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Re: [ox] Selbstentfaltung ohne Vereinnahmung - Beispiel



Hi Frieder, Liste!

Zunächst kurz ein Zitat von Benni und Uli:

3 weeks (26 days) ago Uli Frank wrote:
Benni Baermann schrieb:

... <http://www.opentheory.org/keimformen/>

Was Stefan angeht: Du vergißt wieder mal die Dämmebauer.

Allerdings: Heinz versteht sich selber ja als Schiffebauer

Das war exakt mein Punkt. Als Dammbauprojekt ist die SSM super. Als
Schiffbauprojekt m.E. eine Sackgasse.

3 weeks (26 days) ago f hirsch wrote:
ich konnte nicht andersm, als einige - vielleicht- polemische- Anmerkungen zu
Deiner Replik zu machen ....

Danke. Habe ich das richtig verstanden, dass du bei der SSM bist? Das
wäre ja gut, da wir dann direkte Erfahrungswerte haben.

Am Mo August 18 03 22:17 schrieb Stefan Merten:
Hi Heinz und Liste!

Eigentlich hatte ich den Thread schon abgelegt, aber irgendwie hat
mich das nicht los gelassen.

Tatsächlich, warum?

Na, wenn das in meiner Mail nicht klar geworden ist, warum mich das
umtreibt ;-) .

3 weeks (24 days) ago Heinz Weinhausen wrote:
Computergesteuerte Maschinen haben wir noch nicht angedacht.

Obwohl euch die bei eurer alterschwachen Mühle - ähm: LKW - vermutlich
sogar gute Dienste leisten könnten: Mit entsprechenden Messmaschinen
könntet ihr die defekten Bauteile vermessen um sie dann mit geeigneten
Fabbern neu herstellen zu lassen. Das Ende des Flickwerks...

Sorry, aber dieses Statement erinnert mich an einen unbestätigten/
kolprtierten Spruch aus der französischen Revolution angesichts des
protestierenden "Pöbels": Was, die wollen Brot? Sollen sie doch Kuchen essen!

Nur wenn du aus der Perspektive des Heute schaust und dieses Heute
verabsolutierst. Mein Hinweis bezog sich aber auf eine Perspektive -
auf das Schiffe bauen eben. Und wenn ich als Schiffbauer antrete, dann
muss ich überlegen, was ein Schiff braucht. Und hier bin ich nach wie
vor sehr skeptisch, ob Flickwerk zu einem Schiff führt. Will sagen:
Dass das alles in der SSM geschieht ist ja nett, aber es ist keine
Perspektive für eine andere Gesellschaft *auf der Höhe der
Produktivkraftentwicklung* - oder was übersehe ich?

Knackpunkt bei uns ist, dass wir die Technik insofern beherrschen, dass
wir lernen, einfache bis mittlere Störungen selbst zu beheben,

Das ist mein Problem mit Projekten wie der SSM: Es findet auf
handwerklichem Niveau statt. Da können einfache bis mittlere Störungen
gerade noch behoben werden. Und da es alles in Subsistenz geschehen
muss - äußere Mittel stehen ja nicht zur Verfügung - reduziert sich
das auch noch auf das Wissen, das gerade zufällig ins Projekt gespült
wurde, oder ohne besondere Ausbildung autodidaktisch zu erwerben ist.
Auf diesem Niveau ist die komplexe Technik, die heute Standard ist, -
wie ihr selbst feststellt - nicht zu beherrschen geschweige denn
weiter zu entwickeln.

Aber es ist ein Schritt auf diesem Weg.

Kannst du mal erklären, wo genau der Schritt ist? Es ist wohl
unstrittig, dass es sich um einen Schritt raus aus der
Verwertungslogik handelt. Aber dass dieser Schritt perspektivisch
verallgemeinerbar ist, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Top - Down betrachtet natürlich
"unzureichend"??.

