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Re: [ox] Presseecho der Konferenz



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On Wed, May 02, 2001 at 01:35:30PM [PHONE NUMBER REMOVED], Dirk Herrmann wrote:
Am 02.05.01, 10:18:05, schrieb Bernd Binder <berndbinder gmx.de> zum Thema 
Re: [ox] Presseecho der Konferenz:
http://www.ix.de/newsticker/data/em-30.04.01-005/

Schaut euch die Kommentare dazu lieber nicht an. Das Niveau ist
extrem niedrig. Sorry fuer die Arroganz.
[...]
Auch mir hat es gefallen und ich habe hier und da auch etwas
mitgenommen, auch wenn es viel weniger war als ursprünglich
erhofft/erwartet. 

Das geht mir auch so. Bei einem solch gedrängten Programm ist es aber
auch schwierig, auch nur teilweise einen Überblick zu gewinnen,
geschweige denn, sich zu allen Beiträgen und Teilnehmern eine fundierte
Meinung bilden zu können.

Was mir gefehlt hat, ist das Zusammenbringen der Leute aus den
unterschiedlichen Ansätzen. Zumindest in den Vorträgen selbst herrschte
meistens doch der frontale Vortrags-Stil, der eine Diskussion auch aus
Zeitgründen auf Nachfragen sehr unterschiedlichen Inhalts und Niveaus
beschränkte. Die Referenten stellten ihre Sicht der Dinge dar oder
warben für ihre jeweiligen Spezial-Interessen, ein oder zwei Zuhörer,
die sich mit dem Thema evtl. schon vorher auseinander gesetzt hatte,
stellen mehr oder weniger kritische Nachfragen und schon drängte der
nächste Vortrag. Auch bei der Oekonux-Konferenz fanden die wirklich
interessanten Gespräche wohl wieder eher auf den Fluren als in
Vortrags-Räumen statt.

Nun aber zu Dirks Beitrag (inklusive Begriffs-Kritik):

Besonders das Wort ?Trittbrettfahrer? hat es mir dabei angetan; ist
es doch schliesslich auch mein Eindruck, dass insbesondere auf dieser
Konferenz wieder mal Angehörige des ultralinken Spektrums versuchen,
all das von der Community Erreichte in einen politischen Deckmantel zu
verpacken

Tja, und genau das war und ist natürlich nicht der Anspruch von Oekonux.
Die Tatsache, dass unter anderem linke Menschen versuchen, auch den
Bereich der Freien Software unter politischen Gesichtspunkten zu
betrachten, halte ich für einen notwendigen und sinnvollen Schritt. Du
kannst doch z.B. den beiden Stefans und den anderen Teilnehmern an Liste
und Kongress nicht ernsthaft vorwerfen wollen, sie wollten das von der
Community erreichte in irgendeiner Form vereinnahmen oder gegen den
Willen dieser Community auf die ihnen genehmen Punkte reduzieren.
Zunächst wäre, wollte man Deine obige Kritik ernst nehmen, zunächst
einmal zu klären, _was_ genau eigentlich die Community erreicht hat. Ist
es, von Microsoft als Konkurrent ernst genommen, von IBM und Konsorten
als neues Marktsegment entdeckt und ausgebeutet zu werden? Ist es genug,
sich in der Art der FSF mit dem Erreichten ("Information will frei
sein") zufrieden zu geben und jeden Gedanken and die polotischen
Implikationen des Erreichten als ideologisch zu verbannen? Oder sollten
nicht gerade die Community und auch Außenstehende, die vielleicht einen,
Verzeihung, intellektuell umfassenderen Überblick über Politik,
Gesellschaft und Wirtschaft haben, sich dieses Themas annehmen? Wenn
sich die Community mit dem Pseudo-Argument: "Wenn wir nicht politisch
denken wollen, dürfen es die Linken auch nicht" gegen die
Weiterentwicklung ihrer Ideen und Leistungen sperren wollen, müssen sie
nicht damit rechnen, ernst genommen zu werden.

und hundert Jahre alte Ideologien versuchen rekursiv auf die heutigen
Entwicklungen zu projezieren,

