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[ox] DRM, P2P und Freie Kultur



Hi Liste!

Jule hat mir folgenden Auszug aus Julians Blog geschickt, der sich mit
Inhalten der Veranstaltung neulich in Leipzig auseinandersetzt, bei
der Julian als attac-Vertreter aufgetreten ist. Ich forwarde das
zunächst mal hier und habe Julian auch ins `Cc:' genommen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


------- Forwarded Message


Julians weBlog

Sunday, January 23. 2005

Die Grenzen Freier Kultur
Gestern war ich zur Veranstaltung "Copy Kills (Music Kills) Capitalism" in
Leipzig eingeladen. Eine ganz nette Sache: Wenngleich recht dünn besucht,
kam wohl genau aus dieser Atmosphäre eine spannende Diskussion zustande, in
der ich mich mal nicht mit der Musikindustrie sondern mit Stefan Merten von
Oekonux und einem Publikum das ebenfalls deutlich links von mir stand herum
schlagen durfte.

Neben den üblichen Diskussionen die auf die Frage "Reform oder Revolution"
hinauslaufen, gab es dann noch ein paar sehr Oekonux-Spezifische Ansätze,
die auf Freie Kultur als Alternative zur Kulturflatrate hinaus liefen. Einen
Argumentationspunkt möchte ich hier noch einmal aufgreifen, da ich das nicht
so stehen lassen kann.

Ansatz war die Aussage, DRM und Copyrightgesetze seien egal für freie
Kultur, Freie Kultur würde diesen Angriff auf die Bürgerrechte ignorieren.

Das mag technisch so lange stimmen wenn es möglich bleibt, Freie Kulturgüter
zu publizieren und rechtlich für sich auch wahr sein. Aber, da ist mein
Knackpunkt, es gibt Grenzen Freier Kultur.

Es ist meines Erachtens sehr elitistisch und vermessen zu behaupten, dass es
in einer Welt, in der man sich technisch für eine von zwei Lösungen
entscheiden muss, also ob man DRM-Mainstream-Kultur oder Freie Musik, Filme
und andere Dinge konsumieren möchte, es eine ausreichende Menge Menschen
geben wird, die sich für die Freie Variante entscheiden. Im Gegenteil: Die
Künstler, die sich zwischen beidem entscheiden müssen und ein wenig auch auf
ihre Reputation und Ihr Publikum achten werden es noch weniger in Betracht
ziehen, ihre Musik unter Freien Lizenzen zu veröffentlichen.

Das andere Problem ist aber auch eines, das jetzt schon zutrifft: Unfreie
Kultur mag zwar direkt aus der Freien profitieren, umgekehrt ist dies jedoch
nur schwer bis gar nicht möglich. Bild- und Textzitate sind zwar noch
einigermaßen gut geschützt und somit erlaubt, wenn es jedoch an Dinge wie
Sampling oder sogar bestimmte Bastard-Pop-Erzeugnisse stößt man schnell an
seine Grenzen. Klar, es gibt Künstler wie Akufen oder Prefuse 73, die sich
des sog. Microsampling bedienen und somit geltende Sampling-Bestimmungen
unterlaufen, für den großen Teil der Musiker und auch Videokünstler jedoch
ist es schwer möglich, ohne geltende Gesetze zu brechen, Musik auf Basis von
Samplings zu erschaffen. Und dieses Problem wird sich noch ausweiten:
Während auf der einen Seite die Verwertungsindustrie schon seit Jahren
darauf drängt, noch strengere Regeln für Samples festschreiben zu lassen,
vor allem um auch diesen Teil der Verwertungskette ausschöpfen zu können,
wird ein umfassendes DRM es auch einfach unmöglich machen, Samples zu
erstellen.

Stefan konnte mir leider nur mit "Ja, dann muß man sich eben eigene Musik
schaffen", antworten. Eine Aussage, die ich für sehr gefährlich, weil
hochelitär halte. Nur noch auf Freie Musik zurückgreifen zu können, um
eigene Musik zu erschaffen, das grenzt die Möglichkeiten Freier Kunst massiv
ein, macht sie auf eine andere Weise extrem unfrei.
Was also ist die Lösung? In den Untergrund gehen, um die bestehenden Regeln
zu umgehen? So wie DJ Danger Mouse nur noch die Musik nur noch über P2P
verteilen? Vor allem: was, wenn P2P sich durch DRM bekämpfen lässt? Nein,
das grenzt an ein zwei-klassen-System und hat nichts mit der geplanten
Vermischung von Freier und Kommerzieller Kultur zu tun.
Die Lösung muss tatsächlich heißen, das bestehende Recht zu reformieren.
Eine Kulturflatrate wäre hier teilweise die Lösung, immerhin müßte niemand
mehr für seine Kunst bestraft werden. Aber auch eine Neuregelung des
Zitatrechtes wäre nötig, ein Paragraph der darauf angelegt ist, Werke ab
einer bestimmten Eigenschöpfungshöhe als eigenständig anzuerkennen. Aber
dafür wären dann andere zuständig.

Quelle:
http://www.julian-finn.de/blog/index.php?/archives/190-Die-Grenzen-Freier-Kultur.html#extended

------- End of Forwarded Message




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