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Re: [ox] Re: Wahrheit oder was



Hallo Stefan,

Du fragst also nicht danach, was wahr ist, sondern was nuetzlich ist.

Bermerkungen:

1.
Die Kategorie der Nuetzlichkeit stellt ein logisches Verhaeltnis dar:

  a) Wenn mein Interesse X ist
  b) und die Eigenschaft(en) Y ist fuer mein Interesse X nuetzlich
  c) und Z hat die Eigenschaft(en) Y,
  d) ----> so ist Z fuer mich nuetzlich.

(Ganz genauso koennte man bei aehnlichen Ausdruecke wie "Angemessenheit"
usw. argumentieren).

Es ergeben sich die folgenden Fragen:

zu a:
- wie bestimmt sich dein Interesse X? Ist es z.B. u.U. von einem
darueberliegenden
  Interesse W abgeleitet? Falls ja: Ist die Ableitung "richtig"? Kann man
sich bei Dir
  ueberhaupt in seinem Interesse taeuschen/laesst sich dieses kritisieren?
Wie?

zu c:
- muss ich nicht wissen, ob Z ueberhaupt die Eigenschaft Y hat?
  (Und inwiefern: vielleicht nur unter bestimmten Bedingungen oder mit
bestimmten
  Nebenwirkungen?). Wenn es die Eigenschaften, die seien Nuetzlichkeit
  (in meiner Vorstellung) ausmachen nicht hat, darf ich dann diese
Vorstellungen
  nicht falsch oder unwahr nennen, sondern?

zu b:
- Schliesslich koennte ich mich ja auch in der Zuordnung von a und c
taeuschen:
  Z hat zwar diese Eigenschaft(en) Y und mein Interesse X ist sinnvoll, aber
 Y ist nicht geeignet, mein Interesse X zu unterstuetzen/befriedigen, weil
 etwa meine Loesungsstrategie falsch ist (sie kann z.B: auf falschen
Annahmen
 beruhen), Eigenschaft Y waere also "in wirklichkeit"/"in Wahrheit" fuer
meine
 Loesung nicht relevant oder evtl. sogar kontraproduktiv.

zu d)
Schliesslich koennen wir ja auch ganz trivial festhalten, dass der Schluss
als solches dir einleuchten duerfte, der Streit wird eher bei den Inhalten
a,b und c auftauchen, weniger beim Ergebnis d (in diesem speziellen Falle
koennte man natuerlich auch den Begriff der Nuetzlichkeit und die
vorgestellte
Relation zu kritisieren. Aber losgeloest von dem Besipiel sollten auch Dir
als Kenenr von Goedel usw. Konzepte wie formallogisch wahre Schluesse
und auch mathematische Wahrheiten vertraut sein).


Du siehst, ich behaupte also, dass du auch deine "Orientierung" an
der "Nuetzlichkeit" dir nicht die Frage um die Wahrheit/Richtigkeit usw.
ersetzt, sondern diese bereits vorraussetzt.

2.
Meiens Erachtens redest du auch in Wirklichkeit von andere Themen:

a) zum einen fragst du dich, wie eine Aussage als wahr oder falsch
festgestellt
  werden kann, du siehst hier in Tradtition der Skeptiker oder Kants ein
  grundsaetzliches Problem.

b) zum anderen redest du darueber, wie manche Leute in der Gespraechspraxis
mit
  "Wahrheit" umgehen: sie behaupten sie einfach oder bestimmen gar,
vielleicht via
 Verbot einer anderne Meinung, dass ihre die Wahrheit sei.

Dabei scheint mir dein eigentliches Thema 2b) zu sein.

Darum nur kurz zu 2a): Wenn du dir unter (1) klar machst,
dass du auch bei deinem taeglichen "ganz
praktischen"/unphilosophischen/materialistischen,
rein nuetzlichkeitsorientierten usw. Handeln letztlich staendig
Entscheidungen/Beurteilunegn
darueber trefefn musst, ob etwas (relativ zu den dir vorliegenden Infos
natuerlich,
und  relativ zu den Deutungs-Alternativen) wahr(er)/richtig(er) ist oder
falsch(er),
so brauchen wir ueber das Thema 2a) eigentlich kaum weiter zu diskutieren.

