Komplexitaet, Kompliziertheit, Lernen (was: Re: [ox] Technik)
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Sat, 16 Nov 2002 21:32:36 +0100
Hi Uli und Liste!
2 months (65 days) ago Uli Holz wrote:
Die Entwicklung einer symbolischen Oberfläche ist auch eine gute
Idee, bei Linux aber immer noch zu komplex, ich merke das bei
Kindern, die mit Windows aller Unkenrufe zum Trotz besser
zurechtkommen.
Gibt es vielleicht eine bessere Oberfläche ohne Schubladendenken,
mir ist allerdings seit dem Amiga, der das meines Wissens als
Erster hatte, auch noch nichts besseres eingefallen.
Irgendwie gefällt mir das nicht, wenn sich die Menschen dem
Computer anpassen sollen, es sollte doch anderst herum sein, eine
Erleichterung des Alltags.
Das Potential liegt m. E. bei den Kindern und ich möchte nicht,
daß es beim reinen Office- und Spieledenken bleibt, das Ganze ist
allerdings immer noch zu komplex, ohne das Erlernen einer
Programmiersprache ist leider nicht viel zu machen.
Ich denke, dass das Problem, das du hier ansprichst sehr eng mit
Freiheit zu tun hat.
Die Freiheit Dinge zu tun oder zu lassen, hast du erst, wenn du das
jeweilige auch tun *kannst* - wenn du also die Fähigkeit zum Handeln
hast. Diese Fähigkeit zum Handeln hat aber verschiedene
Voraussetzungen. Insbesondere ist es irgendwie klar, dass für
komplexen Situationen diese Fähigkeit zum Handeln nicht vom Himmel
fällt sondern erlernt werden muss. Zum Lernen gehört u.a., dass das
zugehörige Wissen dir nicht vorenthalten wird. Hierin ist Freie
Software sicher vorbildlich.
Umgekehrt: Je eingeschränkter deine Fähigkeiten sind, desto
eingeschränkter sind deine Handlungsmöglichkeiten und dementsprechend
deine Freiheit auf dem entsprechenden Gebiet. Was kein Nachteil sein
muss. Nicht jedeR muss auf jedem Gebiet Experte sein. Nicht jedeR, die
ein Auto fahren will, muss es auch reparieren können - um mal eine
Allerweltsalternative eines komplexen technischen Produkts zu nennen.
Aber für manche ist es eben ein Erlebnis:
2 months (65 days) ago Uli Holz wrote:
Stimmt natürlich, aber für mich war die Begegnung mit Linux wie die
Beförderung vom Autofahrer zum KFZ-Mechaniker und man konnte endlich
wieder basteln, was man halt so kann.
So habe ich das auch erlebt.
Da Computer als universelle informationsverarbeitende Maschine gelten
können, haben wir hier aber auch schon mal das Problem der Auswahl:
Selbst wenn ein Mensch nur ganz bestimmte Sachen mit ihrem Computer
machen will, dann muss sie sich zunächst mal mit den überladenen
"Start"-Menüs (welch schreckliche Unsitte...) rumschlagen. Die Lösung
wäre hier, dass einE ExpertIn den Desktop so vorkonfiguriert, dass
genau das drauf ist, was benötigt wird. Dann kommt ein so aufgeräumtes
und hochfunktionales Desktop wie mein gutes altes, `fvwm2'-Desktop
raus :-) .
Dass die Computer sich den Menschen anpassen sollen, finde ich
insofern nur eine halbrichtige Forderung. Sie ist zur Hälfte richtig,
weil es für Computer-ferne Menschen stimmt. Sie ist aber auch zur
Hälfte falsch, weil ein so komplexes technisches System wie ein
Computer heute schon ist, ohne ein gerüttelt Maß an Know-How eben nur
ein nutzloses Stück Sondermüll ist. Und dies liegt in der Natur der
Sache und ist von daher nicht zu beseitigen. Bzw. wie die Welt
aussehen könnte, in der dieses Know-How weg ist, führen uns die vielen
negativen Utopien vor, in denen die Computer das Ruder übernommen
haben.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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