Re: [ox] Re: Die Schlauch-Seil-Inkontingenz
- From: Stefan Seefeld <seefeld sympatico.ca>
- Date: Sat, 05 Oct 2002 15:06:18 -0400
Stefan Meretz wrote:
(ich benutze hier 'Begriff' wie in meinen anderen mails als mentales
Abbild der Realit"at)
Begriffe sind nicht "Abbilder" der Realität. Der Mensch wird nicht von
seiner Umwelt in einer Weise determiniert, dass sich Realitäten quasi
mental "einprägen" wie mit einem Prägestempel. Sondern der Mensch verhält
sich aktiv zur Welt und eben auch zu den Begriffen. Bevor du einen
Begriff im Kopf "sitzen" hast, ist in deiner Lebenspraxis schon eine
Menge passiert. Eventuell meinst du aber genau das...
youp !
Begriffe kommen auf die Welt. Wir nehmen die Umwelt war, ver"andern
sie, und schaffen uns dabei 'ein Bild' von ihr. Das ist diskret in dem
Sinne dass es "uber Abgrenzung (zu all dem was der Begriff *nicht*
bezeichnet) operiert. Nun ist bis hier der Begriff noch nicht selbst
Teil der Welt.
Wieso denn das nicht? Bist du kein Teil der Welt?
nat"urlich. Aber mein Bewusstsein wird erst Teil 'der Welt' indem
ich es (mich) objektiviere, d.h. ent"aussere.
Du meinst wahrscheinlich: Der Begriff wurde noch nicht gesellschaftlich
verallgemeinert. Vorsicht! Meinst du "Begriff" oder "Wort"? Es ist
nämlich - gerade heute - so, dass das Denkmögliche auch an vielen Stellen
fast zeitgleich gedacht wird. Mehr oder weniger "klar" und in
unterschiedlichen Worten und Zusammenhängen. Siehe Freie Software.
das musst Du genauer erkl"aren.
das 'zu definierende' zu verstehen (und damit abzugrenzen) *ist* doch
quasi schon die Definition ! Sicher nicht wenn es um die Frage des
'wie' geht, wohl aber beim 'was'.
Quasi - aber nicht wirklich;-)
Also: ja, kann sein, dass es in einen Prozess fällt. Es kann zum Beispiel
zu einer Art Wechselwirkung kommen: Du machst auf Basis deines
Vorverständnisses eine versuchsweise Definition und stellst fest, dass
sie an bestimmten Rändern "ausfranzt", weil dort der Rand unscharf ist,
weil dir nicht richtig klar, was genau dort inhaltlich vorliegt. Also
klärst du das auf, um deine Definition zu vervollständigen. Dann stellst
du Widersprüche zu anderen Begriffen fest etc. - eine Art iterativer
Prozess.
genau, eben Erkenntnis.
Zwei Dinge sind mir dabei wichtig:
(1) Die inhaltliche Klärung ist primär, ohne sie gibt es keine Definition
(2) Sehr oft wird der oben beschriebene Prozess als nicht zu eigentlichen
Wissenschaft gehörig betrachtet. Oft "beginnt" eine Wissenschaft mit
Definitionen, die dann so tut, als ob damit die Begriffe "auf die Welt"
kommen. In Wirklichkeit sind sie längst da, z.B. in dem o.g. Prozess
entstanden. Da der Prozess der "Definitionsfindung", also
Begriffsbildung, meist nicht offengelegt wird - insbesondere die Methode
nicht! - ist eine solche Definition theorieimmanent nicht kritisierbar
(das gilt in der Regel für den "Westen").
ok, also das 'wie' und das 'was' fallen zusammen in der Begriffsbildung,
zumindest herrscht da eine rege Wechelwirkung.
Wenn ich Dich also richtig verstehe, dann f"angst Du mit '"irgendwie"
Klarem' an, und verschaffst Dir '(mehr) Klarheit' dar"uber. Das finde
ich nicht besonders befriedigend. Woher kommt denn das '"irgendwie"
Klare' bei Dir ???
