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Re: [ox] Re: Kooperation



am 08.05.2001 19:14 Uhr schrieb Stefan Meretz unter stefan.meretz hbv.org:
Man
gewinnt oft den Eindruck da gäbe es nur die böse abstrakte Maschiene
und dann die guten unmittelbaren Kooperationen, die man nur von der
Maschiene befreien müsste und dann ist der Weg frei für ein besseres
Leben. Ich weiss, das Du das wahrscheinlich nicht so siehst (oder?),

Nee, insbesondere deswegen nicht, weil die unmittelbaren
Kooperationen als Grundlage für die gesellschaftliche Reproduktion
nicht ausreicht. Unmittelbare Kooperationen können nicht auffangen,
was die kybernetische Maschine eben leistet: sie läuft auch ohne je
mein unmittelbares Zutun.

Ciao Stefan,
da sind wir an einem Punkt, den wir in der Krisis-Diskussion schon einmal
berührt und leider nicht ausdiskutiert haben. Es interessiert mich sehr, ob
Du schon eine Vorstellung von einem Vergesellschaftungsmodell hast, das
nicht wertförmig ist. Was die negativen Aspekte der Wertförmigkeit, bzw. der
'kybernetischen Maschine' ausmacht, so würde ich sie mal mit dem
religionswissenschaftlichen Terminus 'Opferlogik' bezeichnen. Um diese
Opferlogik mit einem Sprichwort zu illustrieren: "wo gehobelt wird, da
fallen Späne" ist eine beliebte Entschuldigung, wenn wieder einmal
gesellschaftliche Handlungsfähigkeit durch Beschneidung individueller
Selbstentfaltung, das Überrollen von Minderheiten u.ä. hergestellt werden
soll. Die kybernetische Maschine funktionert, einer inhärenten Logik folgend
tadellos. Nur produziert sie dabei jede Menge Ausschuß, d.h. alles was sich
nicht entsprechend der Verwertungslogik integrieren lässt, wird "geopfert"-
es ist mir sehr wichtig festzuhalten, daß die wunderbare Logik psychologisch
und Ideengeschichtlich sich aus den archaischen Vorstellungen vom Opfer
herleitet. Alle Vermittlungsmodelle, die die Menschheit bisher
hervorgebracht hat, ob wertförmig oder nicht, und die nicht auf
"unmittelbarer Kooperation" beruhen (wobei auch noch zu fragen wäre, was
dabei jeweils 'unmittelbar' ist) bedienen sich irgendwelcher Abstraktionen,
die allesamt auf einer Opferlogik beruhen.
Ein System der Vermittlung -und darum geht es schließlich (was ist der
Gegensatz zu "unmittelbar"? -"mittelbar" doch wohl)- ist mir ohne
Abstraktion nicht vorstellbar. Die Herausforderung wäre eine
gesellschaftliche Reproduktion denken zu können, die diesen Vorgang
tatsächlich im wörlichen Sinne abbildet, d.h. die Reproduktion total
leistet, womit wir by the way tatsächlich am Ende der Geschichte angekommen
wären.
Ist es Dir überhaupt denkbar, daß eine abstrakte Vermittlung existiert,
die "gerechter"(jetzt nicht im Sinne von Äquivalenz, sondern in dem Sinne,
daß es für jeden tatsächlich funktioniert) ist als die wertförmige?
Ich bezweifle sehr, daß irgendeine bessere Maschine, irgendein automatisches
Subjekt diese Aufgabe übernehmen könnte, besser gesagt, ich halte es für
ausgeschlossen. Karl Marx hat ja schon überzeugend nachgewiesen, daß der
Kapitalismus das gerechteste aller Systeme ist -gerecht nämlich jetzt im
Sinne von Äquivalenz, anders läßt läßt sich Gerechtigkeit logisch nicht
ausdrücken- bloß bringt uns das wenig.
Und damit wären wir wieder bei Christoph Spehr: sosehr sein Konzept auch
theoretisch angreifbar ist, wenn wir es nicht hinkriegen, daß Kooperation
auf Kommunikation, d.h. auf jederzeit frei verhandelbaren Absprachen
besteht, werden emanzipative Projekte immer wieder auf den Exorzimus des
Teufels durch den Beelzebub hinauslaufen.

Tut mir leid, daß ich so weit ausgeholt habe, aber das konnte ich nicht mit
weniger Implikationen hinkriegen. :-)

Gruß,
Johannes

JohSt




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