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Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hallo El Casi, Stefan usw.

Stefan Merten wrote:
Steine, Sterne und Kaffeesatz wechselwirken mit ihrer Umwelt. Diese
Wechselwirkungen sind messbar und damit sind aus ihnen Daten zu
gewinnen. Eine Sprache - so hatte ich mir das gemerkt - ist jetzt vor
allem ein Symbolsystem. Die Sprache verbindet ein Symbolsystem mit
bestimmten physikalischen Wechselwirkungen - z.B. Töne, Verteilungen
von Hell-Dunkel, Höhe einer elektrischen Spannung. Das nennen wir
Kodierung der Symbole. Der Träger der Symbole ist für mich erstmal ein
Datenträger, dessen spezifische Wechselwirkungen ermöglichen, die
kodierten Symbole wieder zu extrahieren.

Ich will dem mal kompakt meine Begriffswelt gegenüberstellen, um den
Unterschied deutlich hervortreten zu lassen:

Zentrale Begriffe sind für mich "Beobachten" und "Erinnern"; und ich
argumentiere nicht aus einer (statischen) Seins-Perpektive, sondern
aus einer (dynamischen) Tuns-Perspektive (dank (Holloway) kann ich
das jetzt so klar ausdrücken).  Steine, Sterne, Kaffesatz "tun" in
der Zeit existieren und alles Tun hinterlässt Spuren (Daten iSv
HGG).  Diese Spuren kann ein (selbst zustandsloses) "Wesen"
"beobachten" (messen iSv SMn?). Hat das Wesen innere Zustände, ist
also erinnerungsfähig, dann kann es frühere Beobachtungen
"speichern" (z.B. Materialien mit Gedächtnis).  Unmittelbar
reaktionsfähig wird das Wesen, wenn die Erinnerungen zu
Analogieschlüssen in der Dynamik der inneren Welt verdichtet werden
(Beispiel: Reaktion eines Pantoffeltierchens auf taktile Reize).
Mittelbar reaktionsfähig wird das Wesen, wenn die internen Analogien
mit externen Analogien in Verbindung gebracht werden (Beispiel:
Pawlowscher Hund).  Symbole entstehen, wenn solche Analogien-Paare
aktiv konstruiert werden.  Sprache entsteht (nicht sofort, aber)
erst, wenn begonnen wird, über diese Analogien-Paare zu
kommunizieren. Verweis auf die "Stufenleiter der Abstraktion" im Wiki.

In dem Kontext ist auch die Unterscheidung zwischen bewusster und
unbewusster Körpersprache schärfer und folgt den Argumenten von SE
(26.8.).  Unbewusster Körpersprache ist nicht intendiert, aber
Beobachtung zugänglich. Bewusste Körpersprache ist intendiert, wobei
natürlich eine gewisse Unschärfe bleibt im Bereich der
bewusst-unbewussten Körpersprache, die es ja insbesondere auf sexuellem
Gebiet bis weit ins Tier- und wohl auch Pflanzenreich hinein gibt
(Stichwort: Pheromone, Lockstoffe etc.).

Ein Mensch kann sich aber jederzeit des Symbolsystems bedienen und
jederzeit Symbole kodieren. Das ist komplett unabhängig davon, ob es
Teil einer Kommunikation ist oder nicht. Ein Tagebuch ist z.B. voller
kodierter Symbole, die aber im Allgemeinen niemensch zugänglich sein
sollen.

In meinem Koordinatensystem geht das Kommunikationsbedürfnis der
Sprache, nicht aber der Symbolentstehung voraus. Dass
Tagebuchschreiben ein Selbstkommunikationsprozess ist, der - mE -
vor allem der Verbesserung der eigenen Erinnerungsfähigkeit dient,
d'accord. Das sollte eine sinnvolle Semantik von "Kommunikation"
unbedingt mit abdecken.

So viel vielleicht mal dazu von mir. Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
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