Um das zu unterstreichen, was ich vorher geschrieben hatte: Eine neue
Gesellschaftsformation auf der Höhe der Produktivkraftentwicklung
*muss* wesentlich auch auf Hi-Tech beruhen. Alles andere wäre ein
zivilisatorischer Rückschritt den keine wirklich wollen kann - davon
abgesehen, dass es schrecklich unattraktiv ist. Wie, so wäre die Frage
an die SSM, könnt ihr euch vorstellen, euren Ansatz so zu erweitern,
dass dabei Hi-Tech rauskommt? Ich behaupte, dass in dem theoretischen
Rahmen, in dem ihr euch bewegt, das überhaupt nicht geht.

Erzähl das mal z.B. Leuten in anderen marginalisierten
Regionen der Welt!

???

Die SSM als Vorbildprojekt für die marginalisierten Regionen der Welt?
Ist das ernsthaft euer Anliegen? Dann solltet ihr den LKW aber
schleunigst abschaffen und zu Eselskarren übergehen.

Da liegt m.E. ein tieferer Grund dafür, dass ein Projekt wie die SSM
keine Überwindungsperspektive haben kann (was ich vor vor Oekonux
übrigens auch mal geglaubt hatte).

Es ist aber immer gut zu hören, dass Menschen versuchen ihr Leben selbst in
die Hand zu nehmen.

Was übrigens auch jede UnternehmerIn tut. Das vergessen die Linken
gerne.

Wenn Oekonux kein elitäres Projekt ist / sein soll, dann
wäre es gut davon auszugehen, dass die kapitalistische Gesellschaft nicht
durch den " deus ex machina" überwunden und in den "siebten Himmel"
übergeführt wird,

Ich jedenfalls glaube nicht an den "deus ex machina", bin aber dennoch
der Meinung, dass die technologische Grundlage ein wesentliches Moment
gesellschaftlicher Entwicklung(smöglichkeiten) ist. Auf dieser
Grundlage ist mit einem emanzipatorischen Projekt aufzusetzen - und
nicht es als elitär zu verteufeln. Ok, davon hat sich die Linke über
weite Strecken allerdings vollständig entfernt und steckt folgerichtig
nur noch im Moralsumpf.

sondern durch vielfältige reale, bunte, widersprüchliche,
widerständige, soziale und politische Initiativen und Vernetzungen.

Na ja, mit dem Widerstand habe ich es halt nicht so, aber ansonsten
gebe ich dir Recht. Allerdings würde ich Oekonux für realer halten,
als so manches linke Projekt, das ich in der Vergangenheit so erlebt
habe - zahllose gescheiterte Vernetzungsinitiativen allen voran.

Dennoch denke ich, dass die Perspektive stimmen muss, um Leute nicht
in Projekten zu verschleißen, die letztlich nicht viel bringen.

Der andere tiefere Grund ist, dass ihr eben aus der Arbeit als Fron
nicht rauskommt. Legion sind die Schilderungen, wie toll es in der SSM
klappt, das Leiden zu verteilen. Ich kann - Gemeinschaft hin oder her
- an der Verteilung von Leiden nichts Tolles finden - und schon gar
keine Überwindungsperspektive erkennen. Leiden gehört abgeschafft oder
zumindest minimiert - und nicht zelebriert.

Für diese Unterstellung solltest Du konkrete Anhaltspunkte liefern. So ist es
zu abstrakt/pauschal.

Meine Informationen stammen aus einem Vortrag von Heinz, den ich mal
im Rahmen der Kritischen Uni vor Jahren mal nach Kaiserslautern
eingeladen hatte und aus einigen Papers / Flugis der SSM. Auch der
Beitrag, auf den ich mich hier bezog, atmete das aber:

  Last month (52 days ago) Heinz Weinhausen wrote:
  > Rainer erzählt, wie er den ersten LKW der SSM gewartet und vieles
  > repariert hat. Die Voraussetzungen dazu waren bescheiden, als Student
  > damals verfügte er über wenig handwerkliches Wissen. Aber er biss sich
  > rein, las Bücher dazu und konnte Bekannte finden, die weiterhalfen.
  > Damals versuchten wir noch, so gut wie alles selbst zu reparieren. Aber
  > heute findet er, dass der Mittelweg der beste und auch der ökonomisch
  > effektivste ist. Wichtig ist, den ersten Schritt zu tun. Alles andere
  > findet sich dann. Und die Gruppe zeigt ja viel Verständnis, wenn es mal
  > hakt. Auch wenn Sachen richtig schief gehen.

