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Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi Stephan et al!

Last week (8 days ago) Stephan Eissler wrote:
deinen Ausführungen unten könnte man eine Passage im Wikipedia-Artikel zum
Begriff "Information" entgegensetzen, den ich jetzt mal in seiner ganzen Länge
hier zitieren möchte (da der Artikel sich im Laufe der Zeit verändern kann,
wäre es sonst später im Mail-Archiv u.U. schwer nachvollziehbar...):

/Zitat/
Der Begriff Information ... [wird] oftmals im alltäglichen Sprachgebrauch auch
in den Naturwissenschaftenin in einer metaphorischen Weise benutzt. Eine
direkte Übernahme des Begriffes Information in naturwissenschaftlichen
Theorien, so wie er in den Ingenieurswissenschaften benutzt wird, ist aber
nicht zulässig. Grund hierfür ist, dass die Ingenieurwissenschaften letztlich
auf den Menschen ausgerichtet sind und deswegen der Mensch als Benutzer oder
Erzeuger künstlicher Systeme selbst Teil der Betrachtungen sein kann, womit
die verwendeten Begriffe oftmals eine zielgerichtete und auf menschliches
Bewusstsein ausgerichtete, teleologische Komponente enthalten. Demgegenüber
ist es Ziel der Naturwissenschaften, die Natur möglichst unabhängig vom
Menschen zu beschreiben. Somit müssen bei Übernahme informationstheoretischer
Begriffe diese erst in einer von teleologischem Ballast befreiten Version neu
definiert werden. So wird beispielsweise unter dem Begriff "Genetischer Code"
in der Genetik eine Menge von Regeln verstanden, welche rein
physikalisch-chemische Prozesse beschreibt, durch welche DNA-Strukturen in
Protein-Strukturen übertragen werden, und natürlich nicht eine Vereinbarung
von bewussten Wesen über die Verwendung von Symbolen zum Austausch von
Botschaften, wie der Begriff "Code" in der Informationstheorie meist
verstanden wird. Der Verzicht auf solche teleologischen Begriffe in den
Naturwissenschaften hat dabei nicht zum Ziel "teleologische Welterklärungen"
von vornherein auszuschliessen, sondern dient dazu Fehlschlüsse zu verhindern,
bei denen nur scheinbar neue Erkenntnis aus einer naturwissenschaftlichen
Theorie gewonnen wird, welche aber in Wirklichkeit durch inadäquaten Gebrauch
der Begriffe vorher in die Theorie hineingeschmuggelt wurde. Insbesondere ist
dies ist auch eine Methode welcher sich diverse Pseudowissenschaften ganz
bewusst bedienen. So warnte beispielsweise der Wissenschaftphilosoph Wolfgang
Stegmüller vor einem Wiederaufleben des Neovitalismus durch unangemessenen
Gebrauch informationtheoretischer Begriffe in der Biologie.
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Information)
/Zitatende/

Wenn ich Eingangs im Konjunktiv gesprochen habe, dann deshalb weil es mir hier
 und zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung
mit diesem strittigen Punkt geht. Ich wollte nur deutlich machen, dass sich
gegen dein Vorgehen, hier Analogien zwischen allem möglichen aufzumachen, u.U.
erhebliche Einwände formulieren ließen.
Worauf ich auch hier eigentlich hinaus möchte ist lediglich die Frage, ob es
nicht sinnvoller wäre, das Thema etwas grundlegender und systematischer
Aufzurollen. Einen diesbezüglichen Vorschlag hab ich ja in meiner vorletzten
Mail gemacht...
Denn wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass hier ganz unterschiedliche
Paradigmen aufeinander prallen. Ein sinnvoller Diskurs scheint meiner Meinung
nach nur dann gewährleistet, wenn wir erst mal die Basisannahmen der
unterschiedlichen Paradigmen eingehender beleuchten und erörtern. Anschließend
erledigen sich einige Punkte von selbst, die im Moment einen produktiven
Diskurs einfach nicht zustande kommen lassen... Oder wie siehst du das?

Ich nehme an, Stephan bezieht sich auf diese Passage:

Stefan Merten <smerten oekonux.de> schrieb:
3 weeks (25 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Stefan Merten wrote:
Die Bildung von Proteinen aus DNA hat m.E. dagegen sehr wohl etwas
mit Information zu tun ...

