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pro "zensur" plus (war: Re: [ox] H. bei OpenTheory)



Ref.: 	«Re: [ox] H. bei OpenTheory»
 		Stefan Meretz 	(2003-09-12, 11:03:12 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 37/2003)

Nach Zensur wurde gerufen, der ich mich verweigere, weil sie nichts
bringt

Es scheint mir wichtig festzustellen: wenn nach "Zensur" gerufen
wurde, dann gibt es offenbar 'in der Community' ein Bedürfnis nach
Zensur.  

Das heißt, daß die Ignoranz dieses Bedürfnisses als Zwang empfunden
wird: der Benutzer hat nicht die Wahl, von Belästigungen *verschont zu
bleiben* -- im besten Falle bekommt er die Möglichkeit, sich mit mehr
oder weniger geringem Aufwand davor zu schützen bzw. dagegen zu
wehren, was aber nicht seinem Bedürfnis entspricht, sonst hätte er ja
nicht nach "Zensur" gerufen.

Diesem Bedürfnis sollte eigentlich, einige Millionen Jahre nach
Erfindung der Arbeitsteilung, direkt befriedigt werden können, ohne
daß jeder Einzelne den damit verbundenen Aufwand treiben muß. Wichtig
ist dabei höchstens die Wahlmöglichkeit -- wer seine Klamotten selber
schneidern will, tut es, die andern kaufen von der Stange oder gehen
zum Schneider (und manch einer fragt vorher noch seinen
life-style-Berater ;-)...  

Fazit: Wer "Zensur" will, soll sie haben können! Warum auch nicht? Im
Gegenteil zur wirklichen Zensur zeichnet sich eine solche "Zensur"
dadurch aus, daß sie nicht absolut ist.

Daher halte ich eine Parallelität von vier Ansätzen mit entsprechender
individueller Wahlmöglichkeit für durchaus sinnvoll:

- Überflutung (alles was die Software hergibt, inkl. Spam, Schrott
  usw.) -- "totale Transparenz" ;-/

- "Zensur" (ein oder mehrere "Zensoren" sortieren das Rohmaterial in
  Schrott und Nicht-Schrott): hat auch den Vorteil, daß das nichts mit
  dem in diesem Zusammenhang doch etwas heuchlerischen Kriterium
  "interessant oder nicht interessant" verbunden ist.

- Ranking (jeder, der Lust hat, gibt seine Meinung ab..., in
  ausgefeilten "communities" sind die rankings auch wieder gerankt,
  z.B. nach Ansehen des rankers usw.) -- im Zusammenhang mit
  'Sichten', die einen Schwellwert auf der damit erzeugten
  eindimensionalen Skala als Anzeigekriterium benutzen.

- Web of trust (wie bei Ranking, außer daß die Schwellwert-Skala
  insgesamt mehrdimensional ist (Netzartig), aus der ein individuell
  gültiger Maßstab ausgewählt oder zusammengebastelt werden kann).

Da alle diese Mechanismen Vor- und Nachteile haben, sollten sie 1)
kombiniert eingesetzt und 2) permanent geändert oder 3) temporär
ausgeschaltet werden können. (2. und 3. sollten eigentlich kein
Problem sein, 1. ist "nur" ein technisches Problem (bzw. Aufwands~).)

Aber ich möchte nochmal ausdrücklich die Nachteile zuordnen, die ich
jeweils sehe (die Vorteile sind glaubich offenbar):

- Überflutung: Riesenaufwand, um zwischen gehaltvollem und
  belästigendem einerseits und anderseits zwischen interessantem und
  uninteressantem unterscheiden zu können.  Als herrschendes Prinzip:
  Abschreckung von Außenseitern, Image unkontrollierbar, gefährlich
  für die inhaltliche Entw. des Gesamtzusammenhangs.