Hm, wie geht denn in diesem Zusammenhang rekursive Projektion? Wenn Du
diesen begriff hier ernsthaft verwendetest, gäbst Du zu, dass die
"hunder Jahre alte[n] Ideologien" und die heutigen Entwicklungen vom
selben Typ sind. Sonst hätte der Begriff der Rekursion hier keinen Sinn.
Aber ich vermute, Du meinst so etwas wie "rückgreifend".

was für mich als Ökonom (wenn ich das mal so sagen darf), aber auch
als Mensch völlig unsinnig ist

Warum ist das, was Du hier kritisieren möchtest, völlig unsinnig? Warum
soll die intelektuelle Leistung von z.B. Marx einfach ignoriert werden?
Warum soll nicht zumindest versucht werden, eigene Gedanken zu
formulieren und sich gerade nicht mit den als unausweichlich behaupteten
Sachzwängen und Naturgegebenheiten zufrieden zu geben?

Und warum ist dies für Dich "als Mensch" völlig unsinnig? Möchtest Du
behaupten, Du kenntest das Wesen des Menschen, könntest also sagen, was
er aus welchem Motivationen heraus unternimmt oder unterlässt? Wäre die
so, Du könntest Dich als einen weisen Menschen fühlen.

Aber auch hier vermute ich, dass Du eher auf unhinterfragte Weisheiten
zurückgreifst als Dir eigene Gedanken gemacht zu haben.

und demzufolge auch zu Recht von der Fachpresse (dazu zähle ich u.a.
das Heise-Archiv) zerrissen wird.

Nur weil der gesellschaftliche Mainstream inklusive Heise einer Meinung
ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass deren Inhalt auch der
Wahrheit, was immer das sein mag, entspricht.

Ein solcher Ansatz bzw. eine solche Richtung führt genau dazu, dass
Leute sich übertrieben formuliert angewidert abwenden, und damit meine
ich nicht nur meine Wenigkeit, sondern auch essentielle Bestandteile
des kapitalistischen Systems,

Na, wenn das so ist, scheint Oekonux ja schon in mindestens einem Punkt
erfolgreich gewesen zu sein. Ich befürchte aber, dass es nicht so ist.
Die "essentiellen" Bestandteilen nehmen Oekonux wahrscheinlich kaum
wahr, genauso wie auch alle anderen eigenständigen Denkansätze, die
nicht umgehend vereinnahmt und verwertet werden können. Daher ...

die aber auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Entwicklung
und für das Fortbestehen von Open Source Software geleistet haben.
Damit meine ich Firmen wie Innominate, ID-PRO, Siemens, IBM und nahezu
allen hier vorherrschenden Distributoren.

... halte ich Versuche, auf die von Dir oben genannten Firmen in
irgendeiner Form positiv einzugehen für eine schlechte Idee. Es geht bei
Oekonux nicht darum, irgendeine technische Entwicklung zu beförden und
irgendwelche innerkapitalistischen Notwendigkeiten zu exekutieren. Diese
Firmen machen natürlich genau das. Aber Du redest ja selbst wohlweislich
nicht von Freier Software sondern von Open Source. Open Source aber ist
die Reintegrierung des Gedankens Freier Software in die Sphäre des
Marktes und der Verwertung. Alles, was Unterstützer der Idee des Open
Source, seine sie Einzelpersonen oder Firmen, unternhemen, hat nicht den
Zweck, zur Emanzipation des Menschen, zur Förderung seiner
Selbstenfaltung beizutragen, sondern dient allein dem Zweck der
Verwertung von Wert. Dass dabei Software für GNU/Linux entwickelt und
vielleicht sogarg unter der GNU GPL veröffentlicht wird, dass der eine
oder andere Programmierer für diese Arbeit bezahlt wird, ist für diese
Firmen zweitranging. Sobald der Profit, den sie in diesem Marktbereich
erzielen, nicht mehr ausreicht, werden sie auf einen anderen
ausweichen und ihre Open-Source-Programmieren entweder dazu zwingen,
proprietären Code zu erzeugen oder sie feuern. Sich also beim Versuch,
das revolutionäre Potential von Freier Software und GNU/Linux zu
verstehen und zu entwickeln, auf solche Firmen oder überhaupt Akteure
in der kapitalistischen Gesellschaft zu beziehen und zu stüzten, kann
nicht erfolgreich sein.