Es ist ein Transformationsprozess der einen Einweißstrukturen in andere
Eiweißstrukturen unter der katalytischen Wirkung dritter
Eiweißstrukturen, der unter bestimmten äußren Bedingungen abläuft. Ist
jeder solche Transformationsprozess automatisch ein Informationsprozess?
Wenn nein, wo ist die Grenze?

Gut das du nochmal nachfragst, denn wo die Grenze ist, ist sicher eine
wichtige und auch gute Frage. Wahrscheinlich gibt es keine harte
Grenze und auch hier liegt sicher vieles im Auge des Betrachters.
Dennoch will ich es mal versuchen.

Die Grenze würde ich dahin legen, wo der Informationsanteil eines
Prozesses die anderen stofflichen Effekte in seiner Bedeutung
überwiegt. Bei "in seiner Bedeutung" liegt wohl das Auge des
Betrachters und wohl insgesamt muss die Perspektive mit angegeben
werden.

Nehmen wir eine CD, weil es an der einfacher sichtbar wird, als an
DNA. Die Stofflichkeit der CD tritt gegenüber der informatorischen
zurück. Oder besser hinter den Aspekt des Datenträgers. Die
Stofflichkeit der CD ist vielmehr nur dahin gehend von Intersse, ob
sie der Aufgabe der Datenspeicherung nützlich ist oder nicht. Bei der
CD ist dies auch deswegen klarerweise so, weil sie eben nicht als
Bierdeckel produziert wird. Der Zweck der Produktion ist vielmehr
einen Datenträger herzustellen.

Ähnliches würde ich für die DNA behaupten. Ihr wesentliches
Anwendungsgebiet in einem lebenden Organismus ist eben nichts, was
ihrer einfachen Stofflichkeit entspringt. Dann wäre sie nicht
wesentlich von Fetten oder anderen biologischen Stoffen unterschieden.
Nein, die DNA bewahrt Daten auf, die einen Unterschied für die
Prozesse machen, in denen die DNA vorkommt. Die in der DNA
aufbewahrten Daten werden also in diesen Prozessen zu Information.

Um was es hier letzlich geht, ist rauszukriegen, wie wir die
stoffliche Repräsentation von Daten / potentieller Information von der
nicht-stofflichen Idee separiert kriegen. Da gibt es bestimmt
Grauzonen, aber deswegen würde ich nicht drauf verzichten.

Ich dopple Stephans Kommentar nochmal hier:

Wenn ich Eingangs im Konjunktiv gesprochen habe, dann deshalb weil es mir hier
 und zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung
mit diesem strittigen Punkt geht. Ich wollte nur deutlich machen, dass sich
gegen dein Vorgehen, hier Analogien zwischen allem möglichen aufzumachen, u.U.
erhebliche Einwände formulieren ließen.

Das ist mir schon klar und an anderer Stelle fechte ich ja auch heftig
gegen solche Analogien. Z.B. Gesellschaft mit einem (biologischen)
Körper zu vergleichen und dann Schlüsse aus dem biologischen Körper
auf die Gesellschaft rückzuübertragen.

Worauf ich auch hier eigentlich hinaus möchte ist lediglich die Frage, ob es
nicht sinnvoller wäre, das Thema etwas grundlegender und systematischer
Aufzurollen. Einen diesbezüglichen Vorschlag hab ich ja in meiner vorletzten
Mail gemacht...

Siehe dort.

Vielleicht sollte ich das nochmal erwähnen: Ich mühe mich momentan an
dem Thread dran zu bleiben, kann ihn aber wegen seiner Tiefe nicht
immer komplett zu Ende lesen bevor ich antworte. Es kann also gut
sein, dass ich mit meinem je aktuellen Geschreibsel Gedanken noch
nicht berücksichtige, die zeitlich später ausgeführt sind. Zu allem
Überfluss lese ich die inhaltlich leichteren Sub-Threads - z.B. zu
Universalismus - dann wieder gleich ;-) .

