Message 02603 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT02605 Message: 3/8 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] Re: Swpat durch die Hintertuer



Die Rechtswissenschaft hatte noch nie mit Gerechtigkeit zu tun.  Sie
funktioniert in einem Unrechtsstaat ebenso gut wie in einem Rechtsstaat.
Rechtsphilosophie ist allenfalls ein Randgebiet.  Man interpretiert das
Gesetz auch nicht so, wie dies einem konsistenten Verstaendnis des
Wortlauts entspraeche, sondern so, wie es momentanen konsensfaehige
Ergebnisse erzielt.  Und in weiten Bereichen wird dieser Konsens von den

Es kommt auch drauf an, fuer welchen Zweck. Wenn ein Anwalt Mandanten
berat, wollen die nicht hoeren, wie die Gerichte entscheiden sollten
sondern wie sie aller Voraussicht nach entscheiden werden. Alles andere
ist dann Rechtspolitik. Bringt keinen Umsatz in die Kanzlei.

Ein BMJ sollte sich von solchen Ueberlegungen aber nicht leiten lassen.

Auch ein Richter m.E. nicht.
Dennoch ist das heute gang und gaebe, und Gerichte, die sich enger an das
Gesetz halten, gelten als "konservativ" und verstaubt.
Fuer mathematisch-naturwissenschaftlich denkende Leute schwer akzeptabel
ist die Vorstellung, dass Gesetzesregeln dazu da seien, im Lichte eines
momentanen Konsenses hin und her "fortgebildet" zu werden
("Rechtsfortbildung"), bis die Praxis und das Gesetz weit auseinander
klaffen.
Aber genau das halten viele Juristen fuer ganz normal.
Dieses Problem hat sich in der europaeischen Swpat-Debatte in besonders
krasser Weise gestellt, aber auch in US und JP war es nicht anders.
Japanische Patentjuristen etwa argumentierten angesichts
widerspruechlicher Gerichtsurteile regelmaessig, es komme nicht darauf
an, dass die Doktrin "richtig" angewendet werde, sondern darauf, dass
dem Interesse der Industrie und dem Zeitgeist entsprochen werde.
Dann durfte auch immer die Bemerkung "Softwarepatente sind die
weltweite Tendenz unserer Zeit" und sonstige Versuche, an den
Opportunismus (alias "Realismus") zu appellieren, nicht fehlen.

Dass diese Art des Denkens sich offenbar mit der "Rechtwissenschaft"
vertraegt, haengt damit zusammen, dass diese eben weder viel mit
"Gerechtigkeit" noch mit "Wissenschaft" gemein hat.  Ein
Naturwissenschaftler oder Mathematiker koennte auch bei sehr starkem
Zeitgeist-Druck kaum windige Konstrukte akzeptieren, wie sie bei Richtern
(und leider sogar bei Rechtspolitikern im BMJ) als normal oder gar als
unanzweifelbarer Ratschluss hoechster Autoritaeten gelten.
Die Rechtswissenschaft scheint korruptionsanfaellig zu sein.  Im Fall
Swpat wurde sie wohl durch und durch korrumpiert, wie man es woanders
vielleicht weniger beobachten kann.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Pflege statt Pluenderung der Informationsallmende: http://www.ffii.org/
77800 Unterschriften gegen Logikpatente: http://petition.eurolinux.org/



________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT02605 Message: 3/8 L2 [In index]
Message 02603 [Homepage] [Navigation]