Message 05863 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05336 Message: 9/9 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: Re[2]: [ox] Glasperlenspiel



Hi Uli und Liste!

Last week (11 days ago) Uli Holz wrote:
At Samstag, 16. November 2002 you wrote:
SM> Verstehe ich dich richtig, wenn du so etwas wie eine Aufbruchstimmung,
SM> eine Vision vermisst? Da könnte ich dich ggf. nur bestätigen. Manchmal
SM> habe ich den Eindruck, dass es wohl kaum visionslosere Zeiten gegeben
SM> kann als unsere - zumindest seit dem Beginn der Aufklärung und
SM> zumindest in den positiven Varianten. M.E. auch eine Erklärung dafür,
SM> warum die hauptamtlichen Visionisten von Seiten Sekten / Eso / etc.
SM> solchen Zulauf bekommen.

'Wenn der Mensch keine Vision hat, lohnt es sich auch nicht sich
anzustrengen', fällt mir da spontan ein.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt" - um nochmal ein Sprichwort nachzulegen
;-) . Aber ich denke, dass das ein wichtiger Punkt ist: Wozu
anstrengen, wenn ich vollständig satt bin? Aber warum sollte das auch
ein Problem sein? Allerdings glaube ich nicht, dass Menschen sich
langfristig wohl fühlen, wenn sie *gar nichts mehr* machen. Im
Gegenteil: Damit kannst du sie wahrscheinlich am sichersten in den
Wahnsinn treiben. Ein mittleres Stress-Level ist wohl das Beste.

Bisweilen habe ich das Gefühl, dass der Mensch grundsätzlich
unzufrieden ist, egal wie gut es ihm auch geht.

Das denke ich nicht. Im Gegenteil dürften die Menschen die meiste Zeit
der Menschheitsgeschichte über ziemlich zufrieden gewesen sein - weil
sie in einer ziemlich fest gefügten Welt gelebt haben.

Der Aspekt der permanenten Unzufriedenheit ist m.E. eher ein
"Bedürfnis" der Wertvergesellschaftung und das ist mittlerweile tief
in den Köpfen. Die Toten Hosen haben dazu übrigens ein nettes Stück
gemacht: "Warum werde ich nicht satt?"

SM> Auf welchem LinuxTag warst du denn? Nach meiner Wahrnehmung hat sich
SM> der Euphorieanteil auch dort mittlerweile gelegt. Aber als einer, der
SM> die LinuxTage schon lange verfolgt - ich wohne ja im Geburtsort des
SM> LinuxTags :-) - kann ich bestätigen, dass am Anfang die Euphorie bei
SM> allen ziemlich groß war.

Das war in Stuttgart 2001.
Tja, die Euphorie lässt immer nach, weil irgendjemand merkt, daß da
was zu holen ist und das Marketing anläuft.

Das finde ich auf dem *LinuxTag* nun wirklich nicht so das Problem.
Ich habe eher das Gefühl, dass einfach der Sensationsfaktor weg ist.
So ist das nun halt mal bei Sensationen - irgendwann sind es keine
mehr. *Dann*, wenn der Kick weg ist, dann ist es wichtig an einer
Sache dran zu bleiben. Sicher schwierig in einer Zeit, in der die
ganze Gesellschaft kicksüchtig bis zum Abwinken ist...

  Das ganze gibt einem das Gefühl an etwas beizutragen, wobei ich
  nicht zu den begnadeten Kodierern gehöre, und eine gewisse Hoffnung
  an ein System, das nicht sofort in geschäftliche oder militärische
  Ideen einzubinden ist, sondern vielleicht einen gewissen 'magischen
  Moment' verspricht.

SM> Ich höre hier auch das Bedürfnis heraus, zu etwas Größerem zu gehören,
SM> dass das eigene kleine Ich übersteigt. Ja, ich glaube, dass das ein
SM> wichtiges menschliches Bedürfnis ist - kenne ich zumindest auch für
SM> mich. Leider ist dieses Bedürfnis von üblen Systemen oft ausgenutzt
SM> worden :-( .

 Nun, die westliche Idee geht vom Individuum aus, die östliche (die
 sich m.E. als einzige ihre Ursprünglichkeit bewahrt hat) von der
 Gruppenstandpunktswolke, was für die Leute dort, so scheint es, im
 Denken kein größeres Problem darstellt.

Das Gegensatzpaar ist wohl Individualismus vs. Kollektivismus. Beides
ist im Extrem Mist.

 Auch hier währe eine Synthese nicht unbedingt verkehrt, welche
 Emanzipation nicht ausschließt.

Vielleicht sogar Emanzipation begünstigt :-) . Ja, ich würde dir da
sehr zustimmen.

Ich denke, dass das sehr viel mit dem zu tun hat, was ich als Kultur
bezeichnen würde. Und die indische Kultur - wie auch viele andere,
nicht so stark westlich orientierte - heben andere Grundelemente
hervor.

Deswegen bin ich auch vorsichtig mit einer Verallgemeinerung "meiner"
Thesen. Ich bin sicher ein Kind Europas und mit einer ganz bestimmten
Kultur und einem zugehörigen Wertesystem groß geworden. Explizit
innerhalb dieser Kultur formuliere ich, was ich für richtig halte.
Menschen aus anderen Kulturkreisen mögen das für völligen Schwachsinn
halten - weil es nicht deren durch deren Kultur mitgeprägte
Bedürfnislage trifft. Ich habe denen nichts vorzuschreiben und die mir
nicht. Gegenseitige Befruchtung ist aber natürlich hoch erwünscht :-) .

Die Oekonux-Frage wäre hier, was für eine Kultur in
Freie-Software-Projekten entsteht - und auch auf welcher Grundlage. In
den Herrschaftsthreads behandeln wir da ja gerade einen Teilaspekt.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05336 Message: 9/9 L3 [In index]
Message 05863 [Homepage] [Navigation]