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Re: [ox] Freie Software ist Müll



* Jobst Quis <wuwei nadir.org> [2002-12-03 21:00]:
Stefan Merten schreibt:
Ein *ganz* wichtiger Einwand, auf den nach meiner Erinnerung bisher
noch niemensch hier gekommen ist: Umsonstläden finden qua Konstruktion
ausschließlich in der Distributionssphäre statt. Das zentrale Moment
Freier Software liegt aber in der Produktionsspähre.

Ich kann nicht einsehen, was an dieser Trennung in Produktionssphäre und
Distributionssphäre so wichtig ist und schon garnicht, warum die
Produktionssphäre was besseres sein soll als die Distributionssphäre.
Beides gehört zusammen, die Produktion ist genauso von der Distribution
abhängig wie umgekehrt.

Ohne Produktion keine Distribution und umgekehrt, allein schon deshalb
gehoert beides zusammen, ja. Es sind dennoch zwei grundverschiedene
Dinge, ob ich ein Produkt herstelle oder fertige Produkte verteile. Der
Umsonstladen zielt erstmal auf letzteres. Wenn er damit die Gesellschaft
veraendern will, liegt also die These zugrunde, dass man das ueber die
Veraenderung der Distributionsverhaeltnisse machen koennte. Sprich, man
produziert einfach weiter wie vorher und verteilt das fertige Produkt
dann nur anders. Das uebersieht genau den Zusammenhang zwischen
Produktions- und Distributionsverhaeltnissen, den Du hier proklamierst.

Zu Marxens Zeiten war Produktion problematisch und damit wichtig, die
Distribution wegen grosser Nachfrage dagegen leicht und unbedeutend.
Doch die Zeiten haben sich geändert, die Produktion ist leichter
geworden, der Absatz dagegen wegen Sättigung der Märkte schwieriger.

Nein, Nachfrageprobleme gab es damals wie heute, und wenn die
Produktionsverhaeltnisse damals "problematisch" waren, sind sie es auch
heute. Die Ursachen der Nachfrageprobleme liegen in der _Form_ der
kapitalistischen Produktion. Sie haben erstmal _nichts_ mit der
Gebrauchswertseite zu tun, also mit der Tatsache, dass wir heute im
Vergleich zu frueher viel schoenere, groessere, buntere Produkte haben
(oder gar "zuviel" dergleichen). Die Tausch- und Gebrauchswertseite hast
Du aber in der ganzen Mail munter gemixt.

Entgegen gängiger Vorstellungen ist Wert keine Eigenschaft von Dingen,
sondern eine Beziehung zwischen Menschen und Dingen.

Richtig! Aber die Beziehung liegt darin, dass in warenproduzierenden
Gesellschaften die Wertform die Arbeitsteilung vermittelt, indem sich in
der Hoehe des Wertes die Menge an gesellschaftlich notwendiger Arbeit
ausdrueckt. Der Tauschwert ist nicht einfach subjektiv bestimmt, wie Du
behauptest.

Nur durch Gleichschaltung von Zielen und Bedürfnissen ist die Illusion
aufrechtzuerhalten, dass Dinge einen objektiven, von Menschen
unabhängigen Wert haben.

Nein! Nicht wieder Gebrauchswert und Tauschwert mixen. Nur durch
Gleichsetzung verschiedener konkreter _Arbeiten_ ist `Tauschwert'
moeglich, _nicht_ durch Gleichsetzung von durch Gebrauchswerten
befriedigten Beduerfnissen. Es werden vermittels der Wertform vollkommen
unterschiedliche Beduerfnisse befriedigt, da muss nichts gleichgesetzt
werden, im Gegenteil.

Ohne Menschen hat kein Ding irgendeinen Wert. Deshalb ist auch die
Distribution, das Vermitteln zwischen Mensch und Ding, nicht
unwesentlicher als die Produktion.

Der logische Schluss impliziert mal wieder, dass der Wert _in_ der
Distributionsebene _geschaffen_ wird, nicht auf Ebene der Produktion. Er
_erscheint_ und _realisiert sich_ erst auf Ebene der Distribution,
geschaffen wird er in der Produktion. Die Wertform selbst _suggeriert_
allerdings, dass sie erst in der Zirkulation geschaffen wuerde, daher
bist Du Dir in dieser Frage auch einig mit der buergerlichen VWL.

Im Gegensatz zu Tauschringen ist bei Umsonstläden die Umverteilung von
Leuten die zuviel haben zu Leuten, die zuwenig haben meist sogar
beabsichtigt.

Genau das ist mein Punkt: Es wird _umverteilt_, um die ungleiche
Ausgangslage anzugleichen! Haelt man es fuer wuenschenswert, dass die
Ausgangslage gar nicht erst ungleich ist, muss man sich die Seite der
Produktion anschauen, weil hier die _Ursache_ fuer die Ungleichheit
liegt. Mit Umverteilung im Umsonstladen doktorst Du fuer die
teilnehmenden Leute am Symptom.

Die Frage nach den Gemeinsamkeiten oder Parallelen zwischen Freier Software
und Umsonstläden find ich viel spannender als die danach, was besser oder
antikapitalistischer ist.

Die erste und wohl wesentlichste Gemeinsamkeit ist, dass jeder etwas
brauchbares bekommen kann, ohne dafür einen Gegenwert geben zu müssen.

Das ist eine Gemeinsamkeit, m.E. aber keine Wesentliche. Das ist eine
Gemeinsamkeit von Umsonstlaeden, Freier Software, Freibier, Freeware und
Werbegeschenken.

Das halte auch ich für etwas ziemlich revolutionäres, weil es einem
kapitalistischen Grundprinzip widerspricht.

Damit sind Freibier-Parties, Freeware und Werbegeschenke revolutionaer.

Die dritte Gemeinsamkeit ist, das es Menschen gibt, die brauchbares ohne
Gegenleistung an Unbekannte weitergeben, obwohl sie auch die Möglichkeit
hätten, daraus noch etwas Wert zu schöpfen. Also aus einer solidarischen
Sichtweise handeln, die es als positiv sieht, wenn es anderen nutzt.

_Insofern_ ein Konzept auf Altruismus angewiesen ist, statt einfach
gegebene Interessen anzusprechen, ist es m.E. zum Scheitern verurteilt.
Zumindest bei Freier Software (vielleicht auch beim Umsonstladen, keine
Ahnung) scheint mir das aber auch absolut nicht der Punkt zu sein.

Damit kommen wir zu der Frage nach den Gemeinsamkeiten von Müll und
Software (oder allgemeiner Kopierware). Bei Beidem fällt das Weggeben
nicht schwer, weil es kein Verlust ist.

Fuer Software koennte ich Geld bekommen, wenn ich sie nicht frei
weggebe. Fuer Muell nicht.

Holger

-- 
Since it's a commercial UNIX operating system, you'll have to go and add
a ton of software to the already bloated load you have. 
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             David L. Cantrell Jr. -- "Installing IRIX 6.5.7 on an Indy"
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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