So wie es stimtm, und auch schon von Hegel bemerkt wurde, dass Wahrheit
nicht
dadurch hinzukommt, dass man diese versichert "das ist wahr", etwa bei allem
das dazu
sagt (dass du meinst, das das was du sagst eher richtiger ist, untern den
obene genannten
Einschraenkungen, in dem oben genannten Sinne), ist sowieso immer
imopliziert, sonst kannst
du gleich schweigen, brauchst sinst garnicht zurueckschreiben, es waere
sonst kaum sinnvoll
sich zu unterhalten), so kuerzt es sich umgekehrt auch weg, wenn du zu allem
was du
sagst/schreibst immer dazu sagst, dass das nur deien ganz persoenliche
Meinung (IMHO)
ist, dass es nicht als wahrheit gemeint ist sondern nur irgendwie weniger
verbindlich/
anspriuchsvoll/zwingend usw.Auch hjier entscheidet nicht die versicherung,
die kannst
du dir ebenfalls sparen, sondern auch hier entscheidet der Inhalt.

Ansonsten habe ich zum Skeptizismus, gerade insofern er eine
bedeutung/Konsequenz fuer
unsere Praxis beansprucht, einiges unter
http://hegel-werkstatt.de/artikel/grundkonzepte/unwissenheit_und_skeptizismu
s.htm
geschrieben.

3.
Zu 2b) ist damit eingentlcih auch schon alles gesagt.

Lustigerweise kannst du IMHO <g> jemanden der in der Diskussionspraxis
behauptet,
das was er sage sei die Wahrheit (ob absolute, alleinseligmachende,
trademark geschuetzte
oder umgekehrt nur derzeitige usw. spielt dabei keien Rolle), laesst sich
das eben
gerade an diesem Anspruch kritisieren: Ist in seiner Argumentation ein
Fehler?
Laesst er etwas wesentliches aus? Hat er etwas uebersehen usw. Die Arten und
Weisen, wie so etwas gemacht wird, sind allgemein bekannt und werden ja auch
in
unserer kleienn Email-Austuasch immer schon unterstellt, ebenso bei jeder
Diskussion, egal wie herschaftsfrei die sein mag.

Umgekehrt ist aber so eine Kritik nur bei einem unterstellten Konzept von
Wahrheit
sinnvoll (wie egsagt, auch deine Kategorie Nuetzlichkeit ersetzt diese
nicht,
sondrn implizirt diese ebnfalls, ist nur bei weitem nicht so umfassend.

4.
Schliesslich gibt dir das unter 1 entwicklete vielelicht auch einen Hinweis
darauf,
dass dein Alternatibkonzept der "Nuetzliochkeit" keineswegs offener oder
umfassender
als dasjenige der Wahrheit ist, sondern sehr viel bornierter:

Gerade wenn ich mich nicht darum schere, dass die Kategorie der
Nuetzlichkeit
"Wahrheit" sinnvollerweise bereits impliziert, werde ich mir die oben
genannten
Gedanken eher nicht amchen, und damit Dineg vorraussetzen, die
moeglicherweise
falsch sind, wo ich mich taeusche und wo ich insofern unfrei bleieb.

Bei der Suche nach Wahrheit suchen wir nach den impliziten Annahmen, machen
diese
explizit, untersuchen diese, ueberschreiten dabei Grenzen.

Bei der Suche nach Nuetzlichkeit bleiben wir in unseren Bornierungen,
unserem
"Realitaetstunnel", unseren gegebenen Beschraenkunegn usw. selsbt da
verhaftet,
wo wir ueber diese hinausgehen koennten.

So long, Alles gute,
Kai

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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