Sorry, das klingt für mich nicht nach lustvollem Tun, sondern nach
Durchbeißen. Vielleicht ist der Text und die sonstige Außendarstellung
einfach inkohärent mit eurem internen Leben?

War es nicht auch das "Leiden" an den Widerwärtikeiten "proprietärer /
kapitalistischer" Softwareproduktion und - Verwertung, die die Freie
Softwarebewegung entstehen ließ? = Reduktion von Leiden durch Kooperation?

Mit der permanenten Peitsche des Untergangs bedroht schafft ihr es
nach eigener Schilderung eben gerade, das Leiden namens Arbeit
halbwegs gleichmäßig zu verteilen und brüstet euch noch damit, jede
Lebensäußerung in Arbeit zu verwandeln. Das soll's sein?

Lieber Stefan Merten, ich nehme an, daß Du keine Ahnung von dieser Lebenswelt
hast.

Nun, wenn ich so eine Passage lese...

  Last month (52 days ago) Heinz Weinhausen wrote:
  > Bei uns gilt alles, was der Gruppe wichtig ist, als Arbeit,
  > nicht nur das Geldverdienen. Also nicht nur die Umzüge, die
  > Haushaltsauflösungen oder der Ladendienst, auch das Betreuen der Kinder
  > ist Arbeit oder wenn jemand den Hof kehrt, Blumen pflanzt oder sich in
  > einer Stadtteilinitiative engagiert. Wir nennen unser Konzept "Neue
  > Arbeit": jede und jeder soll nicht nur Geld verdienen, sondern auch
  > Eigenarbeit machen und sich im Stadtteil oder für neue Projekte
  > engagieren.

...dann finde ich das schon eine Verabsolutierung von Arbeit und auch
von Arbeitszwang: "JedeR *soll* nicht nur Geld verdienen, sondern auch
Eigenarbeit machen und sich im Stadtteil oder für neue Projekte
engagieren" Entweder der Text ist völlig neben eurer Realität oder ihr
verabsolutiert die Arbeit.

Warum schafft ihr nicht aus eurer Selbstentfaltung heraus einen
Überfluss wie es in der Freien Software geschieht? Die Frage ist
durchaus Ernst gemeint und zielt darauf, die Unterschiede zwischen SSM
und Freier Software zu betachten.

Das ist elitärer Unsinn ! Sprachlich und faktisch!

Überfluss schaffen, Knappheit abschaffen, dem Kapitalismus die
fundamentale Grundlage entziehen wie es in der Freien Software
geschieht ist elitärer Unsinn? Na, dann bin ich gern ein elitärer
Unsinniger ;-) .

da wir
uns sonst zu sehr vom Geldmarkt abhängig machen

Ihr macht euch nicht nur nicht vom Geldmarkt abhängig, sondern nehmt
euch auch die Chancen, die Arbeitsteilung bietet. Nur die Teilnahme an
einem arbeitsteiligen Gesamtproduktionsprozess kann heute die
materielle Lebensqualität sichern, hinter die zurück nur harsche
Verzichtsideologie führt. Und wie das - in der vergleichsweise
abgemilderten Variante - aussieht, führen uns unsere Herrn und Damen
PolitikerInnen ja mittlerweile auf täglicher Basis vor.

Die versuchen, sich von Staatsknete unabhängig zu machen, weil die Art und
Weise wie Knete im Sozialhilfebereich "vergeben" (sic!) wird, unwürdig und
tendenziell menschenverachtend ist.

Nun, vielleicht hast du das etwas aus dem Blick verloren, aber manche
Leute bekommen auch noch Geld, indem sie ihre Arbeitskraft verkaufen.
Ich würde sogar sagen die meisten. Und da gibt es nicht nur völlig
menschenunwürdige Möglichkeiten.

