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Re: nochmal Gebrauchswert | war: [ox] Werthaltigkeit von Informationsg...



casimir purzelbaum writes:
Wie schonmal angedeutet, wurde mit "Wert" (!) einer Sache früher u.a.
ausgedrückt, daß sie für einen bestimmten Gebrauch geeignet sei. Der
Begriff, der also früher dem Wort Wert innewohnte, hängt heute am Wort
Gebrauchswert. 

sagen wir mal, in einer ganz engen Szene ;-)
Die meisten leute unterscheiden auch heutzutage überhaupt nicht
begriffflich
zwischen Wert und Gebrauchswert !!!!!!!
"Wäre interesseloses Denken überhaupt ihr Interesse....."(seufz!)

Ob ein Ding *nützlich* ist, sagt nichts über seine
Eignung zu einem *bestimmten Gebrauch* aus. Nützlichkeit ist also ein
wesentlich abstrakterer Begriff als Gebrauchswert. (Ich würde sogar
noch weiter gehen und behaupten, daß der Gebrauchswert einer Sache die
Eignung für den *vorgesehenen* Gebrauch beschreibt... -- ein
Kriterium, was für seine Nützlichkeit völlig irrelevant ist.?)

Das würd ich mit einem allgemein bekannten Argument von Meister Marx
vehement und klar bestreiten:

"Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert. Aber diese
Nützlichkeit schwebt nicht in der Luft. Durch die Eigenschaften des
Warenkörpers bedingt, existiert sie nicht ohne denselben."
http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_049.htm#Kap_1_1

ein Argument, das übrigens brisante theoretische Folgen hat. Mir leuchtet
es völlig ein. Widerspricht nicht der Idee die Du hast. Die hat was für
sich, siehe unten.


Historisch und logisch gesehen ist also nicht "der Gebrauchswert der
Schatten des Werts", sondern vielmehr ist der "Wert" (im heutigen
Verständnis) der Schatten des Gebrauchswerts?! 

Wie kommst Du da drauf?

Daß dieser Schatten
sich derart in den Vordergrund gedrängt hat, daß er nun den GW selbst
in den Schatten stellt, charakterisiert aber nur die kapitalistische
Gesellschaft. Somit gilt folgendes nur für den beschränkten
kapitalistischen Begriff vom Gebrauchswert:

Richtig ist vielmehr:
Der GW-Begriff beweist durch seine Inhaltsleere, daß es der
warenprooduzierenden Gesellschaft auf den spezifisch nützlichen
Charakter
der Ware nicht besonders ankommt. [...]
Der GW-Begriff zeigt an sich selbst daß gesellschaftliche Produktion
keinen bestimmten, vernünftigen Zweck realisiert sondern eben den Zweck
Wert. Der "GW" ist so der "Schatten" des Werts. 

Daraus, daß es einen spezifisch kapitalistischen Gebrauchswert-Begriff
gibt, kann man aber nicht ableiten, daß "Gebrauchswert" selbst ein
spezifisch kapitalistischer Begriff sei.

Ach, das ist einerseits mein Argument gegen Stefan Meretz gewesen!!!!
Andererseits hat Stefan Meretz eben in gewisser Hinsicht recht,
ebensoio wie Du in gewisser Hinsicht recht hast,
und ich wollte gerade explizieren warum.

Also nochmal.

Der Gebrauchswertbegriff selbst ist sicher nicht "kapitalistisch"
(das wär ja dösköppig!), andererseits ist die Subsumtion von Gegenständen
unter den ABSTRAKTEN Nützlichkeitsgesichtspunkt sowas wie die
Generalkundabe: das ist für die Ökonomie nicht der Witz. Ökonomie
im kapitalistischen Sinn hat es eben nicht mit Qualitäten zu tun,
oder nur sehr bedingt (der Gebrauchswert tritt manchmal formbestimmend 
auf, kommt also öfters mal im "Kapital" vor, aber eben nicht als 
bestimmende, elementare Qualität. Deswegen kommt er als relativ
zügig zu verlassende bloße Bedingung des Wertbegriffs vor. DAS aber
ist selbst schon eine Bestimmung des Wertbegriffs selber, daß er sich
um die Natur des Gebrauchswertes nicht schert!!!

Das genaue Verhältnis von Gebrauchswert und Nützlichkeit hat Marx in obigem
Satz expliziertt. Der falsifiziert Bibliotheken von ökonomischem
Schwachsinn,
von Grenznutzen- bis Haushaltsstheorie. Einen Begriff der Nützlichkeit hat
er 
nicht geliefert, da hast Du recht.


Er ist eben für sich gar nicht anders bestimmbar als durch
             ^^^^^^^^^^
abstrakte Nützlichkeit - für wen und für was auch immer, Hauptsache
der Kunde zahlt. 

*"Für sich"* ist der Gebrauchswert -- der Name deutet es an -- gar
nicht anders bestimmbar als durch die konkrete Brauchbarkeit eines
Dingses. *Für die Verwertung* hingegen ist allein dessen abstrakte
"Nützlichkeit" entscheidend. (Da erscheint der GW auf einmal nur noch
als Schatten seines Schattens.)

JA! jetzt hast Du es aber sehr schön selber auf den Punkt gebracht!


