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Re: [ox] Re: Interesse als Abstraktion



Hi StefanMz, Matti, Liste!

Interessanter Sub-Thread den ihr da habt. Ich reibe mir - mal wieder -
etwas verwundert die Augen. Aber ich begreife auch - wieder - ein paar
Dinge mehr. Oh alle transzendenten Mächte, die sich die Menschen je
haben einfallen lassen, warum habt ihr uns armen Menschlein nur mit so
einem so untauglichen Kommunikationsmittel wie Sprache ausgestattet
:-( ...

Ich picke mal diese Mail aus dem Thread raus, weil hier noch alle
Zitate vorkommen.

Im übrigen sind die Fragen auch in dieser Mail nicht rhetorisch
gemeint, sondern ich wünsche mir wirklich eine Antwort darauf. Ich
habe mittlerweile in diesen Threads zahllose Fragen gestellt - und in
aller Regel keine Antworten bekommen. Ich würde es für *unglaublich
hilfreich* halten, wenn sich das ändern würde.

8 days ago Stefan Meretz wrote:
On Friday 23 May 2003 23:04, Matthias Schulz wrote:
Stefan Meretz wrote:
Wenn du abstrahierst, siehst du von etwas ab. Oder noch deutlicher:
du ziehst etwas ab, nämlich das je individuell für den Handlungsgrund
relevante.

Warum wird denn das je individuell für den Handlungsgrund Relevante
abgezogen? Verstehe ich nicht. Was bleibt denn dann noch übrig gerade
wenn das je individuell für den Handlungsgrund Relevante abgezogen
wird? Ich kann mir nicht vorstellen, was da noch sein kann.

Aber es ist natürlich logisch, dass dieses Nichts nur mit
Transzendentem gefüllt werden kann. Aber ich sagte schon, dass diese
Begriffsbildung *in sich* schon ihre Logik hat. Nur warum mensch sie
verfolgen sollte ist mir nach wie vor absolut schleierhaft :-( .

Genau, und das Interesse sieht doch vom je individuellen Handlungsgrund
ab.

Was ist denn dann der Inhalt des Interesses? Wenn es von den je
individuellen Handlungsgründen absieht bleibt doch gar nichts mehr
übrig! Ich kapiere überhaupt nicht wovon ihr sprecht. Ich habe für
diese Dinge nicht mal Worte. Matthias: Vielleicht kannst du mir ja
erklären, was da noch übrig bleiben soll?

Z.B. sieht das Gruppeninteresse von den konkreten Gründen ab,
weshalb sich die Individuen überhaupt zur Gruppe zusammengeschlossen
haben.

Das ist dann in eurer Logik immanent logisch. Deswegen kapiere ich es
überhaupt nicht :-( .

Für mich bezeichnet Gruppeninteresse eher das genaue Gegenteil: Eine
fokussierte Konkretisierung der je konkreten Gründe im Rahmen eines
Kollektivs (jetzt mal ohne das transzendente Brimborium, das diesem
Wort anhaftet). Jedenfalls ein Gruppeninteresse, das ich mir
emanzipatorisch vorstelle. Alles andere würde ich aber ohnehin als
Ideologie bezeichnen und nicht als Gruppeninteresse.

Natürlich sieht ein solches Interesse von der *je Gesamtheit* der je
individuellen Gründe ab. D.h. die Gesamtheit der Gründe einer Person
ist darin nicht reflektiert. Aber das geschieht sowieso niemals in der
Praxis sondern ist bestenfalls ein Ideal.

So gesehen kann mensch das dann aber auch eine Abstraktion nennen. Der
Sinn der Abstraktion / Fokussierung liegt aber mitnichten in
irgendeinem Nichts, sondern - um es in euren Worten zu formulieren -
einen bestimmten Bereich der Handlungsmöglichkeiten herauszugreifen um
ihn - durch Handeln - in Realität zu verwandeln. Das ist m.E. immer
notwendig, da ich nicht und wir nicht die *Totalität* unserer
Bedürfnisse immer zur konkreten Handlungsgrundlage machen können. Ich
würde vielmehr denken, dass es einer solchen Fokussierung einfach aus
sachlichen Gründen bedarf. Wie diese Fokussierung aussieht entscheiden
aber wir bzw. ich - kein Bedarf für eine dritte Person.

Konkret-allgemein können sich Menschen über ihre Handlungsgründe
verständigen und konkret-allgemein den Raum der Möglichkeiten bestimmen.
Das geht nur im Modus der ersten Person, interindividuell.