Wichtig aber: Durch eure Abnabelung vom Geldsystem habt ihr in der
*heutigen* Situation euch eben noch stark vom allgemeinen Reichtum
abgekoppelt. Mit dem Einsatz Freier Software könntet ihr ohne Geld
immerhin schon mal an dem heute bereits nutzbaren Reichtum der
Keimform teil nehmen, aber in den anderen Bereichen bleibt nur ein
materielles Niveau, dass für die allermeisten Menschen mit noch so
viel gemeinschaftlicher Wärme nicht attraktiv ist. Wäre es anders,
wäre euer Projekt wohl inzwischen viel größer.

und wir stets eher zu
wenig Geld haben (was aus antipolitischer Sicht gut und vorwärtstreibend
ist).

By the way: Was verstehst Du unter antipolitisch?

Das Zitat war von Heinz. Ich nehme an, dass er den Kurz'schen Begriff
gemeint hat.

Für mich bedeutet antipolitisch heute, dass das Projekt nicht im Kern
politisch ist. Die SSM ist das - Freie Software nicht. Das Politische
an Freier Software analysieren z.B. wir von Außen in die Bewegung
hinein. Die SSM trägt das Politische in jeder Darstellung nach Außen.

Wir haben deshalb zuwenig Geld weil das verfügbare Geld der nachträglich
ausbezahlte "Lohn" für die schon verwertete Arbeitskraft ist.  Lohngeld
schliesst die Teilhabe am kollektiv produtzierten Mehrwert aus.

Aha. Ich weiß nicht, was du unter kollektiv produziertem Mehrwert
verstehst. Vermutlich das, was innerhalb eurer Gemeinschaft produziert
wurde und eben keinen (Tausch)wert hat. Dennoch verstehe ich das
Argument nicht.

Es ist in eurem Fall nicht vorwärtstreibend, weil es keinen Ersatz für
das gibt, was das Geld (noch) zu leisten im Stande ist. Das ist bei
Freier Software anders. Da ist in der Doppelt Freien Software die
Abwesenheit von Geld sogar *Bedingung* für die Selbstentfaltung - und
nicht der Zwang sich zu den Verhältnissen irgendwie zu verhalten.

...weil die "Doppelt Freie Software" sich gegenwärtig noch in einer relativ
abgehobenen Sphäre (Spielwiese?) bewegt.

Na, na. Das Internet wäre ohne Freie Software nicht denkbar (Apache,
Sendmail, GNU/Linux auf Servern). Immerhin gab es schon mal einen
ziemlich heftigen Börsen-Hype um Internet und auch Freie Software.
Alles eine abgehobene Spielwiese? Na, ich weiß nicht...

In dem Maße, wie die Freie Software
politisch/gesellschaftlich relevant wird, wird sich die Bewegung " zu den
Verhältnissen irgendwie" verhalten müssen, d.h. z. B. zum politischen System.

Das tut sie ja an den Stellen wo es nötig ist. Z.B. die Bewegung gegen
Software-Patente dürfte wesentlich aus Leuten mit Sympathie für Freie
Software bestehen. Na ja, die Freie-Software-Bewegung greift halt
nicht das kapitalistische Schweinesystem (TM) an. Das ist halt nicht
ihr Ding.

In anderen Worten meine generelle (Hypo)These: Stofflich-produktiver
Reichtum gibt in einem Entkoppelungsprojekt nur Sinn, wenn parallel dazu
die geistige Produktivkraftentwicklung einhergeht. Lieber kleine
Brötchen backen als gar keine. Langsam steigern.

Na, ich bin da nicht so sicher. Die SSM ist sicher eine feine Sache,
aber ich würde sie heute nicht mehr als perspektivenreichen Ansatz
begreifen.

Si ta cuisses, philosophus mancisses
Frei übersetzt von einem Nicht-Lateiner: Wenn Du hier geschwiegen hättest,
hätte ich Dich für einen Philosophen gehalten.

Na, mit Schweigen kommen wir nicht weiter. Ich bin immer für eine
Diskussion offen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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