Message 06339 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05326 Message: 59/66 L21 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Wahrheit oder was



Hi Kai, StefanS, Liste!

Vorab zwei kurze Bemerkungen.

Last week (8 days ago) Stefan Seefeld wrote:
entschuldige, wenn ich mich hier in eine Diskussion einmische.

Die Entschuldigung entschuldige ich nicht ;-) . Zumindest wenn ich
keine Einmischung wollte, dann würde ich das hier privat diskutieren.

Last week (9 days ago)  wrote:
Wie dem auch sei, hier wuerde ich doch, im Geiste
von Stefan Merten (wie ich vermute) nachfragen wollen: wie bestimmst
du sie "objektiven Interessen" ? (woran bestimmt sich, was
ge"need"edt/gebraucht wird?).

Du vermutest richtig :-) .

So, aber nun zu deiner Mail.

Last week (9 days ago)  wrote:
Du fragst also nicht danach, was wahr ist, sondern was nuetzlich ist.

Nach deinem bisherigen Sprachspiel hätte ich dem zugestimmt. Nach
dieser Mail bin ich mir nicht mehr so sicher, ob deine Wahrheit in
Wahrheit vielleicht gar keine Wahrheit ist ;-) .

1.
Die Kategorie der Nuetzlichkeit stellt ein logisches Verhaeltnis dar:

Ja Nützlichkeit ist ein Verhältnisbegriff.

  a) Wenn mein Interesse X ist
  b) und die Eigenschaft(en) Y ist fuer mein Interesse X nuetzlich
  c) und Z hat die Eigenschaft(en) Y,
  d) ----> so ist Z fuer mich nuetzlich.

(Ganz genauso koennte man bei aehnlichen Ausdruecke wie "Angemessenheit"
usw. argumentieren).

Gilt für alle Verhältnisbegriffe. Ein Verhältnisbegriff ist immer nur
mit Bezug sinnvoll zu verwenden.

Das ist übrigens genau das, was ich (bisher) an deiner Wahrheit
problematisch finde: Sie ist bezugslos (oder transzendent nach
StefanMz' Sprachspiel).

Es ergeben sich die folgenden Fragen:

zu a:
- wie bestimmt sich dein Interesse X? Ist es z.B. u.U. von einem darueberliegenden
  Interesse W abgeleitet?

Diese Frage halte ich für die Frage nach der Wahrheit für irrelevant.
Ein Interesse kann in diesem Zusammenhang erst mal als gegeben
angenommen werden.

  Falls ja: Ist die Ableitung "richtig"?

Der Begriff der Richtigkeit ist ein ganz anderer als der der Wahrheit.
Richtigkeit ist nämlich ebenfalls ein Verhältnisbegriff und bei der
Frage danach, ob etwas richtig ist, ist immer der Bezugsrahmen
anzugeben - den die Wahrheit ja eben nicht braucht. Und mit dem
Bezugsrahmen sind wir dort, wo ich hin will.

  Kann man sich bei Dir
  ueberhaupt in seinem Interesse taeuschen/laesst sich dieses kritisieren? Wie?

Ja klar kann mensch sich täuschen. Wenn nämlich die Ableitung in
Betrachtung je ihrer Interessen nicht richtig ist. Dieses richtig ist
aber streng an das je persönliche Bezugssystem gebunden. Dieses kann
selbstverständlich kritisiert werden. Aber dazu ist ein Einlassen auf
das jeweilige Bezugssystem unabdingbar. All das ist bei Wahrheit
schlicht nicht notwendig, da sie ohne (oder mit genau einem - was
letztlich auf's Gleiche raus läuft) Bezugssystem auskommt.

zu c:
- muss ich nicht wissen, ob Z ueberhaupt die Eigenschaft Y hat?
  (Und inwiefern: vielleicht nur unter bestimmten Bedingungen oder mit bestimmten
  Nebenwirkungen?). Wenn es die Eigenschaften, die seien Nuetzlichkeit
  (in meiner Vorstellung) ausmachen nicht hat, darf ich dann diese Vorstellungen
  nicht falsch oder unwahr nennen, sondern?

"Falsch" ist der Gegenbegriff zu "richtig". Also kannst du das
problemlos so nennen. "Unwahr" nimmt halt den Bezugsrahmen weg.

Spätestens hier kamen mir Zweifel: Wenn für dich Wahrheit und
Richtigkeit synonym sind - und du verwendest die Worte in dieser Mail
austauschbar -, dann haben wir glaube ich wenig Streit. Du scheinst
mit deinem undifferenzierten Begriff nämlich von meiner Richtigkeit
zumindest nicht weit entfernt zu sein.

zu b:
- Schliesslich koennte ich mich ja auch in der Zuordnung von a und c taeuschen:
  Z hat zwar diese Eigenschaft(en) Y und mein Interesse X ist sinnvoll, aber
 Y ist nicht geeignet, mein Interesse X zu unterstuetzen/befriedigen, weil
 etwa meine Loesungsstrategie falsch ist (sie kann z.B: auf falschen Annahmen
 beruhen), Eigenschaft Y waere also "in wirklichkeit"/"in Wahrheit" fuer meine
 Loesung nicht relevant oder evtl. sogar kontraproduktiv.

Ja klar. All das kann falsch sein - oder richtig. Kein Dissens.

