Message 08984 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT08979 Message: 4/112 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi all,

Stephan Eissler wrote:
HGG: Weiter folgt viel Substanz zum Thema (die Genese des
Informationsbegriffs über die Jahrhunderte als verschiedene Varianten
des "informare", des In-Form-Bringens, des Formbegriffs überhaupt,
mit einer großen Vielfalt von ontologischen und gnoseologischen
Aspekten in unterschiedlichen Wichtungen), die ich hier nicht
ausbreiten möchte ...

SMz: Mein Bemühen im Artikel zielte darauf ab, eine solche Frage als falsch
zu verwerfen, weil darin eine "substanzialistische" Grundannahme
steckt, als ob ein Ort oder eine Form gäbe, wo die Information "ist".

SE: Bei all den Zitaten aus dem Klemm-Aufsatz vermisse ich übrigens die, die ich
im Zusammenhang mit unserer Diskussion für viel aufschlussreicher halte - etwa
der Hinweis bei Klemm, dass der Informationstechnische (und später der
kypernetische) Informationsbegriff mit der bisherigen Begriffstradition
radikal brach. Vieles von dem, was uns eingentlich interessiert, gibt dieser
Informationsansatz schlicht nicht her - der Anspruch wurde aber auch zumindest
von seinen Schöpfern gar nicht erhoben.

Ich glaube, der Artikel ist inhaltlich so komprimiert, dass sich jedes Exzept verbietet. Schon allein die Bemerkungen zu "Moses als Informator" sind lesenswert. Ich hoffe, die juristischen Grenzen des Zitierens sind nicht überschritten, wenn ich hier die technischen Möglichkeiten des Arcobat Readers mal ausnutze. Ein paar Interpunktionszeichen fehlen allerdings.

<zitat>
Moses war Informator

Ontologische und erkenntnistheoretische Aspekte bilden, wie der Informationswissenschaftler Rafael Capurro ermittelt hat, den Kern in der gesamten Bedeutungsentwicklung von Information . In der Antike bezeichnen die Begriffsvarianten zum Beispiel organische und biologische Phänomene wie die Gestaltwerdung des Fötus, aber auch die Formung des Leibes durch die Seele und sogar die Disposition in der Rhetorik. Das Denkvermögen ist nach Aristoteles die Form der Formen . Der pädagogische Gebrauch beginnt ebenfalls in der Antike Moses wird von lateinischen Autoren informator populi genannt und hält sich bis in die späte Neuzeit. Erziehung ist bei Thomas von Aquin educatio , Bildung informatio . Im 15. Jahrhundert wird informieren im pädagogischen Sinn ins Deutsche übernommen und bleibt lange Zeit als einzige Bedeutung geläufig. Für Leibniz betrifft informatio den gesamten Menschen, didactica ist nur Wissensvermittlung. Im 18. Jahrhundert geht der ganzheitliche Aspekt betrieben vor allem durch Wieland auf den Bildungsbegriff über. Der Informator wird dabei abgewertet. Er ist Hauslehrer, manchmal auch Hofmeister oder wie bei Kant bloß ein Lehrer , ein Schulmann; der Hofmeister muss nach Kant dagegen Führer sein, der auf das Leben vorbereitet. Dieser Verlust der pädagogischen Bedeutung gilt als eines der großen Rätsel in der Begriffsgeschichte von Information . Während der gesamten Neuzeit schieben sich erkenntnistheoretische Aspekte in den Vordergrund, ontologische verblassen. Explizit zur Beschreibung des Erkenntnisprozesses eingeführt wurde der Begriff aber erst Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Engländer William Whewell. Dabei knüpfte er an die antike Tradition an, in der Information auch im Sinne von Vorstellung oder Begriff verwendet worden war. Juristische Bedeutungen kommen im Mittelalter neu hinzu informare se wird zum Beispiel als sich erkundigen verstanden. Diese Entwicklung beginnt in Frankreich, setzt sich in England fort und erreicht im 18. Jahrhundert den Höhepunkt. Im Artikel Information der Enzyklopädie von 1765 wird ausschließlich dieser Aspekt behandelt. Dort gibt es Verweise auf Bedeutungen im Sinne von Nachforschung, Ermittlung und Bericht. In deutschen Lexika erscheint im 19. Jahrhundert der Terminus Informativprozeß gemeint ist damit: von Amts wegen gerichtliche Nachforschungen anstellen. Im Englischen wird im 19. Jahrhundert scientific information wissenschaftliche Information als grundlegend für die industrielle Entwicklung erkannt. Die Bezeichnung information theory ist in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts geläufig geworden. In Deutschland ist Information später als in England und Frankreich in den alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen. Die maßgebliche Bedeutung als Nachricht, Mitteilung oder Auskunft ist laut Capurro eher im Sinne des griechischen Begriffs Botschaft angelia zu verstehen. Wesentlich sind dabei die Aspekte, die auch der journalistischen Bedeutung zugrunde liegen sachlich, nützlich, neu.
</zitat>

HGG

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT08979 Message: 4/112 L3 [In index]
Message 08984 [Homepage] [Navigation]