Re: [ox] Fragen der Frankfurter Rundschau an Oekonux
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Tue, 18 Nov 2003 00:21:15 +0100
Hi Liste!
Es hat mich doch zu sehr in den Fingern gejuckt ;-) . Auch wieder
alles stichwortartig. Ich bin auch leider noch nicht dazu gekommen,
den anschwellenden Thread zu lesen.
Today Stefan Merten wrote:
FRAGEN: Wohin führt der Erfolg?
1. Führt er zur Integration in die Marktwirtschaft, wird Freie
Software kommerzialisiert?
* Differenzierung: Kommerziell
- Freie Software wird als Bestandteil kommerzieller Geschäftsmodelle
eingesetzt
-- Services bzgl. Basis Freier Software
-- Vertrieb Freier Software
-- Freie Software als technische Basis
... IBM setzt auf GNU/Linux
... Mac OS X setzt auf BSD auf
- Freie Software wird im Auftrag entwickelt
* Zur Kommerzialisierung im ersten Sinne
- In diesem Sinne ist Freie Software ein kostenloses öffentliches
Gut, das im Überfluss zur Verfügung steht
- Das schadet Freier Software nicht
- Aber: Es werden viele Menschen mit den Prinzipien Freier Software
bekannt gemacht
- Und diese Prinzipien genießen viel Sympathie - auch wenn sie
zunächst unglaublich klingen
* Zur Kommerzialisierung im zweiten Sinne
- Einfach Freie Software vs. Doppelt Freie Software
-- "Doppelt Freie Software" müsste erklärt werden
- [siehe dazu meine älteren Antworten]
* Weitere Kommerzialisierung gibt es nicht
- Freie Software wird durch Lizenzen geschützt
* Sparen die auf Gewinne zielenden Firmen wie IBM oder Sun
Entwicklungskosten, indem sie die Leistungen von
Freie-Software-Entwicklern verwenden?
* Überwiegend dürfte Freie Software als kostenloses öffentliches Gut
verwendet werden
- Freie Software ist meist "Common Of The Shelf" Software
- Diese würde nicht selbst von den Firmen entwickelt
* Sun und IBM haben eigene Unixe (Solaris bzw. AIX)
- Deren Entwicklung wird zunehmend runter gefahren (vor allem AIX)
und/oder GNU/Linux-kompatibel gemacht
* Weitere Kosteneinsparungen im Total Cost of Ownership sind
mittlerweile oft nachgewiesen
- Diese liegen an der Qualität Freier Software
* Alle sparen beim Einsatz Freier Software
* Scharf formuliert: Hilft die Freie-Software-Gemeinde dem
Kapitalismus?
* Ja, sie gibt Hilfe zum Selbstmord ;-)
- Freie Software untergräbt die Wertschöpfung
- Damit untergräbt sie die Basis des Kapitalismus
- Diese Entwicklung gibt es in anderer Form durch die
Automatisierung
- Betriebswirtschaftlich ist jedes kostenlose öffentliche Gut
ungeheuer erwünscht
* Oder zumindest dem Teil der IT-Branche und Anwender, der sich vom
Microsoft-Monopol verabschieden möchte?
* Denen ganz bestimmt
* Besteht die Gefahr, dass wenn die Wirtschaft die
Entwicklungsziele setzt, die "Kultur" der Freie Software kaputt
geht?
* Grundsätzlich besteht die Gefahr, jedoch
- ist die Freie-Software-Community heute eine nicht mehr zu
ignorierende Größe
-- Dies haben Firmen schon erlebt (Corel)
-- Mittlerweile gibt es auch schon Formen von Lobbyismus (FSFE,
Software-Patente)
- würde die Wirtschaft die Kuh schlachten, die sie melken möchte
-- IBM hat das bei ihrem Einstieg explizit klar gemacht; und sie
halten sich auch dran
-- Firmen haben Leute für die Linux-Kernel-Entwicklung abgestellt,
damit der Kernel ihre Hardware unterstützt
-- Viele Firmen haben verstanden, dass Freie Software *nur so*
funktioniert
2. Oder kann die Art und Weise, wie Freie Software entsteht, einen Weg in
eine neue Ökonomie weisen?
* Diese Frage ist ein wesentlicher Gegenstand des Oekonux-Projekts
- [Hier den Werbe-Banner unterbringen ;-) , 3. Konferenz nicht
vergessen]
* [Begriff Keimform]
* [Aus der Kladde]
* Helfen IBM und Co, auch wenn sie es nicht wollen, dabei sogar?
* Firmen wollen i.d.R. nicht, sondern verfolgen Geschäftsinteressen
- Förderung Freier Software dient den Geschäftsinteressen der
meisten Firmen
- Nur Firmen, die proprietäre Software entwickeln, haben tendenziell
ein Problem
* Ist Kommerzialisierung von Linux "gut"?
