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Re: [ox] Re: Verantwortung übernehmen!



Hallo Jac,

ich freue mich zu sehen und zu lesen, dass Oekonux mehr und mehr zu
deinem DING zu werden scheint. Ich möchte deinen Versuch einer Analyse
an ein paar Stellen mit meiner Sicht ergänzen. Bin schließlich u.a. als
Gründungsmitglied des Oekonux-Appendix "Oekonux e.V." lange dabei und
habe insofern einige Sachen hautnah miterlebt.

Jac wrote:
Mit anderen Worten:
In fünf Jahren hat das Projekt Ökonux es versäumt, sich Ziele zu setzen
und die diffusen Vorstellungen, was eine GPL-Gesellschaft sein könnte,
zu konkretisieren. So wie Menschen, die zusammenkommen, um ein 
'Soziales Zentrum' aufzubauen, ohne sich über die konkreten Ziele und
die evtl. vorhandenen oder nicht vorhandenen Gemeinsamkeiten aller
Beteiligten klar zu sein, die das 'Soziale Zentrum' tragen und über die
Inhalte des Zentrums entscheiden.

Nein. Es gab Ziele und klare Vorstellungen. Die Analyse der
realweltlichen Erfahrung "Freie Software" ist weit gediehen und die
findest du auch gut dokumentiert an verschiedenen Stellen. Der Wurm ist
m.E. erst drin, seit versucht wird, diese Erfahrungen zu generalisieren.
Und vor allem deshalb, weil eine solche Generalisierung andere Ansätze
aufnehmen und fruchtbar machen müsste. Und da haben verschiedene Leute
verschiedene Ansätze reingebracht und es ging der Clinch los, was sind
die "richtigen" Ansätze. Erschreckend für mich, wie gering dabei die
Integrationskraft des Projekts für andere Ansätze ist. Die sich ja nicht
"unterbuttern" lassen.

In der Konsequenz herrschte nach der Wiener Konferenz - in der
Selbstwahrnahme von Oekonux - über zwei Jahre Sendepause. Mit dem
Workshop in Hütten sei - so die Einschätzung von zwei wichtigen Leuten
aus dem Oekonux-Umfeld in der Schlussrunde - die Chance für ein Relaunch
da. Eine größere Freude hätten sie mir gar nicht machen können, denn es
war lange umstritten, ob Hütten ÜBERHAUPT als Oekonux-Event anzusehen ist.

Ein Jahr vorher ging ein analoger Flame um die von mir organisierte
Chemnitzer Konferenz, http://www.hg-graebe.de/Texte/RLKonf-2005.html,
auf der - trotz aller flames - drei oder vier oekonuxis anwesend waren
und Stefan Merten sowie Stefan Meretz auch je Gelegenheit zu einem
Beitrag hatten. Es gab weiter einen - aus meiner Sicht - sehr
interessanten Beitrag von Reinhold Krampitz (in den Konferenzmaterialien
nur als Abstract im Reader präsent), an dem sich die ganze Kontroverse
(wieder) entzündete. D.h., sie wurde nicht wirklich verbal ausgetragen,
aber lag mit den Händen zu greifen in der Luft.

Ist alles auch gar nicht schlimm - jede Sache braucht ihre Zeit um zu
reifen. Ich will auch nur deutlich machen, dass selbst die Sicht einiger
Oekonuxis "in den letzten zwei Jahren ist nix passiert" eine persönliche
ist, die ich so nicht teile. Wenn nix passiert wäre, hätte es Hütten
nicht gegeben.

Insbesondere die Machtverteilung zwischen jenen, die diesen öffentlichen
Raum zur Verfügung stellen und den Usern, die diesen nutzen, blieb weit-
gehend ungeklärt. So entstand der ursprüngliche Konflikt genau an die-
ser Bruchstelle, zu dem der Konflikt mit CR lediglich als Tüpfelchen auf
dem i auf der Liste ox hinzutrat. Man gibt eine Macht der Verfügungsge-
walt nicht dadurch auf, indem man sich als Erster unter Gleichen seiner
Rolle verweigert, sondern dadurch, daß man diese Verfügungsgewalt
einer kollektiven Kontrolle durch Dritte unterstellt und die Absprache
mit anderen Verantwortlichen sucht bzw. sich Mitverantwortliche sucht, 
bevor man tätig wird. Alleingänge tragen in sich immer ein Konfliktpo-
tential, was den öffentlichen Raum zerstört - eben weil darin die unglei-
che Machtverteilung im Gegensatz zur öffentlichen Bekundung des List-
owners als Erster unter Gleichen besonders deutlich wird.

Das war im letzten halben Jahr ausführliches Thema in vielen meiner
mails, wenn es um GermanOekonuxCoreTeam ging. Stand der Diskussion: Das
Spelling muss (GermanOekonux)(CoreTeam) sein. Viel weiter sind wir
nicht, aber das - von Karl so vehement angegriffene -
HüttenEmergencyTeam ist vielleicht ein praktischer Keim in dieser Richtung.

Da Freiheit von den meisten Menschen in unserer Kultur als Ungehorsam
mißverstanden wird, werden bedeutende Personen all zu häufig zur
Zielscheibe dieses Ungehorsam, zur Projektionsfläche negativer
Gefühle und Feindvorstellungen.

Besonders, wenn man den Ungehorsam selbst im Abarbeiten an einer realen
Vaterfigur tief in sich trägt (deren Genese sich m.E. ohne Mühe oft bis
zum "Gottvater" verfolgen lässt) - der Ödipuskomplex spielt in der rev.
PSA nicht umsonst eine zentrale Rolle. Die Erziehungsdebatte steht im
Oekonuxkontext noch ganz am Anfang.

Ist es nicht eine Erkenntnis des Anarchismus, daß aus Begabung und
Interesse keine bevorzugte Stellung einer oder mehrerer Personen in
einer sozialen Struktur erwachsen darf?

Wie gehst du mit unterschiedlicher Engagiertheit unter einer solchen
Prämisse um?

Es ist in der Praxis völlig klar, daß einige Personen für bestimmte
Gebiete mehr Interesse aufbringen als andere oder etwas besser
können als andere Menschen. Daraus darf jedoch nicht abgeleitet
werden, daß stärker Interessierte oder höher Begabte in der zur
Entscheidungsfindung notwendigen Abstimmung z.B. mehr Stim-
men auf sich vereinigen als andere, diese Anderen als kleinere
Gruppe überstimmen können, wenn die egalitäre Chance aller,
sich in einem gemeinsamen Projekt zu verwirklichen, erhalten wer-
den soll. 

Ist das ein Plädoyer dafür, dass crox und s.mn hier dieselben
Stimmrechte haben? Um's mal auf den Punkt zu bringen.

Viele Fragen, aber trotzdem liebe Grüße

HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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