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Re: [ox] Text- versus Software-Lizensierung



* Thomas U. Grüttmüller <sloyment gmx.net> [2005-10-18 00:23]:
Am Sonntag 16 Oktober 2005 03:31 schrieb Holger Weiss:
Im Fall von Texten kommt bei mir noch ein ganz anderer Punkt hinzu,
naemlich dass ich hier ehrlich gesagt noch gar nicht wirklich den
eigentlichen Witz von freier Lizensierung verstanden habe, sei es mit
Copyleft oder ohne.

Der wichtigste Punkt ist die freie Kopierbarkeit und Weiterverbreitbarkeit
(ohne Änderung). Dieser Punkt fehlt bei den meisten proprietären Texten, was
zur Folge hat, daß man Exemplare nur gegen Bezahlung oder gar nicht erhält.
Auch bei Texten, die kostenlos im Internet zugänglich sind, ist dieser Punkt
wichtig, denn der Rechteinhaber könnte sie jederzeit von seinem Server
nehmen, und dann wären sie eben nicht mehr zugänglich.

Keine Frage: Es kann angenehm sein, fuer den Zugriff auf Text nicht in
die Buchhandlung oder Bibliothek rennen zu muessen, und es macht Sinn,
Texte vor ihrem Verschwinden retten zu koennen, indem ggf. Kopien
veroeffentlicht werden duerfen. Aus _diesen_ Gruenden sind "freie"
Lizenzen fuer den Konsumenten allemal nuetzlich. Analog dazu kann es
angenehm sein, Windows XP als Freeware downloaden zu koennen oder andere
Software durch das Anbieten von Kopien vor ihrem Verschwinden zu retten.
Nur reicht dazu eben eine Freeware-Lizenz, das ist natuerlich nicht der
Witz bei freier Software.

Dieses Recht auf Kopieren und Verbreiten ohne Änderung reicht aber nicht aus.
Es ermöglicht z.B. nicht die Kürzung, weil das bereits eine Änderung ist.
Also bleibt, wenn man von einem 300-Seiten-Werk nur drei Seiten braucht,
wieder nur der umständliche Weg über das Zitatrecht, und dafür ist die
zitierte Menge dann eventuell doch schon zu viel.

Ja, im Einzelfall mag es vorkommen, dass jemand einen Auszug
veroeffentlichen moechte. Das geht mit Freeware nicht mehr.

Wenn in der Wikipedia in einem Artikel weiterführende Literatur
angeführt ist, so darf sich der Nutzer diese im nächsten Buchhandel
kaufen, um darin lesen zu können. Das ist allenfalls eine Notlösung.

Ja, so funktioniert buergerliche Wissenschaft mehr oder weniger seit
ihrer Erfindung. Aus meiner Sicht ist das deutlich mehr als eine
"Notloesung". Funktioniert doch ganz gut.

Nochmal: Ich bezweifle nicht, dass freie Lizenzen im Einzelfall fuer den
Konsumenten von Text von Vorteil sein koennen. Man kann sich den Weg zur
Bibliothek sparen (falls man die Literatur tatsaechlich ausdrucken oder
am Bildschirm lesen moechte), Texte koennen vor dem Verschwinden
gerettet werden, Texte duerfen gekuerzt weitergegeben werden. Ich sehe
aber nach wie vor einen Unterschied zur Lizensierung bei Software. Klar
ist, dass das Eigentum am Produkt in beiden Faellen dazu dienen kann,
Kopien zu verbieten, um die Verwertung zu ermoeglichen. In beiden
Faellen faellt diese Moeglichkeit durch eine freie Lizensierung weg.
Darueber hinaus wird bei der proprietaeren Veroeffentlichung von
Software aber i.A. das zur Produktion und Weiterentwicklung notwendige
Wissen zurueckgehalten, waehrend es diese Exklusionsmoeglichkeit bei der
proprietaeren Veroeffentlichung von Text nicht gibt, weil der
Gebrauchswert des Produkts hier eben das Wissen selbst ist.

Holger

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