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Re: [ox-de] Re: [ox] Re: Der eigentliche Dissenz



Hallo Hans-Gert,

Am Donnerstag, 27. Juli 2006 13:27 schrieb Hans-Gert Gräbe:
Sorry, das halte ich - mit der Erfahrung eines Familienvaters mit zwei
inzwischen erwachsenen Kindern - schlicht für blauäugig. Kinder
ERWARTEN, dass man ihnen auch mal sagt, wo's langgeht.

Sorry, Dissenz. Kinder erwarten echte Erwachsene, die ihnen die
Grenzen ihrer Fähigkeit, das kindliche Verhalten zu tolerieren sowie
wo ihre eigene Freiheit im Gegensatz zur Freiheit des Kindes beginnt, 
aufzeigen.

Kinder erwarten nicht, daß ihr Erlebnisraum durch Erwachsene so 
strukturiert wird, daß ihnen nur noch die Befolgung der Anweisungen
der Erwachsenen übrig bleibt. Ganz exstrem habe ich eine solche
Vorstrukturierung bei meiner Arbeit in einem christlichen Kindergarten
erlebt, wo jegliches Fragen a la "Wie kommen den die Kinder in Mutties
Bauch?" oder "Hat Papa auch einen Piep-Hahn?" den Kindern nicht
beantwortet werden durfte, ohne sich dem Verdacht auszusetzen,
die Kinder "zur Sünde zu verleiten".

Was meinen Dissenz mit Stefan angeht:

Ich trenne zwischen Evolution und Gesellschaft. Der Körper ist evolutionär
vermittelt, d.h., dem Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt. Bislang
ist mir kein Fall bekannt geworden, wo ein gesellschaftliches Verhältnis
sich genetisch beim Menschen abgebildet hätte. Zwar kann man genetische
Karten erstellen, jedoch ist die Variationsdichte so weit gestreut, daß ein
Bantu genetisch einem Mitteleuropäer enger verwandt sein kann als den
Angehörigen seiner eigenen Gesellschaft. Sehen wir die Gesellschaft
als Verlängerung der Evolution, so wird die Neigung zu einer totalitären
Auffassung evident, weil wir dann dazu neigen, die gleichen Naturgesetze, die 
die Evolution bestimmen, auch bei gesellschaftlichen Entwicklungen geltend
zu machen.

Unter Gesellschaft verstehe ich hier die menschliche Gesellschaft. Es ist
mir bewußt, daß es auch eine evolutionär vermittelte Gesellschaft gibt,
wie z.B. bei Menschenaffen oder Ameisen inkl. des Gebrauchs von Werkzeugen.

Menschen bringen also evolutionär vermittelt lebende Junge bzw. Säuglinge
zur Welt, die selbst atmen und aus sich selbst heraus sich in ein soziales
Umfeld einfügen können. Sie suchen dieses soziale Umfeld, welches ihrem
evolutionär vermitteltem Körper hilft, sich zu strukturieren - z.B. mittels
erster Hirnstrukturen. Ihre evolutionär vermittelte Autonomie als Gesamtheit
aller Gefühle und Bedürfnisse ist nicht gesellschaftlich vorgeprägt - ihnen
sind z.B.alle Laute des Chinesischen ebenso auszudrücken möglich wie die
Laute der Bantusprachen oder des Deutschen. Weshalb der Erwerb von
Fremdsprachen um so leichter fällt, je jünger die Kinder sind.

Wissenschaftlich konnte gezeigt werden, daß die Fähigkeit, Laute des ge-
sprochenen Mandarin auszudrücken, bei einem deutschen Kind verloren
geht, je mehr es gesellschaftlich geprägt wird und die deutsche Sprache
erlernt. Umgekehrt verloren chinesische Kinder die Fähigkeit, Laute der
deutschen Sprache zu formen, je mehr sie Mandarin erlernten und durch
die chinesische Gesellschaft geprägt wurden. Gebürtige Deutsche, die
in China ohne Kontakt zur deutschen Sprache aufwuchsen, erlernten 
Mandarin ebenso gut wie die kleinen Chinesen dort und umgekehrt - und 
erwarben im späteren Leben die jeweilige mangelnde Fähigkeit, Laute ihrer 
geburtsmäßigen Muttersprache zu formen.

Diese mangelnde gesellschaftliche Vorprägung des evolutionär ver-
mittelten Körpers des Kindes läßt mich davon sprechen, daß dieser der
gesellschaftlichen Prägung vorausgeht - etwa im Spracherwerb, in 
welchem die Fähigkeit, alle Laute aller Sprachen dieser Erde formen zu 
können zugunsten des Lautsatzes der Muttersprache(n) verloren geht.

Gruss,
Jacob
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Kontakt: projekt oekonux.de



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