Re: Re: Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?
- From: Casimir Purzelbaum <quasi utopix.net>
- Date: Wed, 4 Jun 2003 22:35:58 +0200
Ref.: «Re: Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?»
Stefan Meretz (2003-06-02, 21:28:22 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 23/2003)
Hallo Stefan!
On Monday 02 June 2003 15:45, Casimir Purzelbaum wrote:
Als Mensch hat er kein "ökonomisches Interesse", ...
Was bringt diese Aussage?
Das "Mensch-sein" und "ökonomisches-Interesse-haben" kein notwendiger oder
gar naturaler Zusammenhang ist.
da gibt es also nichts zu beurteilen; das ökonomische Interesse
der Rolle kannst du beurteilen
Kannst Du mir erklären, wo ein Mensch ohne "Rolle" herkommen soll?
Aus der Zukunft?
Na Mensch! Warum sachsten dit nich gleich?! -- Jetzt beginnt es bei
mir langsam zu dämmern :-)
Auch daß «"Mensch-sein" und "ökonomisches-Interesse-haben" kein
notwendiger oder gar naturaler Zusammenhang ist», wäre mir nie im
Traum eingefallen zu behaupten ;-) -- Aber kann ich denn deswegen
gleich heute von diesem Zusammenhang abstrahieren? Bleibt da nicht die
Entwicklung auf der Strecke?
8·<--------------------
Fürs Protokoll ;-)
Denk an den Marxschen Menschen, der mittags dies tut und abends was
anderes, philosophieren, fischen..., aber kein Philosoph oder
Fischer mehr ist. Kann das Zitat nicht auswändig.
| «Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder
| einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm
| aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger,
| Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn
| er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der
| kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen
| Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige
| ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt
| und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu
| tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu
| treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe,
| ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.»
(Marx, Engels, Die Deutsche Ideologie, MEW 03, S. 33; oder
einfacher: http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_017.htm)
-------------------->·8
Für mich erlaubt Deine obige Sentenz nur den Schluß, daß der Mensch
nur außerhalb der gegebenen Umstände "als Mensch" betrachtet werden
kann. Deshalb begreife ich das nicht.
Für mich ist der Schluss, dass die gegebenen Umstände nicht wirklich
menschlich sind. Wir befinden uns halt noch in der Vorgeschichte, was
soll man da schon erwarten;-)
Wieder kein Widerspruch zu dieser Aussage ;-) -- Aber: Nun ist es doch
die Aufgabe u.a. der kritischen Psychologie, wenn ich das bisher
richtig verstanden habe, sich nicht mit Menschen zu beschäftigen, die
es nicht mehr nötig haben werden (siehe oben), sondern sich mit den
Menschen von heute auseinanderzusetzen, oder? (-- nicht ohne die
gesellschaftliche Entwicklung und unsere Möglichkeiten außer acht zu
lassen, versteht sich).
Wenn es dir um Karl-Heinz geht, dann frag ihn.
Und wenn mir der arbeitslose Maurer Karl-Heinz sagt, er sei
Börsenmakler in Frankfurt, -- wonach soll ich sein Interesse
beurteilen?
Gar nicht. Wieso solltest du?
Hm. Du meinst, ich frage ihn ja nicht, weil es mir um ihn, Karl-Heinz,
geht, sondern weil ich einen Zusammenhang sehe zwischen dem, was er
meint, wie er sich fühlt, wie er handelt usw., und dem, wie es mir
(und allen anderen) geht? Aber vielleicht geht es mir ja trotzdem --
meinetwegen "auch" -- um Karl-Heinz... (wie gesagt, einen heutigen
Karl-Heinz, einer aus der Zukunft ist ja so schwer zu finden ;-) So
eine Einstellung betrachtest Du bestimmt wieder als "bevormundend"
(oder modischer ausgedrückt: transzendent, oder so), aber die:
Oder soll ich ihn einfach nicht weiter berücksichtigen, weil ich
mit _seiner_ Aussage nichts anfangen kann?
Z.B.
scheint mir hintenrum viel bevormundender zu sein! (So nach dem
Motto: «Was gehn mich Eure Probleme an, jeder muß sich um sich selber
kümmern und daran ist ja nichts schlechtes, denn schließlich haben ja
alle dieselben Chancen...» usw.)
Wenn es dir um die gesellschaftliche Rolle der Charaktermaske
geht, dann treffe deine Analysen. Ich sage "nur": das ist
auseinanderzuhalten.
