[ox] André Gorz über Oekonux
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Mon, 26 Apr 2004 21:26:15 +0200
Hi Listige,
seit einiger Zeit habe ich einen sehr intensiven Mailwechsel mit André
Gorz. Hier in der Liste wurde vor einiger Zeit mal ein Interview der WOZ
mit ihm gepostet: http://www.woz.ch/wozhomepage/26j03/gorz26j03.html
Vgl. auch im CoForum: http://coforum.de/index.php4?Andr%E9_Gorz
Ich habe ihn nun gefragt, ob er ein "Geleitwort" zur Oekonux-Konferenz
schreiben würde - was er auch getan hat! Darüber bin ich sehr erfreut,
und ich würde vorschlagen, es auf die Konferenzseite zu setzen. Oder auf
die Oekonux-Seite, da es nicht konferenzspezifisch ist.
Ciao,
Stefan
+++
André Gorz
Jenseits von Arbeit, Ware und Wert
An der Ausrichtung und Aktivität eures Kreises begeistert mich ganz
besonders, dass es keinen Unterschied gibt zwischen eurem Ziel und eurer
Praxis. Die gesellschaftlichen Beziehungen, die ihr miteinander pflegt,
scheinen frei zu sein von den vorherrschenden Formen von Machtwillen,
Besserwisserei, Eitelkeit. Mit einigen von euch habe ich die Erfahrung
gemacht, dass die Freude und Lust zum Geben und Annehmen ansteckend und
befreiend wirken. Ihr seid die Gruppierung, der zuzugehören ich wirklich
Lust hätte. Leider bin ich ein alter klapperiger Mann, der sich nur aus
der Ferne für euer Unterfangen begeistern kann.
Dieses Unterfangen hat in meinen Augen folgende Bedeutung: Leute, deren
Kompetenzen das Kapital absolut braucht, erbringen auf höchstem
technischen Niveau den Beweis, dass die für die Produktion von Wissen
adäquateste und effektivste Produktionsweise den kapitalistischen
Produktionsverhältnissen in allen Punkten widerspricht. Sie zeigt die
praktischen Vorteile gesellschaftlicher Verhältnisse jenseits von Arbeit,
Ware und Wert; die praktisch erfahrbare Möglichkeit derartiger
Verhältnisse; die unerträgliche Beschränkung, die der Verwertungszwang
der Entfaltung des menschlichen Potentials aufzwingt; und schliesslich
die Möglichkeit, die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse auf einem
für den Kapitalismus strategisch wichtigen Gebiet zu stören und zu
destabilisieren.
Die Frage stellt sich hier ganz konkret: Wie lassen sich die Prinzipien
einer freien Produktionsweise praktisch auf andere oder gar sämtliche
gesellschaftlichen Tätigkeitsbereiche ausdehnen? In einer Zeit grösster
Krisenanfälligkeit ist die Frage von besonderer Bedeutung. Die Keime
einer Antwort könnten in "argentinischen" Umständen in relativ kurzer
Zeit Wurzeln schlagen.
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