Ja! Wie auch sonst?

StefanMz: Tue mir doch mal einen Gefallen: Seit Monaten schreibe ich
mir hier die Finger wund um zu sagen, dass du - zumindest wenn es um
eine emanzipatorisch Vision geht - *inhaltlich* mehr oder weniger das
Gleiche sagst wie ich. Du benutzt nur ein ganz anderes Set von Worten,
ein anderes Sprachspiel. Das, was du (je vorläufiges) Ergebnis einer
Verständigung über den Möglichkeitsraum nennst, das nenne ich
Gruppeninteresse. Die Liste der Analogons ließe sich verlängern.
Könntest du mal anerkennen, dass es es zwischen uns im Wesentlichen
einen Streit um Worte gibt? Wenn ja, dann wäre "nur" noch die Frage,
wie damit umgegangen werden kann.

Aus der Mail möchte ich noch etwas rausgreifen:

6 days ago Matthias Schulz wrote:
Stefan Meretz schrieb:
Geht der Weg für dich so "Handlungsgründe --> Interesse -->
Möglichkeitsraum"?

Darüber habe ich mir schon länger Gedanken gemacht, das der Weg übers
Abstrakte oft ein Umweg ist, oder vielleicht sogar ein ganz anderer?

Das Abstrahieren ist m.E. inhärent gefährlich, weil es eben immer auch
ein Abstrahieren von den konkreten Menschen sein kann. Das wäre für
mich der Schritt zur Entfremdung (gegenüber diesen konkreten
Menschen). Ihr nennt das glaube ich Interesse.

Naja, ich meine wohl so etwas wie eine Realabstraktion. Dadurch das die
Menschen hauptsächlich abstrahieren (warum tun sie das?)

Warum Menschen abstrahieren ist schnell gesagt: Sie können im Umgang
mit der Komplexität der Welt nicht anders. Schon der
Wahrnehmungsapparat ist so gebaut, dass er versucht auf - für den je
konkreten Menschen - zu fokussieren.

schaffen sie
die Welt auch so.

Ja. Aber da es dem Menschen - und vermutlich allen Lebewesen -
immanent ist, können wir aufhören über dieses Faktum zu diskutieren.
Die konkrete Ausformung ist natürlich was anderes.

Das abstrakt-allgemeine wird so der Wirklichkeit
aufgezwungen, obwohl die Wirklichkeit eigentlich immer konkret ist.

Der Wirklichkeit kann mensch nichts aufzwingen. Vielmehr "zwingen"
sich die Menschen durch eine Fokussierung etwas auf. Aber wie gesagt:
Das ist nicht als Faktum heilbar sondern nur an konkreten
Fokussierungen.

Das
Kapital ist doch sowas, oder?

Ja. Eine, die ich für den Menschen eher abträglich halte. Aber dass
ich das denke, liegt daran, dass ich meine Fokussierung anders gesetzt
habe. Ich "zwinge" mir quasi eine andere Realabstraktion auf.

Nun gibt es von diesen Realabstraktionen eine ganze Menge, IMHO. Zum
Beispiel auch die Politik. Sicherlich ist Politik ein Teil des
gesellschaftlichen Seins des Menschen, jedoch wenn ich mich darauf
beschränke und es quasi vom konkreten Sein abspalte, setze ich eine
Abstraktion in die Wirklichkeit.
In der FS-Community ist es immer das konkrete Sein der Menschen welches
produziert. Ich kann davon keine einzelnen Teile abstalten.

Freie Software ist auch nichts anderes als das Ergebnis der
Fokussierung der Totalität der Bedürfnisse auf bestimmte Inhalte von
relevant vielen Personen. Diese Personen "zwingen" sich auf, dass
Freie Software etwas Wichtiges sei, für das sie sich Mühe geben
möchten.

Im Kapitalismus ist das gesellschaftliche Sein aufgespalten in z.B.
Politik, Kultur, Ökonomie... aber auch Wissenschaft, Theorie ;-) ... Das
sind alles Realabstraktionen, IMHO.

Das sind alles Fokussierungen - ja. Kein wesensmässiger Unterschied zu
Freier Software an dieser Stelle.

Und da sich solche Realabstraktionen nicht von "selbst", also durch die
konkreten Lebensäusserungen der Menschen, reproduzieren, müssen sie
quasi "künstlich" reproduziert werden.

Warum soll sich das denn nicht von selbst reproduzieren? Ich würde dem
entgegen halten, dass Fokussierungen sich *gerade* durch die konkreten
Lebensäußerungen reproduzieren.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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