Damit kann ich jetzt immerhin was anfangen :-)
Weil es nicht nur in einer solche Psycho-Session um die konkreten
Menschen geht, sondern weil das z.B. auch (meine These) das
Besondere der FS ist. Genaugenommen kann man da nicht viel
verallgemeinern - ausser eben das: die Leute bringen sich mit je
ihrer Konkretheit ein. Der Rest ist Statistik, die nicht viel sagt
(wie immer).
(-- Stoff zum Nachdenken...)
... wenn ich zum Beispiel über die Entwicklung der ganzen
Gesellschaft jenseits des je-individuellen Horizontes ihrer
Mitglieder nachdenken will ...
Wenn es dir nur um Gesellschaftstheorie geht, dann hast du recht.
Warum "nur"?? Macht Gesellschaftstheorie ohne Menschen Sinn? -- Nicht
viel mehr als "Menschen" ohne Gesellschaft, würde ich meinen, oder?
-- Auseinanderhalten des imaginären "Karl-Heinz als Mensch"
einerseits und des realen "Karl-Heinz als komplexe Real-Konkretion
verschiedener real-abstrakter Bestimmungen" andererseits? (oder
so?)
Dann musst du aber auch die Karl-Heinze völlig zur Seite legen.
Das hinwiederum versteh ich immernoch überhaupt nicht. Als Erläuterung
meines Unverständnisses nochmal meine Vorstellung zum Thema
Wahrnehmung --> Erkenntnis (--> Wahrnehmung --> usw.): der übliche
Modus ist, das Konkrete im Kopf abzubilden -- was ohne Abstraktion gar
nicht geht (außerhalb der sogenannten "mystischen Erfahrung") -- und
das so gewonnene Sammelsurium von Abstraktionen solange zu bearbeiten,
bis man aus ihnen das Konkrete wieder nachvollziehbar und
wirklichkeitsadäquat "zusammenbauen" kann.¹
[...]
Auf welcher Basis sollen sich die Leute aus ihren "real-abstrakten
Charaktermasken" herausreißen? -- Doch nicht einfach indem sie von
jenen abstrahieren? Oder?
Da es hier ja um Theorie geht: Zunächst mal dadurch, dass wir eine
Theorie haben, die den Individual-Standpunkt unnivelliert zur
Geltung kommen lässt. Das heisst, eine emanzipatorische Theorie
kann nicht abstraktiv mit den Menschen umgehen. ...
Wenn "nicht abstraktiv" heißen soll 'Verstehen ohne Abstraktion', dann
kann ich mir das nicht vorstellen. Ich verstehe den Vorschlag der
"Verallgemeinerung ohne Abstraktion" einfach nicht, da ich mir
Wahrnehmung nicht ohne Abstraktion vorstellen kann -- weshalb mir auch
der sub-thread mit Matti teilweise nebulös erscheinen mußte. Hast Du
vielleicht einen erklärenden link?
Danke & Gruß,
El Casi.
¹ Ich füge an, daß der Prozeß der "Bearbeitung der Abstraktionen"
nicht "notwendiger- oder natürlicherweise" ;-) ein theoretischer
sein muß, auch wenn ich der Überzeugung bin, daß heute der Verzicht
auf wissenschaftlichen oder theoretischen Anspruch in der Regel zur
Versumpfung im "gesunden Menschenverstand" führt, zu welchem Engels
schon, meiner Meinung nach treffend, bemerkte:
«Allein der gesunde Menschenverstand, ein so respektabler Geselle
er auch in dem hausbackenen Gebiet seiner vier Wände ist, erlebt
ganz wunderbare Abenteuer, sobald er sich in die weite Welt der
Forschung wagt; und die metaphysische Anschauungsweise, auf so
weiten, je nach der Natur des Gegenstandes ausgedehnten Gebieten
sie auch berechtigt und sogar notwendig ist, stößt doch jedesmal
früher oder später auf eine Schranke, jenseits welcher sie
einseitig, borniert, abstrakt wird und sich in unlösliche
Widersprüche verirrt, weil sie über den einzelnen Dingen deren
Zusammenhang, über ihrem Sein ihr Werden und Vergehn, über ihrer
Ruhe ihre Bewegung vergißt, weil sie vor lauter Bäumen den Wald
nicht sieht.»
Aber unabhängig davon, wie die Verarbeitung der "ursprünglichen"
Abstraktionen funktioniert, ist doch ihr Antrieb und Ziel immer die
Erkenntnis bzw. das Verstehenkönnen des Konkreten, also z.B. der
jeweiligen Karl-Heinze sowohl in ihren jeweiligen realen
Zusammenhängen mit ihren jeweiligen Reflektionen dazu als auch im
übergeordneten Zusammenhang der "jeweiligen" Zusammenhänge.
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