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H. bei Debian (was: Re: [ox] Veranstaltungen am LinuxTag)



Hi Liste!

Joey: Vielen Dank für deine Erläuterungen :-) .

Das, was Joey hier beschreibt, passt sehr gut in den Rahmen dessen,
was ich als H. bezeichnen würde (zur Erläuterung: H. war mal
"Herrschaft" aber das wollte ich zumindest hier nicht mehr verwenden
da zu kontrovers). Es gibt Regeln, an die sich (viele) Menschen
halten. Die Regeln entstehen nach meinem Dafürhalten als Ausfluss
eines gemeinsamen Interesses: Eine gute, Freie GNU/Linux-Distribution
zu erstellen. Und die Menschen im Projekt unterwerfen sich diesen
Regeln. Da dies auf der Grundlage von Freiwilligkeit geschieht, tun
sie dies, weil sie diese Regeln für sich für sinnvoll halten. Das
schließt nicht aus, dass diese Regeln weiter entwickelt werden, aber
eine gewisse Verfestigung des Regelwerks gibt es bei Debian ja
durchaus.

Die MaintainerInnen haben eine (natürliche, nicht hierarchische)
Autorität inne, die sie dazu benutzen "ihr" jeweiliges Projekt zu
leiten. Den MaintainerInnen dürfte in der Regel auch zugestanden
werden, dass sie legitim handeln und sie dürften das Vertrauen der
meisten Projektmitglieder genießen. Öffentlichkeit besteht zumindest
im Rahmen des Projekts und es ist im Rahmen des Projekts sicher auch
nicht falsch von einer (Leistungs)elite zu sprechen, zu denen die
MaintainerInnen regelmäßig gehören dürften.

Das einzige, wo es nicht so eindeutig ist, ist der Machtfaktor und
dessen Anwendung in Form von Zwang und Gewalt. Ich denke aber, dass es
auch diesen Faktor gibt, dass dessen unangenehme Auswirkungen aber
durch die besonderen Bedingungen der Freiwilligkeit aber tendenziell
zum Verschwinden gebracht werden.

Last week (8 days ago) Martin Schulze wrote:
Barbara Gruen wrote:
Wann wirkt ein Machtwort und von wem?

Ein Machtwort wird dann ausgesprochen, wenn kein Konsens möglich ist.

D.h.: Es gibt so etwas wie ein Machtwort.

Damit stößt Du ziemlich viele Leute vor den Kopf.

D.h.: Damit wird/würde Gewalt ausgeübt.

Sie werden das
Machtwort daher nicht akzeptieren.

D.h.: Es bildet sich Widerstand.

Machtwort: Wir wollen einen grafischen Installer.

  Schön, dann schreib den mal schön.  Viel Spaß.

In diesem Beispiel läuft das Machtwort unter den Bedingungen der
Freiwilligkeit also ins Leere. Insofern handelt es sich hier gar nicht
um Macht, weil es eben nicht gelingt, etwas gegen Widerstände
durchzusetzen, mithin die Fähigkeit dazu nicht vorhanden ist.

Ohne Konsens werde die Leute der Entscheidung nicht folgen.

Joey beschreibt schön, wie unter den Bedingungen der Freiwilligkeit H.
stattdessen funktioniert: Es muss Konsens organisiert werden.

Wird dies als besonders durchtriebene Möglichkeit zur Manipulation
verstanden, so verspielt die ManipuliererIn ihr Vertrauen und verliert
an Legitimität und damit an Unterstützung. Manipulation ist eine
Gewaltanwendung. In der Praxis bedeutet das wohl, dass gar nicht der
Verdacht aufkommen darf, dass jemensch eine Hidden Agenda hat. D.h.
maximale Offenlegung der Gründe des Handelns ist angesagt.

Stattdessen werden konkurrierende Systeme entwickelt und die
Unterstützung findet nicht im gewünschten Maße statt.

D.h. dem gemeinsamen Interesse wird durch den Einsatz von Macht in der
Regel geschadet.

Ein Projektleiter darf daher nicht diktatorisch regieren, sondern muß
sanft leiten.

Ja. Was aber nichts daran ändert, dass reichlich Grundbestandteile von
H. in Debian vorkommen.

Und ich würde denken, dass es im Projektalltag auch mal Situationen
gibt, wo eine MaintainerIn jemensch raus schmeißt weil jemensch
einfach nur nervt. Hier gibt es also dann vermutlich auch mal echte
Zwangsmaßnahmen.

Und wann wird zur Abstimmung geschritten - und wie?

Über wichtige Dinge, die das Projekt betreffen wird gewählt.  Siehe:

  http://www.debian.org/devel/constitution
  http://vote.debian.org/

Das muss ich mir unbedingt mal zu Gemüte führen.

Wie erpressbar ist die ganze Organisation, wenn nun partout eine
Gruppe etwas durchsetzen möchte?

Erpreßbar?  Inwiefern?  Wenn eine Gruppe etwas durchsetzen will, soll
sie es doch tun.  Debian ist frei und es steht ihnen frei, einen Fork
zu machen (siehe Stormix, Progeny, Libranet, Gibraltar, Lindows,
Xandros, Knoppix etc.)

Coole Antwort ;-) . Aber Joey beschreibt hier auch schön, was unter
Internet-Bedingungen relativ gut geht: Lass sie doch einfach machen.
Da das Internet für viele Belange de facto einen unendlich großen Raum
darstellt, gibt es hier gar keinen Grund irgendwas generell verhindern
zu wollen. Allerdings gibt es wohl Gründe, abweichende Meinungen /
Ansätze in einem Fork auszulagern / zu bündeln.

Für mich wäre halt die Frage, inwieweit dieses H.-Modell übertragbar
ist. Unter emanzipatorischen Gesichtspunkten ist die freiwillige
Teilnahme an einem solchen Projekt und damit auch die freiwillige
Anerkennung eines entsprechenden Regelwerks wohl unabdingbar. D.h. in
einer Übertragung wäre so etwas wie ein allgemein verbindliches Modell
wie Staat nicht denkbar, dass seine Mitglieder eben nicht fragt,
sondern sie qua Territorialprinzip unter seine Fuchtel zwingt.

Die Frage wäre für mich auch die nach der Begrenztheit. Wie ist es mit
der Übertragbarkeit auf Feldern, in denen die Begrenzung von
Ressourcen durchaus noch eine Rolle spielt? Naturverbrauch als
klassisches Beispiel.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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