Re: [ox] Freiwirtschaft (war: interessantes Interwiev)
- From: Joost Klüßendorf <kluessej gmx.de>
- Date: Sun, 06 Jun 2004 20:57:20 +0200
Franz Nahrada wrote:
> Was einige hier in der Liste die sich Kapitalismuskritiker nennen
> bewegt ist die schlichte Frage, warum dieses Verhalten "Akkumulation"
> überhaupt rational ist.
Als ich diesen Satz zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich mir "die
Frage nach dem 'Warum' ist doch total egal, Menschen akkumulieren, das
muss man als Tatsache hinnehmen".
Beim zweiten und dritten Mal, habe ich den Sinn dieser Frage langsam
verstanden. Die Frage "Warum wollen Menschen Reichtum ansammeln" muss
übersetzt werden in "Wie kann eine Gesellschaft aussehen, in der es
nicht mehr sinnvoll ist, Reichtum anzusammeln". Etwas konkreter
übersetzt sich das in die Fragen "ist Freiwirtschaft eine Gesellschaft,
in der es nicht mehr sinnvoll ist, Reichtum anzusammeln" und (um den
Bezug zur Liste zu behalten) "ist die GPL-gesellschaft eine
Gesellschaft, in der es nicht mehr sinnvoll ist, Reichtum anzusammeln".
Ich probiere mal diese Überlegungen durchzuexerzieren. Warum ist es in
der heutigen Gesellschaft sinnvoll, Reichtum anzusammeln ? (Mehr als
zwei Punkte fallen mir zur Zeit nicht ein, auf Ergänzungen wäre ich
durchaus gespannt):
1. Reichtum verschafft die Sicherheit, notwendige und angenehme Dinge
des Lebens erwerben zu können und das sowohl jetzt auch auch in der
Zukunft, er kann Angst vor einer ungewissen Zukunft verringern.
2. Reichtum verschafft die Möglichkeit, sich Luxus leisten zu können.
Wie sieht es jetzt mit der Freiwirtschaft aus ?
ad 1:
Wie im heutigen Kapitalismus hängt das eigene Überleben davon ab, dass
du dich in den Besitz von Waren bringst, die du gegen notwendige und
angenehme Dinge tauschen kannst. Sollte es gelingen, Reichtum
anzusammeln, ist die eigene Lebenserhaltung gesichert.
ad 2:
Wie im heutigen Kapitalismus hängt der Luxus, den man sich leisten kann,
davon ab, wie viele Waren man in seinen Besitz bringen und vertauschen
kann. Freigeld reduziert den Anreiz, Luxus zu erwerben überhaupt nicht.
Für diese beiden Punkte scheint es mir eindeutig zu sein, dass auch in
einer Freiwirtschaft der Anreiz besteht, Reichtum zu akkumulieren. Nur
falls es gelingt, die Ansammlung von privatem Reichtum zu unterbinden
(Volkseigener Grund und Boden, Verbot von privaten Goldbesitz?) ist
dieser Punkt außer Kraft gesetzt. Aber das Ansammeln von Reichtum zu
verbieten ist m.E. nicht möglich.
> Warum muß man überhaupt Reichtum akkumulieren, und zwar
> nicht bloß den Reichtum den man selbst bewohnt und besitzt,
> sondern den Reichtum in einer ganz anderen Form, nämlich als abstrakte
> Quantität von etwas, das es einem erlaubt, auf den Reichtum anderer
> (der ganzen Welt?) in einem Austauschprozeß zuzugreifen?
Ich würde keine so starke Trennung zwischen "Reichtum, den man selbst
besitzt" und "Reichtum als abstrakte Quantität" machen. Abstrakten
Reichtum (=Geld) kann man nämlich sehr leicht umwandeln in Reichtum, den
man mit dem eigenen Hintern besitzt.
> Zunächst nur soviel: alle Deine Beispiele Unterstellen die Realität
> von etwas, was wir "Wert" nennen, und das als Quantität einer
> "allgemeinverbindlichen Ware" ausgedrückt sein will. Doch was ist der
> Wert?
Irgendwie schaffen es viele Gesellschaften, die Frage was wie viel Wert
ist, verbindlich zu klären (ob die Währung nun "Kamele", "Dollars" oder
"Reputation" heißt). Insofern weiß ich nicht, ob die Frage, "was Wert
ist" weiterhilft.
Joost
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