Ich behaupte: Jede/r macht das so. Jede/r geht von einem "gewissen"
Vorverständnis aus. Das ist das "irgendwie" (Un)Klare. Es kommt IMHO
darauf an, sich dieser Tatsache bewusst zu werden, um damit dann gezielt
umzugehen.
mit welcher Tatsache ? Dass alles Kl"aren schon auf etwas Klarem aufsetzt ?
Damit bin ich nicht einverstanden. Man kann sich mehr oder minder einer
Sache bewusst sein, und doch ist Bewusstsein irgendwann mal entstanden.
Ich finde es genauso falsch diesen Prozess unter den Teppich zu kehren,
wie ihn als Kreation zu bezeichnen.
Ist nicht die Entstehung des Bewusstseins gerade das Interessante ? Ich
sehe ausserdem keinen fundamentalen Unterschied zwischen der Entstehung
des Bewusstseins und seiner Weiterentwicklung. Klar, irgendwas war vorher
schon da, aber eben kein Bewusstsein. Quantit"at wird zur Qualit"at, etc.
Aber wichtig: Auch die Praxis ist nichts Absolutes. Es gibt keinen
transzendenten Standpunkt, von dem aus ein Begriff oder eine Praxis als
"richtig" oder so beurteilt werden könnte.
Genau.
Die Beurteilung erfolgt
"innerhalb", eben "immanent".
Das finde ich eben ein bischen ungenau. Hier geht's doch um Reflexion,
und damit hast Du eine Subjekt-Objekt Beziehung. Dass die dialektisch ist,
wird ja von niemandem bestritten.
Wenn unsere Lebens-Praxis uns nicht mehr
befriedigt, dann ändern wir sie. Und wir merken hier bei Oekonux wie sehr
das mit Begriffen zu tun hat: Mit neuen Begriffen eine mögliche andere,
uns zufrieden-machendere Praxis sich vorstellen können - darum geht's.
genau. Und auch hier wieder haben wir eine Wechselwirkung. Die Praxis
bringt uns dazu, "uber selbige nachzudenken (mit dem Ziel sie zu ver"andern),
und dann die dabei entstandenen Ziele zu ver*wirklich*en.
Wenn unsere, deine, meine Praxis das "Ganze" ist, dann geht's ums Ganze.
Wenn das Ganze irgendwo "da draussen" spielt, dann geht's darum genau
nicht, denn das würde einen transzendenten Standpunkt voraussetzen, den
es nicht gibt: Wir sind "drin" - von dort aus müssen wir gucken.
ich glaube wir sind uns eigentlich einig und beharren einfach auf unseren
jeweiligen Argumenten in der Furcht, der jeweils andere k"onnte uns
misverstehen....:-)
Ja, genau. Wenn ich von "Elefant" spreche, wissen alle sofort, um was es
geht.
Du meinst um was es *Dir* geht ? Nein, das weiss ich nicht. Klar, die
"Uberlappung unserer jeweiligen "Elefanten"-Begriffe ist ziemlich gross,
genug zumindest, um einen sinnvollen Dialog zustande kommen zu lassen
(das sagst Du ja selbst).
Aber da ist mehr. Du verkn"upfst mit Elefanten bestimmte konkrete
Assoziationen, die auf Deinen pers"onlichen konkreten Erfahrungen beruhen.
Das heisst "Elefant" enth"alt wesentlich mehr f"ur jeden von uns als wir
dann beim Austauschen dieses Wortes wirklich vermitteln k"onnen.
Lies mal dazu "die Poetik des offenen Kunstwerks" von Umberto Eco.
Dort wird mit diesem Ph"anomen bewusst umgegangen.
Aber Du hast v"ollig recht, wir sind uns im Grunde schon einig,
soviel, dass wir um Details streiten :-)
Beste Gr"usse,
Stefan
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