- "Zensur": grobe (evtl. fehlerbehaftete) Vorsortierung zwischen
  gehaltvollem und lästigem/unerwünschtem (i.w.S.), erleichtert nicht
  wirklich die Orientierung. Als alleinherrschendes Prinzip:
  gefährlich für die inhaltliche Entwicklung des Gesamtzusammenhangs.

- Ranking: demokratisch (Mehrheit bevormundet Minderheit); als
  alleinherrschendes Prinzip: keine Unterscheidung zwischen dem, was für
  die Mehrheit nicht interessant ist, und Schrott/Belästigung/Spam;
  gefährlich für die inhaltliche Entwicklung des Ganzen.

- Web of Trust: nicht verfügbar für Nichtmitglieder => Abschreckung,
  Imageverlust etc.; keine Unterscheidung zwischen Schrott und
  Nichtschrott jenseits der im Profil hinterlegten Interessen;
  gefährlich für die inhaltliche Entwicklung des Ganzen...

Weder Ranking noch Web-of-Trust heben den Effekt auf, daß sich jemand
schämt, selbst ein Projekt bei OT zu laufen zu haben. (Kann man
sich zwar drüber lustig machen, kann man aber auch ernst nehmen.)

"Gefährlich für die inhaltliche Entwicklung des Ganzen" hat jedesmal
einen anderen Sinn, ich glaube das ist klar. 

Deshalb bietet sich in meinen Augen genau die Kombination als Lösung
an. "Zensur" als Basis, zusätzlich Ranking und/oder Web-of-Trust, und
als Ausnahme-Option: Überflutung (unter dem Leitspruch: Was dem
"Zensor" nicht gefällt, ist noch längst nicht aus der Welt! ;-)

[...]
Um es allgemeiner zu fassen: Den Leuten Mittel in die Hand zu
geben, damit sie selbst handlungsfähiger werden und das auch selbst
entscheiden, unterscheidet sich von dem Ansatz, Repräsentanten zu
haben, die für die Leute den Job machen. 

Halte ich für rückschrittlich -- siehe Erwähnung der Arbeitsteilung: 

<Fundamentalargument> 
  <!-- bitte nicht so ernst nehmen! --> 
  genauso wie die Idee (utopisch oder nicht), jedem soundsoviele
  Hektar Land zuzuteilen, auf deren Grundlage er dann seine Werkzeuge
  und Nahrung angeblich selber herstellen kann.
</Fundamentalargument>

Aber lieber ein konkretes Beispiel: Warum sollte es sinnvoll sein,
jedem die Konstruktion von Spam-Filtern selber zur Last zu legen:
Belästigung bleibt Belästigung, auch die Beschäftigung mit der Abwehr
von Belästigungen ist lästig.  Warum sollte man das nicht delegieren
dürfen?!  Sind zentral erstellte Spam-Erkennungs-Mechanismen oder
Anti-Virus-Programme, die nach Belieben dezentral eingesetzt werden
können oder nicht, schlecht?  Sollte jeder darauf angewiesen sein,
seine Spamfilter selber zu basteln? ... und seine Antivirusprogramme
selber zu schreiben? ... und Sicherheitslücken in den von ihm
benutzten System selber zu schließen? 

Oh, sorry, jetzt wirds schon wieder ein wenig "fundamentalistisch" ;-)
-- aber im Ernst: ich halte es für absolut unabdingbar, daß bspw. auch
bei Debian ein zentraler Mechanismus für die Schließung von
Sicherheitslücken existiert. Und der funktioniert genauso, wie die von
mir charakterisierte "Zensur": entweder du führst
Sicherheitsaktualisierungen durch oder nicht -- ohne Ranking, ohne
Web-of-Trust, ohne Schnickschnack. Das ist eine binäre Vorgabe. (Soll
heißen: eine Vorgabe mit binärer Entscheidungsmöglichkeit.) Und sie
ist in der Community sehr beliebt! ;-)

[...] ich ... [habe] gesagt, dass ich was ganz einfaches haben will.