Du siehst, ich behaupte also, dass du auch deine "Orientierung" an
der "Nuetzlichkeit" dir nicht die Frage um die Wahrheit/Richtigkeit usw.
ersetzt, sondern diese bereits vorraussetzt.

Richtigkeit setze ich voraus, ja. Und auch deren dynamische Anpassung
an sich ändernde Bezugsrahmen.

Wahrheit setze ich in ihrer Ewigkeit dagegen nicht voraus.

2.
Meiens Erachtens redest du auch in Wirklichkeit von andere Themen:

Ich habe eine andere Perspektive - sicher. Aber die Philosophie ist ja
seit Hegel auch nicht gerade stehen geblieben und wenn ich es richtig
vermute, dann dürfte ich von den moderneren anglo-amerikanischen
Richtungen beeinflusst sein, die das Handeln und die Kommunikation in
den Mittelpunkt stellen. Jedenfalls finde ich mich da oft ganz gut
wieder. Aber da kenne ich mich wirklich nicht aus. Nur aufgeschnappte
Brocken.

a) zum einen fragst du dich, wie eine Aussage als wahr oder falsch festgestellt
  werden kann, du siehst hier in Tradtition der Skeptiker oder Kants ein
  grundsaetzliches Problem.

Du kennst diese Herrschaften besser als ich.

b) zum anderen redest du darueber, wie manche Leute in der Gespraechspraxis mit
  "Wahrheit" umgehen: sie behaupten sie einfach oder bestimmen gar, vielleicht via
  Verbot einer anderne Meinung, dass ihre die Wahrheit sei.

Dabei scheint mir dein eigentliches Thema 2b) zu sein.

Gesprächspraxis / kommunikatives Handeln scheint mit zumindest eine
enorm wichtige Kategorie für Menschen zu sein.

Darum nur kurz zu 2a): Wenn du dir unter (1) klar machst,
dass du auch bei deinem taeglichen "ganz
praktischen"/unphilosophischen/materialistischen,
rein nuetzlichkeitsorientierten usw. Handeln letztlich staendig
Entscheidungen/Beurteilunegn
darueber trefefn musst, ob etwas (relativ zu den dir vorliegenden Infos
natuerlich,
und  relativ zu den Deutungs-Alternativen) wahr(er)/richtig(er) ist oder
falsch(er),
so brauchen wir ueber das Thema 2a) eigentlich kaum weiter zu diskutieren.

Ja. Verschwindet mit Wahrheit vs. Richtigkeit.

So wie es stimtm, und auch schon von Hegel bemerkt wurde, dass Wahrheit nicht
dadurch hinzukommt, dass man diese versichert "das ist wahr", etwa bei allem das dazu
sagt (dass du meinst, das das was du sagst eher richtiger ist, untern den obene genannten
Einschraenkungen, in dem oben genannten Sinne), ist sowieso immer imopliziert, sonst kannst
du gleich schweigen, brauchst sinst garnicht zurueckschreiben, es waere sonst kaum sinnvoll
sich zu unterhalten), so kuerzt es sich umgekehrt auch weg, wenn du zu allem was du
sagst/schreibst immer dazu sagst, dass das nur deien ganz persoenliche Meinung (IMHO)
ist, dass es nicht als wahrheit gemeint ist sondern nur irgendwie weniger verbindlich/
anspriuchsvoll/zwingend usw.Auch hjier entscheidet nicht die versicherung, die kannst
du dir ebenfalls sparen, sondern auch hier entscheidet der Inhalt.

Ansonsten habe ich zum Skeptizismus, gerade insofern er eine
bedeutung/Konsequenz fuer
unsere Praxis beansprucht, einiges unter
http://hegel-werkstatt.de/artikel/grundkonzepte/unwissenheit_und_skeptizismu
s.htm
geschrieben.

3.
Zu 2b) ist damit eingentlcih auch schon alles gesagt.

Lustigerweise kannst du IMHO <g> jemanden der in der Diskussionspraxis behauptet,
das was er sage sei die Wahrheit (ob absolute, alleinseligmachende, trademark geschuetzte
oder umgekehrt nur derzeitige usw. spielt dabei keien Rolle), laesst sich das eben
gerade an diesem Anspruch kritisieren:

Eben nur an der Richitigkeit.

Ist in seiner Argumentation ein Fehler?

In Bezug auf was? wäre hier zu fragen.

Laesst er etwas wesentliches aus?

Wesentlich in Bezug worauf? wäre hier zu fragen.

Hat er etwas uebersehen usw.

Was in Bezug worauf nicht übersehen werden sollte? wäre hier zu
fragen.

Die Arten und
Weisen, wie so etwas gemacht wird, sind allgemein bekannt und werden ja auch in
unserer kleienn Email-Austuasch immer schon unterstellt, ebenso bei jeder
Diskussion, egal wie herschaftsfrei die sein mag.

Bei deinen Fragen ist aber immer der Bezug mit eingebaut. In Wahrheit
sprichst du nämlich über Richtigkeit - und das ist für mich auch
richtig - aber nicht wahr ;-) .

4.

Schenke ich mir, da sich das m.E. ebenfalls mir Wahrheit vs.
Richtigkeit erledigt.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT05326 Message: 59/66 L21 [In index]
Message 06339 [Homepage] [Navigation]