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Re: [ox] Freie Hardware und Abgang des Kapitalismus



Hallo, Petra!

On Mit, 20 Dez 2000, RAUNHAAR aol.com wrote:
Hallo Thomas,

Beispiel: Jemand programmiert gegen Bezahlung Freie Software und
greift dabei auf eine GPLisierte Bibliothek zurück. Ein Kunde
verlangt nun die Verwendung eines bereits bestehenden proprietären
Algorithmus. [...] In solch einem Fall wäre 
es sicher leicht möglich, von den ursprünglichen Programmierern 
gegen Bezahlung eine Sonderlizenz zu erhalten.

Das ist aber ein anderer Fall.

Der Fall zeigt, daß es im Falle einer Verletzung der GPL nicht um den 
Streitwert null geht, sondern um Beträge mindestens von der 
Grössenordnung derer proprietärer Software. Man könnte sogar 
argumentieren, daß diese Beträge um Grössenordnungen höher sein 
müßten, da die Freie Lizensierung eine Werbeaktion sei, man aber 
aufgrund der kleineren Klientel höhere Einnahmen pro Kunde nehmen 
müsse.

Soweit aber auch dann noch Freie Software (also nicht die "Lesser" 
GPL) in der "bunten Mischung" enthalten ist, gibt es trotzdem 
Probleme satt.

Software unter der LGPL ist auch Frei, hat nur eben ein schwächeres 
Copyleft. In meinem Beispiel ging es darum, daß GPL-Lizenzgeber 
freiwillig das Copyleft ein wenig lockern. Eine "bunte Mischung" 
sollte dabei natürlich nicht entstehen. Die proprietären Teile 
sollten möglicht so locker rangepappt sein, daß man sie mit einem 
Handgriff wegschnippen kann (wie bei der LGPL). 

Zu "proprietär":
Richtig. (Aber hast du eine bessere Idee, wie man das sprachlich
unterscheiden sollte? "Unfrei"???)

Mein Einwand bezog sich auf die verkürzte Darstellung/Sichtweise
des Eigentumsbegriffs.

Das führe ich auf sprachliche Unschärfe zurück. Freie Software steht 
natürlich nicht ausserhalb des geistigen Eigentums. Teilen wir mal 
Software in drei Gruppen ein:

    A Public Domain (keiner hat Rechte dran)
    B Freie Lizenz (optional Copyleft)
    C Restriktive Lizenz

A steht ausserhalb des geistigen Eigentums, B und C nicht. Diese sind 
also im juristischen Sinne proprietär. Im Sprachgebrauch der FSF wird 
allerdings nur C als proprietär bezeichnet, als Abgrenzung zur Freien 
Software, also A und B. B ist der Versuch, Software zu schaffen, die 
wie A die vier Freiheiten ermöglicht, jedoch eine Reprivatisierung 
ausschließt, da die Software die ganze Zeit über Privateigentum 
bleibt.  

Das Urheberrecht ist eben nur ein
Recht in der Sphäre des Privatrechts und kann daher mit Hilfe
"übergeordneten Rechts" jederzeit - wenn nötig - außer Kurs gesetzt
werden.

Ist das schlimm?

Es ist nicht schwer juristisch zu begründen, daß
kommerzielle Lizenzen letztendlich das Gemeinwohl (hier: "die
Wirtschaft") fördern und damit immanente Grundrechtsgrenzen
beachten, Freie Software aber eben nicht. 

Umgekehrt kann man als Vorteil für die Wirtschaft sehen, daß die 
Konkurrenz unter den Distributoren sich erhöht. Vergleich da mal 
Debian und Windows.

Ich denke, man muß genau abwägen, wieviel Unterstützung und wieviel 
Ablehnung es gibt. Die Softwareindustrie ist natürlich voll angepißt 
und könnte eine Lobby bilden. Dem gegenüber steht aber die 
Hardwareindustrie und der Buchhandel, die auf Linux voll abfahren. 

Und genau hier an der Schnittstelle wird jetzt schon systemkonform
herumoperiert. Da wird die auf "Dauer angelegte entgeltliche (also
blechen!) Überlassung Freier Software" in eine "gemischte
Schenkung" (enthält Elemente des Kaufs und der Schenkung)
umgedeutet,

Das versteh ich nicht. An urheberrechtlich geschützten Werken kann 
man Nutzungsrechte einräumen, aber man kann sie doch nicht verkaufen 
oder verschenken. Ist vielleicht hier der Datenträger gemeint?

Vielmehr geht es um den
Komplett-Haftungsauschluß in der GPL. Die Lizenz (das auf dem
Datenträger befindliche erworbene Recht) gilt in Deutschland
vermittels des "Inländerprinzips", d.h. sie wird gewährt in Art und
Umfang wie sie auch einem Inländer zu gewähren wäre. Ausschluß der
Haftung geht aber nicht nach deutschem Recht.

Ich denke, daß versucht wird, den Haftungsausschluß durch konsequente 
Bescheidenheit zu realisieren. Dadurch, daß nirgens behauptet wird, 
daß die Software irgendwelche Fähigkeiten mitbringt, kann dies auch 
keiner erwarten. Dadurch, daß sogar noch einmal extra klargestellt 
wird, daß keine Eignung für irgendeinen Zweck vorgesehen ist, kann 
dies auch keiner als naheliegende Vermutung ausgeben.

Dies wäre so als würde ein Baumarkt Sägeblätter für eine Kreissäge 
folgendermassen auszeichnen:

    Metallplatte mit Zacken

    Achtung! Es ist keine Eignung für irgendeinen 
    Verwendungszweck vorgesehen. Benutzung auf eigene Gefahr!

Käufer eines derartigen Gegenstandes könnten sich nicht beschweren, 
wenn das Sägeblatt stumpf ist oder das Loch nicht zur Säge paßt. Sie 
haben eben nur eine Metallplatte gekauft. Etwas anderes wäre 
natürlich, wenn sich herausstellen sollte, daß die Platte gar nicht 
aus Metall ist, oder daß sie keine Zacken hat.

Ebenso könnte da stehen:

    Sägeblätter 
    mit schweren Mängeln!
    Benutzung auf eigene Gefahr!

Die könnte auch keiner umtauschen. 

Die Frage ist nur, was passiert, wenn sich jemand damit ins Bein sägt.

Tschüß,
Thomas
 }:o{#

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