben, deren Bedingungen eben zerstört wurden, kann
ich nur die Potenz für den früheren Zeitraum gedanklich festhalten und
vielleicht auch traurig sein und daraus lernen (um welche Bedingungen hätten
wir kämpfen sollen, was können wir für diese Frage aus der Erfahrung
lernen...). Für die Gegenwart jedoch sind wir es selbst, die Bedingungen
setzen. Natürlich nicht absolut. Wunder (Sachen, für die die Bedingungen
nicht gegeben sind, und derzeit auch nicht geschaffen werden können) kann da
wohl niemand vollbringen. Insofern macht es sich schon gut, wenn sich das
heißherzige Handeln sich von einem kühlen Kopf leiten läßt, der ein wenig
Bescheid weiß, unter welchen Bedingungen was möglich ist (mehr kann z.B.
wissenschaftliche Theorie nicht) und dann eben das zum Gewollten Nötige tut.
Das Gewollte wird sich aber nicht als "einzig-notwendig und möglich" aus der
Theorie herleiten lassen und Gewesenes nicht rechtfertigen. Insofern
plädiere ich für eine analytische Trennung der Ebene: Analyse der
Bedingungen für Möglichkeiten und Wertung/Wollen... (wobei das Wollen der
Menschen selbst zu den Bedingungen gehört...).

Umgekehrt sehe ich keinen sehr bestimmenden Einfluss der
Entwicklung der "Natur-Mittel-Mensch"-Beziehung auf die gesellschaftliche
Entwicklung bis zur "Modernisierung" ab der Renaissance. [Vielleicht weiß
ich aber auch nur zu wenig über Geschichte :-( ]

Die auf der Grundlage des "Sündenfalls" der Etablierung von Herrschafts-
und
damit Eigentumsverhältnissen aufkommende Geldwirtschaft wird als "auri
sacra
fames" (verfluchter Hunger nach Gold) in den "personal - konkreten"
Vergesellschaftungsformen weithin noch als destruktiv beschrieben (von den

Beziehen sich die Ausführungen zur Geldwirtschaft auf den vorher
bezweifelten Einfluß der "Entwicklung der "Natur-Mittel-Mensch"-Beziehungen?
Wir wären dann bei Norbert Trenkle, der ja auch den Einfluß der
Produktivkraftentwicklung ("Natur-Mittel-Mensch"-Beziehungen) nur für den
Kapitalismus anerkennen will.
Ich hatte mich vor 3, 4 Jahren etwas ausführlicher mit Geschichte
beschäftigt und habe mehrere Bestätigungen erhalten, daß es wirklich kaum
trivial vorstellbare direkte Ursache-Wirkungs-Beziehungen gibt - aber die
Art und Weise der Produktion / der Erzeugung des Mehrprodukts viel damit zu
tun hat, daß es überhaupt Geschichte gibt. Unter der Voraussetzung, daß das
Mehrprodukt abgepresst wird und gesteigert werden soll (was ja nicht direkt
den Produktivkräften entspringt, sondern mit dem, was eher
Produktionsverhältnisse bezeichnet wird), kam es z.B. in den
asiatisch-altorientalischen Produktionsweisen dazu, daß der Tribut der
Dorfgemeinschaft nur noch durch Vermehrung und Verdichtung der Siedlungen
und der bewässerten Flächen erhöht werden konnte. Das führte dann aber zur
Notwendigkeit, den Aufwand dafür überproportional zu steigern, was zu so
einer Art Sinken des Grenznutzens führte... und qualitative Veränderungen
einsetzten. Auch die Sklavenarbeit in der Antike konnte nur erweitert werden
durch großen Aufwand (Aquisition von Arbeitskräften, Ländereien,
Aufsichtspersonal...), was irgendwann seinen Grenznutzen erreichte... Diese
Prozesse, wo sich was qualitativ änderte, hatten wohl immer viel mit der Art
und Weise der Produktion auch im Kern der Produktivkräfte zu tun.
Allerdings gab es damals keinen selbstzweckhaften Verlauf der Prozesse - es
konnte auch zu Stagnation kommen (solange nicht politische Konkurrenz die
erhöhte Mehrwertabpressung erzwang, was ja wohl auch fast immer passierte).
Erst im  Kapitalismus ist das gesellschaftliche System von vornherein so
"gebaut", daß schon seine Reproduktion tatsächlich eine Erweiterung
erzwingt.

Aus beiden Grenzen der kap. Entwicklung ergibt sich keineswegs, dass das
danach Kommende besser, freier ist.

Freie Gesellschaft oder Barbarei...

Ich mag nicht mehr von Entwicklung (sozusagen verwickelt Vorhandenes
abspulen, entknoten u.ä.) reden. In der Geschichte gibt es eine
Akkumulation
von Erfahrungen, von Wissen, die Fortschritt ermöglichen. FRAGE, OB DA
EINE
LOGIK DRIN

Ja. Übrigens: "Entwicklung" ist ja seit langem inhaltlich eigentlich nicht
mehr mit Abspulen identifiziert. Akkumulation wäre aber zu quantiativ
anhäufend, qualitative Umbrüche nicht mehr beinhaltend...
Das Problem ist immer, daß wir Begriffe haben, die  mit Wörtern benannt
werden, unter denen jede was andres verstehen kann. Wenn wir drüber
kommunizieren, müssen wir uns dann halt einigen. Der wissenschaftliche
Begriff von Entwicklung umfaßt alle Prozesse der Veränderung von Qualitäten,
einschließlich Regression und Stagnation - mit der Tendenz zur Entwicklung
von qualitativ Neuem, was man unter gewissen Umständen mithilfe geeignet
gewählter Kriterien dann auch oft als "höher" bestimmen kann. Die
Kontinuität, auf die vielleicht noch so was wie "auswickeln" hinweisen
könnte, ist nur dadurch gegeben, daß eben alles, was aufeinander folgt, aus
den jeweils vorher entstandenen Möglichkeiten wirklich folgen können muß
(auch etwas diskontiniuerlich entstehendes qualitativ völlig Neues). Es kann
nicht plötzlich etwas passieren, was anhand der gegebenen Mögichkeiten und
Bedingungen unmöglich ist. (Im Gegenzug: was passiert ist, war halt
irgendwie auch möglich und ist deshalb auch aus seinen Möglichkeiten und
Bedingungen heraus erklärbar - auch welche Zufälle möglich und wirksam
werden können, ist historisch bedingt und bestimmt und nicht willkürlich wie
"Wunder").

Die darin bestehende Logik... ja, dazu hab ich meine zwei ersten Bücher
geschrieben. Die abstrakte Ergebniszusammenfassung ist z.B. in dem
enthalten, was ich oben über den Umgang mit den Bedingungen schrieb. Der
Trick ist immer, auf die Veränderung der Bedingungen zu schauen. In der
realen Welt gibts wohl keinen Bereich, in dem sich nicht irgendwelche
Bedingungen immer ändern. Und Bedingungsveränderungen führen auch zur
Veränderung der darin eingelagerten Prozeßstrukturen, Systeme usw.
Veränderung allgemein muß noch keine Entwicklung sein. Das Problem des
"Neuen" gehört dazu und die Frage, inwieweit das Neue etwas ist, das das
Alte dialektisch aufhebt (bewahrt, negiert und gleichzeitig auf höhere Ebene
hebt). Aber das geht dann nur noch konkret zu behandeln (konkret-allgemein
statt abstrakt-allgemein... ein anderes Thema).

Ahoi Annette


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Organisation: projekt oekonux.de


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