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Re: [ox] Selbstentfaltung ohne Vereinnahmung - Beispiel



Hi ThomasUG und Liste!

Last month (50 days ago) Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
On Sonntag 14 September 2003 22:50, Stefan Merten wrote:
3 weeks (26 days) ago Sven Reumann wrote:
Stefan Merten schrieb:
Obwohl euch die [Fabber] bei eurer alterschwachen Mühle -
ähm: LKW - vermutlich sogar gute Dienste leisten könnten:

Das ist eben der Unterschied zur  Freien Software [...]
Im Bereich der materiellen Produktion ist es eben ungleich
schwieriger, auch nur anzufangen.

Eben. Warum kann die Quintessenz nicht heißen, es dann eben
erstmal auf diesem Gebiet zu lassen, anstatt sich in endloser
Wurschtelei durch zu beißen?

Ich wollte erst antworten, daß auch die Entwicklung freier
Software klein angefangen hat usw., und daß solche "Gebt doch
gleich auf"-Polemik daher fehl am Platz sei.

Nun, ich denke, wer sich ernsthaft um eine emanzipatorische Zukunft
Gedanken macht, der sollte auch zumindest versuchen effektiv und
effizient zu handeln. Es ist ja nicht so, dass die Ressourcen da so
reichlich sprudeln würden und die anderen es schon richten würden.
Beim heutigen Zustand des Kapitalismus tut Eile auch so langsam mal
Not...

Will ich aber in diesem Sinne handeln, dann muss ich mir eben
überlegen - und dazu gehört eben auch und sogar wesentlich
Theoriebildung - wo ich sinnvollerweise anfange. Und das kann eben
dazu führen, dass die kuschelige Ecke, die ich mir gebaut habe, zwar
nett kuschelig ist, aber im Lichte der Theorie nicht zu einem
emanzipatorischen Ziel hinreicht.

Dann gibt es m.E. vier Möglichkeiten:

* Die kuschelige Ecke belassen und die Theorie ignorieren - das wäre
  dumm

* Die kuschelige Ecke belassen und den emanzipatorischen Anspruch
  aufgeben - das wäre konsequent und ehrlich aber persönlich hart

* Die kuschelige Ecke verlassen und die eigene Handlungsweise an der
  Theorie ausrichten - das wäre konsequent aber persönlich noch härter

* Die Theorie dahingehend korrigieren, dass die kuschelige Ecke drin
  vorkommt - das wäre (für alle) die beste Möglichkeit wenn es denn
  geht

Für letzteres würde ich mir dringend Argumente wünschen, die sich
wirklich auch auf das Oekonux-Theoriegebäude beziehen - speziell die
Keimformabteilung. Z.B.

	http://www.oekonux.de/einfuehrung/kladde/default_15.html
	http://www.oekonux.de/einfuehrung/kladde/default_16.html

Der Vergleich zwischen Freier Software und SSM hinkt insofern, dass
die SSM nun wirklich schon wohl seit den 70ern existiert. Sie ist also
älter als der Begriff der Freien Software, konnte aber bislang bei
weitem nicht diese Wirkung erzielen. M.E. ein deutlicher Hinweis
darauf, dass es sich um ein - sicher kuscheliges - Nischenprojekt ohne
nennenswerten Keimformanteil handelt.

Davon abgesehen steht die SSM nicht unerheblich in einer langen
Tradition solcher Projekte. Ich komme selbst aus dem
Projektanarchismus und wir haben uns diese Dinge früher genau
angeschaut. Heute würde ich sagen: Vor allem der Aspekte "An der
Spitze der Produktivkraftentwicklung" fehlt da einfach. Aber dieser
Aspekt ist eminent wichtig, weil nur der es schaffen kann, den
Kapitalismus auf seinem eigenen Terrain zu schlagen.

Dann ist mir aber aufgefallen, daß der LKW, bzw. der
Möbelschleppdienst nicht der eigentliche Inhalt der SSM sein
kann (s.u.), sondern eher solche Dinge wie die
selbstgetischlerten Fenster, die Doktorarbeit usw. Der LKW
stellt eher das Mittel dar, das in einer kapitalistischen
Umgebung das Überleben sichert. In der freien Software ist das
Phänomen ja ebenfalls anzutreffen, daß die meisten Entwickler
tagsüber irgendwo schrubben gehen müssen, um sich dann in ihrer
"Freizeit" sinnvollen Aufgaben widmen zu können.

Von daher ist es schade, daß in dem Artikel über die SSM die
eigentlichen Inhalte nur sehr kurz angerissen wurden. Aufgrund
der Kürze ist eine Beurteilung dessen, ob es sich dabei um etwas
Zukunftsweisendes handelt oder zumindest Potential dazu besteht,
IMHO kaum möglich.

Die Dienste mit dem LKW scheinen mir jedoch eine Form von
Lohnarbeit zu sein, eine Art "Ich-AG", nur mit mehreren
Teilnehmern. Vielleicht gibt es sogar eine Art Gruppenzwang; das
wäre dann besonders selbstausbeuterisch.

Dann solltest du dir das Projekt wirklich mal näher anschauen. Der LKW
*ist* ein zentraler Bestandteil von SSM. Der Artikel war nach allem,
was ich seit Jahren über die und aus der SSM höre, sehr treffend.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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