Re: Re [ox] "GPL-Gesellschaft" oder was?
- From: "Thomas Kalka" <thomas co-buero.de>
- Date: Sun, 1 Oct 2000 10:52:10 +0200
Bernd schrieb:
An dem Begriff GPL-Gesellschaft hat sich eine
spannende Diskussion entzuendet. Kern dieser
Diskussion ist wahrscheinlich die Frage, was denn
nun eigentlich im Kern die neuen Produktivkraefte
ausmacht. Die Frage ist wichtig weil man nur
darauf aufbauend eine Einschaetzung machen kann,
ob - und wenn ja in welchem Zeitraum - sich die
Prinzipien der freien Softwareherstellung auf die
gesamte oder den uebergrossen Teil unserer
Produktion uebertragen lassen.
Dies scheint zu implizieren, daß eine Gesellschaft
nur oder hauptsächlich durch die Ökonomie
beschrieben wird. Was ist bzw. was bezeichnet
Gesellschaft eigentlich? Dazu zitiere ich mangels
Verfügbarkeit besserer Quellen das Meyersche
Taschenlexikon:
Gesellschaft [zu althochdt. giselliscaft,
"Vereinigung mehrerer Gefährten, freundschaftl.
Beisammensein"], vieldeutig gebrauchter Begriff,
der im weitesten Sinne die Verbundenheit von
Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Menschen) mit
anderen ihrer Art und ihr Eingeschlossensein in
den gleichen Lebenszusammenhang bezeichnet;
allein auf den Menschen bezogen meint G. die
Menschheit schlechthin oder bestimmte begrenzte
Teile davon (z. B. die Menschen einer Nation)
und weist auf deren Gliederung, [Rang]ordnung
und bes. strukturiertes Beziehungssystem hin.
Spricht man von Gesellschaft, so ist also
hautpsächlich das Beziehungsgeflecht zwischen den
Einzelnen gemeint. Will man dieses weiterhin
untersuchen, so ist die ökonomische Dimension nur
eine unter vielen (weiter aus obiger Quelle):
Jede menschl. G. wird durch ihr
Wirtschaftssystem und ihre polit.-staatl.
Ordnungsverhältnisse geprägt. [...] Jedes
etablierte G.system besitzt ein relativ
dauerhaftes inneres Gefüge (Gesellschafts-
struktur bzw. Sozialstruktur), das sich aus der
Gesamtheit der gesellschaftl. Elemente
(Individuen, Gruppen, Institutionen)
zusammensetzt und durch deren sinnvolle
Zuordnung und die damit verbundenen Normen,
Handlungsmuster und Wertvorstellungen
gekennzeichnet ist. Von der Soziologie werden
grundsätzl. die noch bei Naturvölkern zu
beobachtende genossenschaftl. Gesellschaftsform,
bei der zw. den verschiedenen Individuen und
G.gruppen die Macht ausgewogen verteilt ist, und
die herrschaftl. Gesellschaftsform
unterschieden. Letztere zeichnet sich durch v.
a. auf Grund gesellschaftl. Arbeitsteilung
entstandene Ungleichheit der G.mitglieder sowie
damit verbundene unterschiedl. Macht- bzw.
Abhängigkeitsverteilung aus und ist v. a. für
die moderne Ind.gesellschaft kennzeichnend.
Das wichtigste Charakteristikum einer Gesellschaft
scheinen mir die Verhältnisse der Individuen zur
Macht, d.h. die Herrschaftsverhältnisse zu sein.
War es nicht ein Hauptanliegen Marx die Beziehungen
zwischen Ökonomie und Herrschaft offenzulegen ?
T.K.
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