Denn wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass hier ganz unterschiedliche
Paradigmen aufeinander prallen. Ein sinnvoller Diskurs scheint meiner Meinung
nach nur dann gewährleistet, wenn wir erst mal die Basisannahmen der
unterschiedlichen Paradigmen eingehender beleuchten und erörtern. Anschließend
erledigen sich einige Punkte von selbst, die im Moment einen produktiven
Diskurs einfach nicht zustande kommen lassen... Oder wie siehst du das?

Ich sehe es ganz genau so. Warum ich mich für einen solchen - ich sag
mal: - weiten Informationsbegriff einsetze hat einen einfachen Grund:
Ich halte nur einen solchen weiten Informationsbegriff für dem
Oekonux-Diskurs angemessen, weil er eben (mindestens) auch die
technischen Spielarten enthält. Lassen wir diese Spielarten weg,
können wir aus meiner Sicht die ganze Debatte hier sein lassen, weil
sie vermutlich in der Tat in anderen Diskursräumen schon ausreichend
geführt wurde.

Ich wünsche mir also einen Informationsbegriff, der sehr grundlegend
bestimmte Phänomene beschreibt, die aber in verschiedenen
Bezugssystemen gleichartig auftreten.

Nochmal die entscheidende Stelle aus dem Auszug:

Demgegenüber
ist es Ziel der Naturwissenschaften, die Natur möglichst unabhängig vom
Menschen zu beschreiben.

Ja. BTW ein Erfolg der Aufklärung.

Somit müssen bei Übernahme informationstheoretischer
Begriffe diese erst in einer von teleologischem Ballast befreiten Version neu
definiert werden.

Ja. Darum bemühe ich mich.

So wird beispielsweise unter dem Begriff "Genetischer Code"
in der Genetik eine Menge von Regeln verstanden, welche rein
physikalisch-chemische Prozesse beschreibt, durch welche DNA-Strukturen in
Protein-Strukturen übertragen werden, und natürlich nicht eine Vereinbarung
von bewussten Wesen über die Verwendung von Symbolen zum Austausch von
Botschaften, wie der Begriff "Code" in der Informationstheorie meist
verstanden wird.

Das vermeidet letztlich nur einen Begriff von Information, indem nur
die materielle Ebene beschrieben wird. Ich sehe und schätze das Ziel
und würde es jederzeit unterstützen und ich stimme absolut überein,
dass eine möglichst exakte Begrifflichkeit unabdingbar für einen
zielführenden Diskurs ist.

Aber: Leider hilft die Vermeidungsstrategie nicht mal, denn auch bei
Menschen gibt es diese materielle Ebene - auch wenn wir sie (heute
noch) nicht völlig verstanden haben. Sie muss es geben, denn gäbe es
sie nicht, so wären wir gezwungen von irgendwelcher Metaphysik
auszugehen, und damit endgültig im Bereich des Glaubens angelangt.

Ich gehe aber nach wie vor davon aus, dass es Prozesse in dieser Welt
gibt, die für Menschen und andere Bezugssysteme gleich beschrieben
werden können und für die ich den Begriff Information für sinnvoll
halte. Dass diese Information jeweils komplett unterschiedlichen
Inhalt und Bedeutung haben, selbst dann, wenn zwei Bezugssysteme
unterschiedlichen Typs auf das gleiche Datenmaterial schauen, ist ja
völlig klar. Dennoch gibt es etwas, was gleich ist. Das fängt sicher
bei dem Unterschiedsding an, aber das genügt m.E. noch nicht. Ich
tendiere immer mehr dazu, es in der Richtung zu präzisieren, dass
Information auch etwas mit dem Ziel Steuerung von Handlung - oder
vielleicht besser: Aktivität - zu tun hat. Damit würde es im Übrigen
auch ganz gut in den Oekonux-Diskurs passen, in dem diese Begriffe ja
häufiger vorkommen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

____________________________________________________
Nein. Es bläht die Mail auch unnötig auf.
Weil es die Lesbarkeit des Textes verschlechtert.
Text Oben, Full-Quote Unten.
TOFU.
Fragen:
Das ist alles?
Warum ist TOFU so schlimm?
Was heißt TOFU?
Was ist das größte Ärgernis bei Replies?

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Kontakt: projekt oekonux.de



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