Re: [ox] Re: Herangereifte Widersprueche in der buergerlichen Gesellschaft (w...
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Tue, 14 Nov 2000 08:19:10 EST
Hallo Thomas und allerseits
In einer eMail vom 14.11.00 00:58:27 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
sloyment gmx.net:
Es ist m.E. falsch [...], wenn [...] grundsätzlich der Anspruch von
> UrheberInnen auf angemessene Vergütung negiert wird.
Das hat auch niemand von uns vor. Die Welt des geistigen Eigentums soll
nicht
enteignet, sondern zurückgelassen werden und dann verkümmern. Dazu gibt es
die Freien Informationsgüter, egal ob mit oder ohne Copyleft.
Problematisch wird es erst, wenn Fremdeinflüsse uns die Grundlage
entziehen,
diese neue Welt des Freien Wissens weiter aufzubauen. Noch problematischer
wird es, wenn die reaktionären Forderungen von der Seite der
Gewerkschaften
kommen. In den 80ern hieß es etwa, Industrieroboter und Computer seien
schlecht, da sie ja Arbeitsplätze abbauen. Mit zusätzlichen fünf DEM
GEMA-Abgabe auf CD-Rohlinge wird es ein teurer Spaß werden, sich mal eben
die
neuste Distribution (i.d.R. 9 CDs) vom Nachbarn auszuleien und zu brennen.
Damit hätte sich Freie Software erledigt.
Dies ist m.E. sehr wohl ein Negieren der Vergütungsansprüche von
UrheberInnen, die erst dann akzeptabel ist, wenn nicht nur geistiges, sondern
alles Eigentum "verkümmert" ist. Das werden wir nach meiner Einschätzung alle
nicht mehr erleben. bis dahin jedenfalls besteht dieser Anspruch m.E. zu
Recht.
Man sollte wissen, daß die Verwertungsgesellschaften ihre Einnahmen nicht
gleichermassen an alle schöpferisch tätigen Menschen verteilen, sondern
lediglich an zahlende Mitglieder. Somit haben jene keinerlei Anspruch auf
Gemeinnützigkeit. Mitglieder solcher Strukturen sind wohl auch kaum
diejenigen, die sich von der Welt des geistigen Eigentums bereits
verabschiedet haben, etwa indem sie nur noch Freie Computerprogramme
laufen
lassen.
Die Mitglieder, genauer: Wahrnehmungsberechtigten, der GEMA oder VG Wort
zahlen nicht, sondern empfangen Zahlungen. Jede Wette, dass darunter auch
welche sind, die auf ihrem Computer Freie Programme laufen haben. Je mehr
elektronische, also nicht an den Verkauf einzelner Druckwerke oder Tonträger
gebundene Vervielfältigung zunimmt, schmälert das die aus deren Verkauf
resultierenden Erlöse und stellt sich auch hier die Frage des Entgelts. Da
erwarte ich dann konstruktive Vorschläge zu Alternativen, wenn Abgaben auf
Hardware, Casetten, CDs-Rohlinge etc. nicht gewünscht sind.
Es bezollt also die proprietäre die Freie Welt. Dies ist bereits der Fall
bei
öffentlichen Musikaufführungen (GEMA) oder Fotokopieen (VG Wort). Solange
es
noch einen Ausgang gibt, wie bei den Musikaufführungen, ist das OK. Dort
ist
es möglich, durch Formulare voranzumelden, daß man keine Rechte von
GEMA-Mitgliedern verletzt. Dadurch wird die Aufführung gebührenfrei. Ich
habe
aber noch nichts davon gehört, daß ein die Gebühren auf Kopierer
wegfielen,
wenn man nachweislich nur Schriften von Nicht-{{VG-Wort}-Mitgliedern},
z.B.
über 70 Jahre alte Bücher damit vervielfältigen wolle. Noch mehr
Pauschalen
wären fatal.
Mach andere Vorschläge. Soll jedes mal einzeln erfasst und gemeldet werden,
wer welches Werk kopiert hat? Das ist wohl wirklich eine Horrorvorstellung,
aus Datenschutzgrüden und wegen unverhältnismäßigem Aufwand.