[...]  Dabei ist allerdings gerade die GPL Klausel
die jede spezifische Nutzungsbeschränkung ausschließt (kann auch in
Atomkraftwerken eingesetzt werden etc.) sowas wie eine
Universalisierung, Radikalisierung des GW-Standpunktes und noch
nicht seine Überwindung. 

Die Beschränktheit des GW-Standpunktes *im allgemeinen* habe ich noch
nicht verstanden.  (Ist vielleicht deutlich geworden ;-) Kannst Du das
nochmal erläutern?

Soll (in allerkürzester Form ausgedrückt:) heißen, die GPL gibt nicht an,
wie eine vernünftige Gesellschaft ausssieht. Punkt. 

(Ist auch nicht ihre Aufgabe; aber es ist falsch, diese Aufgabe deswegen
für müßig zu eklären)


[?] Damit wird auch die Unterscheidung von der *zufälligen*
	Nützlichkeit von Dingen, bspw. von Gegenständen aus der Natur
	usw., klarer.  (Während sich "Nützlichkeit" allgemein die
	Beziehung des Menschen zur Umgebung ausdrückt, ist "Gebrauchswert"
	in erster Linie sozusagen eine Kategorie der "materiellen
	Kommunikation" der Menschen.)

stimmt auch. steht aber auch wunderschön bei Marx: der Gebrauchswert
verwirklicht sich im Akt zwischen Mensch und Natur, hier liegt eine
begriffliche Differenzierung zur sozialen Kategorie "nützlich" vor. Das
könnte man schön weiteranalysieren, gebongt. mag ich aber hier nicht
ausführen. Möchte lieber das Gebrauchswertthema zu Ende führen.


Im Prinzip scheinen wir überhaupt keine Differenz zu haben. Die Geschichte
verweist nur darauf, daß Marx sich selber nicht so genau gelesen hat ;-)
"Der Gebrauchswert" ist ebenso inhaltsleer wie die GPL.  Macht gar nichts,
das ist eben so bei überhistorischen Begriffen. und wenn so ein Begriff
eine Realabstraktion ist, verrät das einiges über die Gesellschaft. Ein
wenig mehr halt als die MG loco citato meinte!!!!  Ich find das aber auch
nicht wahnsinnig schlimm und "ontologisch", wie die gegenüberliegende
"Anti-Aufklärungs" Tendenz beim Krisis Argument geht, die sich tendenziell
dagegen wendet den Begriff positiv aufzugreifen (obwohl dieser Krisis
Artikel noch nicht erschienen ist, aber irgendwo müssen sie ja
weitermachen beim Schlachten der heiligen Kühe) - weil wenn mans weiß,
verfällt man grad nicht in die Versuchung, da wahnsinnig viel
hineinzugeheimnissen. 

Denn wenn man den Begriff "Gebrauchswert" mal "ontologisch" anschaut,
kommen die Differenzierungen ohnehin wieder raus. Einerseits gibt er für
sich eben nicht viel her außer daß es mal eine Gesellschaft gab, in der
war er Elementarkategorie und die hielt sich sehr viel drauf zugute, was
aber eigentlich Selbstbetrug war. Und den Selbstbetrug hat Marx glänzend
entlarvt. Ich finde es nicht mal falsch sondern goldrichtig, zu sagen, daß
es einen Widerspruch von Gebrauchswert und Wert gibt. Aber man muß sich
klar sein, was damit gemeint ist!!!!! Einerseits werden die Dinge
produziert damit sie konsumiert werden, andererseits, damit sie verkauft
werden. DAS IST DER WIDERSPRUCH, DER SICH IN DER KRISE ZEIGT: Mal werden
Dinge unverkäuflich und verrotten, ein andermal wird gleich gar nicht
produziert. Und so weiter. Unsere Zeit wird immer erfinderischer und
verläßt sich nicht mal ein iota mehr auf "natürliche" Seiten des
Gebrauchswertes. Das genfood etc. ist die Verfolgung des Ideals totale
Subsumtion des GW unter den Wert. Da wird zum beispiel die natürliche
Reproduktionsfähigkeit richtiggehend rausgeschnitten. Oder Windows XP: der
Benutzer soll jederzeit als weiterer Nachfrager zur Verfügung stehen, GW
ist Abhängigkeit, die als permanente Fürsorge verkauft wird, real aber der
reinen Diebstahl von Lebenszeit istt. JA, das treibt wirklich Blüten, aber
da sieht man daß der prozessierende Widerspruch GW-Wert tatsächlich der
Begriff unserer Gesellschaft ist. Der Begriff des Gebrauchswerts ist eben,
daß er sich nicht wehren kann gegen den Wert....Dennoch hat mir Stefan
Meretz Entschluß, den GW-Begriff total abzukoppeln, überhaupt nicht
gefallen. Das ist wie wenn sich Theorie beleidigt von der Realität
abwendet, die ihr Gegenstand ist. Das es kein System der Arbeiten und
Bedürfnisse gibt, sondern totales Chaos und geistiges Tierreich, ist doch
ein schlagender Einwand gegen die kapitalistische Gesellschaft. (Leute die
unbedingt ein System sehen wollen, weil der Laden noch läuft, haben
übrigens grad in chox von Mausebär die richtige Antwort bekommen.)

Franz

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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