Und das einfachste ist: ... ;-)

Hinwiederum der Vergleich mit Betriebssystem undso: je einfacher,
desto unflexibler, je flexibler (i.S.v. an die eigenen Bedürfnisse
anpassbar), desto abschreckender/ausgrenzender.  Deshalb ist der
Versuch, beides miteinander zu kombinieren und dem "Opfer" wenigstens
die Wahl zu lassen ob einfach oder flexibel, ein Grundmotiv (nicht
nur) der GNU/Linux-Entwicklung.

Daher meine Betonung der Kombination aller vier genannten Mechanismen:
Die Kombination(smöglichkeit) würde es auch für den einen oder anderen
erleichtern, sich von der Zensurentscheidung hin zur
selbst-gestaltenden Nutzung von Informationsangeboten zu entwickeln. 

Mit anderen Worten: wenn OT nicht "zensiert" ist, wird es u.U. von
potentiell interessierten Leuten als Ganzes weg-"zensiert" -- dadurch
verlören sowohl sie als auch, die die mitmachen, -- und das Interesse,
sich mit Ranking- und Weboftrust-Mechanismen usw. zu befassen, wird
erst gar nicht geweckt. Vertane Möglichkeiten :-(

[...] Stell dir vor, die registrieren sich unter einem Pseudo 
und kopieren ihre Projekte eines nach dem anderen wieder in ot: Du 
hättest eine Flut der Ankündigungsmails. - Das will ich nicht 
ausprobieren.

Dagegen hilft Quarantäne: Neue Projekte landen in einer stillen Zone
(-- lieber kurz alle neuen Projekte einfrieren als DAS Projekt
einzufrieren :-); "Zensoren" werden über diese neue Projekte
informiert; wer von ihnen als erster Zeit hat, guckt kurz drauf und
entscheidet: entweder er verschiebt es auf den OT-Schrottplatz oder
ins OT-Reservoir. (-- Oder er ruft um (Entscheidungs-)Hilfe oder läßt
es links liegen; und was nach sechs oder zwölf oder 24 Stunden immer
noch in Quarantäne liegt, erzeugt eine erneute Nachricht an die
"Zensoren"-Gemeinde. Wenn es mehrere sind, dann schaffen sie es
vielleicht, eine gute Durchschnitts-Abarbeit!ungszeit zu
gewährleisten).

Wonach der "Zensor" entscheidet, ist seine Sache: Author oder
Titel oder Inhalt... -- völlig schnuppe! Es soll ja keine
Interessantheitswertung sein, sondern eine Spam-Entscheidung. Der
Schrottplatz ist öffentlich zugänglich und kann sowohl in Ranking als
auch WebofTrust-Bewertungen einbezogen werden. Wenn eine Entscheidung
fragwürdig ist, wird diskutiert.  Eine Zuweisung kann revidiert
werden, aber nicht ohne vorherige Diskussion (öffentlich oder unter
den "Zensoren").

Selbst in dieser sicher an sich schon sehr umstrittenen Modellierung
stellen sich zwei spannenden Fragen:

1) Woher kommen die "Zensoren"? 

- Ernennung durch Maintainer;
- Selbsternennung 8-) (sollte'n Witz sein)
- Wahl (womit wir wieder bei der Verkomplizierung wären!)

2) Sind Ihre e-mail-Adressen öffentlich? bzw.: wie kann verhindert
   werden, daß sie sich dann persönlich von den Spammern zumüllen
   bzw. vollpöbeln lassen müssen?

---------

Puuhf!

Jetzt nochmal Stefan Merten:

Hupps, jetzt wurde die Mail aber viel länger als ich eigentlich
vor hatte...

Tja, das geht den Menschen wie den Leuten! Tschuljung auch von mir
(aber wer das hier noch liest, ist vielleicht auch nicht so entsetzt
ob dieser "Dreistigkeit" ;-) Das hätte ich glatt gern als OT-Projekt
zur Diskussion gestellt, aber das ist ja gerade eingefroren ;-(

Gruß,
Casi.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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