Ich will aber gar keine Nutzerin proprietärer Informationsprodukte sein.
Wenn
die Kolumnisten von mir kein Geld kriegen, dann, weil ich ihre Zeitung
nicht
kaufe und nicht, weil ich sie mir heimlich selbst ausdrucke.
Also, wenn ich lasterweise Reprodrucke von abgelaufenen Büchern drucken
wollte, warum sollte ich dann freudestrahlend monatsgehaltweise
aufsummierte
Pfennigbeträge an Kopiergeräteabgabe abdrücken, ohne daß mir das wehtun
soll???
Kann ja sein, dass du nur uralte Schinken liest und hörst oder solche, die
ausdrücklich frei sind, kein TV guckst und Radio hörst etc., also fast
überhaupt keine aktuellen Medien nutzst, aber dann bist du eine extreme
Ausnahme, über die man nicht diskutieren muss. By the way bezweifle ich das
aber auch.
> GEMA und VG Wort sind m.E. erst mal sinnvolle Einrichtungen, um
> Entgeltansprüche von UrheberInnen durchzusetzen.
Falsch. Sie vertreten lediglich die Ansprüche ihrer Mitglieder. (Das ist
übrigens auch gut so -- ich will gar nicht, daß die mich vertreten.)
Du scheinst da falsche Vorstellungen zu haben. Ich bekenne: ich bin Mitglied
der VG Wort. Das sind außer mir schlappe über 180.000 AutorInnen und über
5000 Verlage. Die durchschnittliche Ausschüttung pro aktivem Autor betrug für
1999 gewaltige 583,- DM für das ganze Jahr. Dafür muss man je nach Sparte
erhebliche Mengen Text veröffentlicht haben. Würde man daraus einen
Stundenlohn berechnen, läge der weit unter 1,-DM. Die Verlage bekommen mehr,
aber anteilig zu ihren sonstigen Umsätzen ist das auch bei denen eher
geringfügig.
> Was die Einnahmequellen angeht, wäre es m.E. nötig, hier über konkrete
> Alternativen zu diskutieren, wenn man z.B. Abgaben auf Hardware ablehnt
Sinniger wäre aber, überhaupt keine Pauschalabgaben zu betreiben, sondern
bei
jedem Fall die Information an die VGs mitzuübermitteln, was kopiert wurde
(z.B. Autor u. Titel oder ISBN). Werke ohne Verwertungskennung sind
überhaupt
nicht zu besteuern. Die Kennung könnte z.B. auf jeder Buchseite als
Barcode
eingedruckt sein und vom Kopierer automatisch ausgelesen werden...
Außerdem müsste die Person registriert werden, damit von ihrem Konto
abgebucht werden kann. Na ja, ob das die besserer Lösung ist ....
> Oder sollen nur noch Reiche schreiben
> können oder Leute, denen Sozialhilfe reicht, oder die "was Richtiges
> arbeiten" und das dann in ihrer Freizeit tun? Finde ich weder realistisch
> noch wünschenswert.
Das ist heute Realität. Wer im Akkord dichtet, etwa Groschenromanschreiber
oder Zeitungsfritzen, produziert nur Schrott. Das kann man nicht wirklich
mitzählen. Und wer nur selten etwas geniales schreibt, macht das ja wohl
kaum
beruflich. Wünschenswert ist die finanzielle Situation letztgenannten
Falles
natürlich nicht, eine staatliche Berentung aller Bürger vom ersten Tag des
Lebens an könnte aber hierbei helfen. Damit sollten sich die
Gewerkschaften mal
beschäftigen!
Erst mal hast du oder sonstwer (zum Glück) nicht zu entscheiden, ob irgendwas
Schrott ist und bezahlt gehört oder nicht, sondern wenn es genutzt wird,
finden es zumindest die NutzerInnen anscheinend nicht Schrott. Zur
staatlichen Berentung wieder die profanen Fragen: welche Höhe, welche Kosten,
wer bezahlt es? Ich hab den Eindruck, dass da sogar sicher suboptimale
Pauschalagaben die gerechtere und billigere und angemessere Lösung sind.
Freundliche Grüße
Ralf Krämer
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