Meine Arbeit beschäftigt sich nicht ohne Grund mit Möglichkeiten, mit
einer an sich kostenlosen Sache

Du weißt, dass alle Vertreter der FSF jetzt aufheulen und Dir entgegen
schleudern werden "We do not speak of free bear!"? Die Sache, nämlich
GNU/Linux, ist (leider) nicht kostenlos, sehr wohl aber wertlos.
Allerdings darf es nach der kapitalistischen Verwertungslogik zwar sehr
wohl kostenlose, aber nicht wertlose Dinge geben. Mit kostenlosen Dingen
kann der Kapitalismus sehr gut leben, zur Not baut man sich halt a la Open
Source Geschäftsbereiche auf, in denen trotz Freier Software Geld
verdient werden kann. Die Wertlosigkeit Freier Software ist dagegen
nicht so einfach aufzulösen.

Geld zu erwirtschaften, was sicherlich für den Grossteil der
Teilnehmer ja von Natur aus schon wieder ?böse? ist, weil der
Kapitalismus als solcher ja schon ?böse? ist

Wie von andere Seite bereits gesagt, ist der Kapitalismus nicht böse
sondern blind. Wer allerdings wieder besserer Einsicht am Kapitalismus
als erstrebenswerter Gesellschaftsform festhält, der muss sich schon
fragen lassen, ober er lieber als böse oder dumm bezeichnet werden
möchte.

und demzufolge ja auch die o.g. Unternehmen nichts weiter tun als die
Arbeiterklasse auszubeuten...

Obwohl ich nicht so viel von traditionsmarxistischen Ideen halte, fällt
es mir schwer, Deiner Argumentation hier zu folgen. Ist nun der
Kapitalismus böse oder sind es die Arbeitgeber? Die Arbeitgeber, die der
kapitalistischen Verwertungslogik folgen, müssen sich ebenfalls die
zuvor gestellte Frage gefallen lassen.

Vielleicht hätte man hier mal einen oder mehrere Vertreter dieser
Firmen einladen sollen; ich selbst hatte mit Innominate und Siemens
Gespräche, die wohl einige Missverständnisse hier hätten beseitigen
können.

Welche z.B.?

Nur als Anregung (ich hatte es schon mit einigen auf dem Gang
diskutiert) könnte man sich ja mal Gedanken darüber machen, was zum
Beispiel die Entwicklung eines 4GB-Patches für Konsequenzen für Linux
hat(-te) oder aber die Frage, worauf denn der Wohlstand der
Bundesrepublik Deutschland basiert.

Das ist mir recht eigentlich egal.

Aussagen und Vorschläge
[...]
gehören sicherlich zu einer politischen Diskussion, können leider
aufgrund mangelnder echter Überlegungen und kreativer Vorschläge, die
über Illusionen und Philosophie hinausgehen,

Jaja, die Philosophen. Kosten nur Geld, bringen aber nichts ein und
stören uns mit ihren kritischen Gedanken auch noch in unserer Ruhe ;-)

von einigen (vielen ?) Menschen nur belächelt werden. 

Was noch nichts über den Gehalt dieser Überlegungn aussagt.

Das Bravehack-Dokument (www.bravehack.de) ist der Basisbaustein für
meine Überlegungen gewesen und konnte diesem nur in wenigen Punkten
widersprechen. Vielleicht sollten gerade die politisch angehauchten
Mitglieder

Soll ich Deinen Worten entnehemen, dass Du Dich als unpolitischen
Menschen siehts? Wozu dann diskutieren?

dies einmal etwas genauer studieren, da es wohl ein ganzes Stück mehr
harte Realität beinhaltet als das Projezieren marxistischer Theorie
auf die heutige Zeit.

Die von Dir imaginierte Projektion hat sicher nicht den Anspruch,
"harte Realitäteten" zu liefen, sondern Gedanken zu formulieren, die
sich nicht sofort den bekannten Sachzwängen und Unausweichlichkeiten
beugen.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Herrmann

Ebenso
Lutz
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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