Re: [ox] Die Anwendbarkeit der Wertkritik in der Informationsgesellschaft
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Mon, 4 Dec 2000 03:57:29 EST
Hallo Christian,
Du sagst aber quasi, dass es sogar auf den Grossteil der Dienstleistungen
anwendbar ist. Das denke ich ganz und gar nicht. Wenn, dann muss es dafuer
veraendert werden.
Das sage ich in der Tat, und die Veränderung des Schemas G-W..P..W’-G’ ist
ganz einfach: entweder man stellt definitorisch klar, dass eine
Dienstleistung auch eine Ware ist, das reicht dann schon (Marx selbst ist
durchaus auch nicht so eng mit dem Warenbegriff, schließlich ist die
Arbeitskraft, die im ersten W enthalten ist, auch eine ganz besondere
eigentümliche Ware, auf die einige Bestimmungen nur modifiziert zutreffen,
sie wird ja auch nur "geleast" sozusagen, nicht im vollen Sinne gekauft).
Oder man ersetzt W' durch D', definiert als Dienstleistung mit einem höheren
Wert als der von W.
Ausserdem sind nicht alle Dienstleistungen produktiv.
Herstellung von Individualsoftware z.B. nicht, und da scheiden sich halt
die
Geister. Das moechte ich jetzt auch so stehen lassen.
Geht wohl nichtanders.
Ein grundsaetzliches Problem, das ich da sehe, ist, dass Du davon
ausgehst,
dass es genuegend wertschaffende Arbeit gibt und dass der Kapitalismus
relativ stabil ist. Ist er aber nicht, denn der Widerspruch von lebendiger
und toter Arbeit, die Ersetzung der ersten durch die zweite, muss dazu
fuehren, dass die Basis der Wertproduktion abschmilzt, was sich krisenhaft
aeussern muss. .... Verabschiedung der Krisentheorie ...
Ich verabschiede die Krisentheorie keineswegs, sondern gehe davon aus, dass
der Kapitalismus krisenhaft funktioniert. Wir haben lediglich
unterschiedliches Verständnis der Krisentheorie, ihrer Begründungen im
einzelnen, und ihrer Konsequenzen: m.E. gehören die Krisen zum Funktionieren
des Kapitalismus, nicht zu seinem Nicht-mehr-funktionieren.
Will sie (die Widersprüche, RK)
jemand kurzfristig stabilisieren (z.B. neokeynesianisch), so ist das
eigentlich ein ziemlicher Zynismus, der mit Menschenleben spielt.
1. geht es mir nicht (nur) darum, sondern um Überwindungsperspektive, die
daran m.E. eher anknüpfen kann als an einem Kladderadatsch, 2. kann man den
Vorwurf umdrehen: zynisch ist es wohl eher, sich im Hoffen auf das Ende des
Kapitalismus (übrigens auch ohne Klarheit, wie es dann weitergehen soll in
einer Weise, die zu besseren Resultaten führt) um das "kurzfristige"
Stabilisieren der Lebensbedingungen der Menschen nicht zu kümmern. Um mal
Keynes zu zitieren (obwohl Keynesianismus für einige anscheinend das
Schlimmste überhaupt zu sein scheint, ich sah und seh da in der Tat größere
Anknüpfungs- und Bündnismöglichkeiten für SozialistInnen bzw. Linke als bei
Monetarismus und Angebotspolitik, übrigens durchaus nicht nur für einen Teil
der Weltbevölkerung, auch für den Trikont war monetaristische IWF-Politik
etc. wohl deutlich schlimmer): "In the long run we are all dead."
Beste Grüße
Ralf Krämer
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