* [siehe dazu meine älteren Antworten]
* Wie könnte der Weg zu einer alternativen Ökonomie aussehen?
* Das ist im Detail nicht seriös vorher zu sagen
* Schlüssel sind
- Selbstentfaltung der ProduzentInnen als zentrale Produktivkraft
- Tauschfreiheit durch Überwindung der Knappheit (vulgo: künstliche
Knappheit)
- Globale Kooperation
* Welche Rolle spielt das Internet dabei?
* Eine zentrale
- Internet ist *die* Fernkopiereinrichtung für digitale Daten
- Digitale Kopie ist die wichtigste technische Vorbedingung Freier
Software
- Internet ermöglicht globale Community-Bildung auch zu den
abgedrehtesten Themen
- Bietet gleichzeitig eine nie gekannte Öffentlichkeit
- Bietet die technische Möglichkeit, dass viele sich konkret in alle
möglichen Prozesse einbringen
Dazu genauer:
A. Software ist zwar extrem wichtig für die Wirtschaft, aber sie ist
nicht alles. Auf welchen Gebieten lassen sich
Freie-Software-Prinzipien noch anwenden?
* Für eine Entwicklung über den Kapitalismus hinaus muss das nicht die
zentrale Frage sein
- Die industrielle Produktionsweise ließ sich nicht (sofort) auf die
agrarische Arbeit anwenden und hat dennoch in der bürgerlichen
Revolution die Gesellschaft zunehmend bestimmt
- Ähnlich kann es bei der Produktion von Informationen sein, so dass
die Industriegesellschaft nach und nach in eine
Informationsgesellschaft umgeformt wird, die nach anderen
Prinzipien funktioniert
- Diese Prinzipien sind keimförmig in Freier Software zu sehen
* Gibt es Beispiele dafür, die über freie Musik, Texte und ähnliche
"immaterielle" Produkte hinausgehen?
* [siehe dazu meine älteren Antworten]
* Wie stehen die Chancen für "Hardware" vom Auto bis zum Joghurt?
- [siehe oben]
B. Wenn es einen solchen Weg in eine andere Ökonomie gibt, wie kann
man sich den vorstellen?
* Gesellschaftliche Umbrüche solcher Dimension sind in ihrer
Verlaufsform nicht vorhersagbar
- Der Endzustand kann da sogar besser vorhergesagt werden, wenn die
Prinzipien richtig erkannt wurden
- Es ist aber zu vermuten, dass Arbeit als Basiskategorie des
Kapitalismus immer weiter verfällt
- Der Kapitalismus hat schon heute kein Versprechen auf eine bessere
Zukunft mehr
- Die neue Produktionsweise, wie sie in Freier Software keimförmig
aufscheint, hat dagegen Realität und Attraktivität
- Problem: Der Spagat zwischen alter, geldbasierter Ökonomie und
neuer, geldloser
* Geht das quasi von selbst, weil die Industriegesellschaft sich
zur Informationsgesellschaft wandelt, oder muss der Weg
"organisiert" werden?
* Die Produktivkraftentwicklung scheint zu helfen
- Freie Software sprengt bereits die Produktionsverhältnisse
* Andererseits ist dies ein politischer Prozess
- Dieser muss immer auch organisiert werden
* Sind Projekte wie Oekonux mehr als ein Experimentierfeld oder
eine Spielwiese für eine privilegierte Minderheit von Experten?
* Projekt Oekonux scheint mir ein offener Think-Tank
- Bislang analysiert Oekonux in erster Linie die Entwicklung
- Die Ergebnisse der Analyse sind aber für viele interessant und
weisen in eine neue Richtung gesellschaftlicher Entwicklung
C. Wie können mehr Menschen zum Mitmachen gewonnen werden?
* [siehe meine älteren Antworten]
* Was kann der Einzelne tun?
* [siehe Kladde]
* Wo liegen die größten Hürden für eine andere Wirtschaft, beim
Markt, der Politik, den Leuten?
* [siehe meine älteren Antworten]
* Es hat den Anschein, dass es eine Art Rollback gibt: Kampf gegen
Musiktauschbörsen im Internet, Versuch, Softwarepatente in der EU
einzuführen, Vorwürfe von SCO gegen Open Source. Wie ernst ist
das für die Oekonux-Perspektive zu nehmen?
* Dies sind die ersten Versuche des Ancien Regime, den Geist wieder in
die Flasche zu stopfen
- Meine Meinung: Sie werden keinen dauerhaften Erfolg damit haben
- Wichtig: Musik"tausch"börsen unterscheiden sich von Freier
Software wesentlich
Mit Freien Grüßen
Stefan
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de