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Qualitäten & Spiegelungen... (war: Re: Re: Re: Re: [ox] Gibs Gruppen?)



Ref.: 	«Re: Re: Re: [ox] Gibs Gruppen?»
 		Stefan Meretz
 		(2003-04-19, 17:10:24 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 16/2003)


Sehr guter Hinweis: wir gehen dann nämlich wohl von
unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Grundlagen aus. Da können
wir dann in der Tat unendlich auf darauf aufbauenden "Anwendungen"
streiten. Deswegen scheint mir die Frage nicht auflösbar. Also
steigen wir die Stufe runter...

Gut.

Der Unterschied einer Klasse (als Menge aller Objekte mit
gewissen übereinstimmenden Merkmalen) und einer Gruppe besteht
m.E. darin:

Der Zustand von Objekten einer Klasse ist vom Zustand der
anderen Objekte und vom Zustand der Klasse unabhängig.

Der Zustand der Elemente einer Gruppe hängt in gewisser Weise
vom Zustand der anderen Elemente und/oder von dem der Gruppe
insgesamt ab.

Das halte ich für eine unzulässige Abstraktion. Sie sieht von
wesentlichen Momenten menschlichen Zusammenlebens ab: Darin gibt
es eben nicht zur Zustände etc. Genau hier führt IMHO die
physikalische Analogie, die du vorher aufgemacht hast, in die
Irre.

Nein, das hier ist keine physikalische Analogie mehr, sondern der
Versuch eines abstrakten Verständnisses von Gruppen, welches
sowohl physikalische als auch gesellschaftliche Erscheinungen
(usw.) fassen kann. Die Gesellschaft ist für mich nunmal keine
"andere Baustelle", wo ich die anderen Baupläne eines anderen
Architekten zu durchschauen hätte, sondern eine, die bspw. auf der
physikalischen aufbaut.

Hier ist für mich ein Knackpunkt: Die Aussage "die Gesellschaft
baut auf dem Physikalischen auf" ist entweder trivial oder
leer. Trivial ist sie, weil klarerdings "irgendwie alles"
stoffliche Grundlagen hat. Leer ist sie, weil darüber hinaus keine
spezifische Aussagen möglich sind: Das Besondere lässt sich nicht
physikalisch erklären. Deswegen ist eine entsprechende begriffliche
Abstraktion wie "Gruppe" genauso leer (oder trivial: im Alltag
sofort verständlich).

["physikalisch" ist (so wie "biologisch") zudem irrig: Es muss
physisch oder stofflich (so wie "biotisch") heissen, da Physik (wie
Biologie) die zugehörige Wissenschaft kennzeichnet, nicht aber
ihren wissenschaftlichen Gegenstand. Das nur btw.]

Da haste btw. recht.

Was hier fehlt, ist der Begriff der Qualität. Materielle Realität
hat qualitativ unterschiedliche Widerspiegelungsformen. - Den
Begriff "Widerspiegelung" greife ich mal auf, da du mit ihm
vertraut zu sein scheinst (s.u.).

(zumindest mit Deinem offenbar nicht -- s.u.)

Ich kenne drei Widerspiegelungsformen: die unbelebte Natur (das
bloß Stoffliche), die belebte Natur (das Biotische) und das
Menschlich-Gesellschaftliche. 

Hm. Entweder sind jetzt die *bezeichneten* "Teile" der materiellen
Realität Widerspiegelungsformen, dann fragt sich, was sich darin
widerspiegelt -- der Weltgeist? --, oder die *Begriffe*, die jene
bezeichnen, sind Widerspiegelungsformen, dann fragt sich, ob das
widergespiegelte irgendwie zusammenhängt, und ob es der
Widerspiegelungsform ziemen würde, eventuelle Zusammenhänge
entsprechend entweder zu leugnen oder zu beachten.

Das eine ist nicht aus dem deduzierbar.

Kann ja auch nicht, es ist ja aus ihm hervorgegangen.

Das drückt auch der Spruch "Das Ganze ist mehr als die Summe der
Teile" aus - nur was denn nun die Qualität des Ganzen ausmacht,
wird in der Regel nicht beantwortet (ist dann irgendwie
"emergent").

Weshalb die "Teile" für Dich offenbar keine Rolle mehr spielen. Das
Ganze ist das Ganze und hat mit den Teilen nichts mehr zu tun, es ist
als solches autonom gegenüber seinen Teilen, weil es ja mehr ist!
(Eine Vorstellung, die mich sehr an Staats- oder Parteidoktrinen
u.ä. erinnert.)

Du versuchst hier nun zwei qualitativ unterschiedliche
Widerspieglungsformen materieller Realität, also etwas genuin
Unvergleichliches, zu vergleichen. 

Woher willst Du eigentlich wissen, ob diese "Widerspiegelungsformen
materieller Realität" *qualitativ unterschiedlich* sind? Ein
Unterschied kann nur konstatiert werden als Resultat eines
Vergleiches. Ist das also ein Glaubenssatz oder ist das das Resultat
Deines Vergleiches?

Und das geht nicht, und das ist auch schon der Kern meiner
Kritik.

Tja, wenn das nicht geht, dann ist Deine obige Aussage "entweder
trivial oder leer" und der Kern Deiner Kritik richtet sich gegen sie
selbst.

Das nun folgende ist "nur noch" Illustration.

Das folgende können wir uns also (erstmal) sparen.

Die Behauptung, qualitativ unterschiedliche Dinge könnten nicht im
Zusammenhang betrachtet werden, halte ich für 1) radikal
reduktionistisch 2) relativistisch und 3) nihilistisch. (Ich kann mir
auch eigentlich nicht vorstellen, daß Du das so gemeint hast -- was Du
aber gemeint haben könntest, ist mir bislang ein Rätsel 8-( )

Gruß,
Casi.
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Organisation: projekt oekonux.de



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