Message 05442 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05326 Message: 33/66 L10 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re[2]: [ox] Begrifflichkeiten



Hei alle sammen!

Huch, da stecken wir nun also tief in erkenntnistheoretischen Fragen (mal wieder). Macht ja nix. Irgendwie haben wir also alle eine Vorstellung darueber, wie Handeln, Erkennen und Realitaet im tiefsten Inneren zusammenhaengt. Das mag vedisch beeinflusst sein oder materialistisch oder sonst irgendeine Privattheorie. Ich finde das sehr spannend, weil echte Unterschiede auf diesen fundamentalen Ebenen durchschlagen auf fast jedes Wort, das zu fast jedem Thema geschrieben wird. Viele Unterschiede sind aber auch viel nebensaechlicher fuer konstruktives Zusammenarbeiten als sie dann erscheinen, wenn darueber explizit diskutiert wird. Deshalb will ich lieber erstmal wieder zurueck zur Freien Software (FS). Und diese Mail will auch eine Antwort auf Stefan Mzs wie immer sehr schlauen Einwaende sein. Es ist sozusagen eine Antwort, in der ich versuche zu demonstrieren, wozu meiner Meinung nach die (durch die Einwaende etwas modifizierte) Kritik von Dualismen gut ist.

Was haben die Begrifflichkeiten Dualismus & Co - meiner Meinung nach - mit FS zu tun?

(Mein) Ausgangspunkt war ja Bennis Vorschlag, in FS ein praktisches Modell fuer die geglueckte Ueberwindung des Dualismus Kooperation und Konkurrenz zu sehen. 'Seht her', kann man mit Benni denen zurufen, die mit dem Dualismus wedeln, 'hier arbeiten Leute auf eine Art und Weise zusammen, die weder Konkurrenz noch Kooperation ist, sondern was Neues - und sie sind erfolgreich dabei!' Ich hatte in meiner letzten Mail versucht zu sagen, dass er sich damit wahrscheinlich ein Genderproblem einfaengt. Inzwischen bin ich mir sicher. Indem er Kooperation und Konkurrenz, die beide _innerhalb_ des traditionellen Geschlechterdiskurses ausschliesslich unter rationalen Maennern stattfinden, vereinen will, blendet er Aspekte aus, die traditionell Frauen zugeschrieben werden, wie Liebe, Pflege (care), u.ae.

Er antwortete:

Das ganze stimmt, wenn man "Kooperation" und "Konkurrenz" beide als
rationale Verhaltensmuster betreibt. Das sind sie aber nicht nur. Auch
wenn die herkömmliche Ökonomie uns das so verkaufen will. Ich hab den
Eindruck, Du bist diesem Verkäufertrick gerade aufgesessen.

Nein, den Eindruck habe ich nicht. Du argumentierst ja selbst mit einer Relevanz des Dualismus Koop-Konk, die sich gerade aus dem, wie sie 'verkauft' werden, speist. Du argumentierst: Weil so viele an den Dualismus glauben, sei es wichtig ihn zu ueberpruefen und bei Bedarf aufzuheben. Da koennte man dir dann auch antworten, naja, da bist du halt auf den Trick reingefallen, Koop und Konk sind in Wirklichkeit voellig irrelevant und wir sollten besser ueber Solidaritaet oder Autarkie oder Brezeln reden. Und diese Kritik ist relevant, denn eine sinnvolle Kritik von dummen Polaritaeten ist, sie ganz einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Eine andere Herangehensweise aber ist _hegemoniale_ Diskurse, wie zum Beispiel den um Geschlechter und ihre Dualitaet oder eben Koop-Konk als Teil der Realitaet ernstzunehmen. Sie werden wegen ihrer Hegemonie Teil unserer Praxis. Das heisst dann gerade _nicht_, den Tricks aufzusitzen und diese Diskurse lediglich zu verdoppeln. Es heisst sie aufzunehmen, zu kritisieren und zu ueberwinden. Insofern muss erstgenommen werden, dass die herrschende Vorstellung von Kooperation _und_ Kooperation eine ist, in der Frauen tendenziell ausgeblendet werden (s. die Beispiele in meiner letzten Mail: http://www.oekonux.de/liste/archive/msg05407.html).

Ich versuche, das nochmal ein bisschen an FS verdeutlichen: In diesem Zusammenhang fand ich diese Stelle aus dem HOWTO Encourage Women in Linux (http://www.nmt.edu/~val/howto.html), das hier neulich empfohlen wurde, interessant:

Reasons women avoid Linux specifically
Linux development is more competitive and fierce than most areas of programming. Often, the only reward (or the major reward) for writing code is status and the approval of your peers. Far more often, the "reward" is a scathing flame, or worse yet, no response at all. Since women are socialized to not be competitive and avoid conflict, and since they have low self-confidence to begin with, Linux is even more difficult than most areas of computing for women to get and stay involved in.

Das betrifft die Konkurrenz-Seite. Meine Kritik an der meritokratischen Struktur in FS-Entwicklung schlaegt in die gleiche Kerbe: Die angeblich gerechte Verfahrensweise, nach der Status allein nach den Taten und Verdiensten zugewiesen wird (= Meritokratie), blendet aus, dass nicht alle die gleichen Partizipationschancen haben in diesem 'freien Wettbewerb'.

Zur Kooperationsseite gibts auch was in diesem HOWTO:

Like any other discipline, computer science is easier to learn when you have friends and mentors to ask questions of and form a community with. However, for various reasons, men usually tend to mentor and become friends with other men. When the gender imbalance is as large as it is in computer science, women find themselves with few or no other women to share their interests with. While women have male friends and mentors, it's often harder and more difficult for women to find a community and then to fit in with it. Many women leave the field who would have stayed if they had been male.

Es ist sicher keine steile These, Kooperation in FS-Communities als maskulin gepraegt zu bezeichnen, schliesslich bestehen sie v.a. aus Maennern, was schonmal ein wesentliches Definitionskriterium fuer 'maskulin gepraegt' sein duerfte. Ob wir darueber hinausgehend vielleicht sogar Merkmale der sprichwoertlichen Maennerbuende finden, lasse ich mal dahingestellt. Ein paar Elemente, wie beispielsweise die personalisierende Heldenverehrung, weisen in diese Richtung.

Das HOWTO gibt uns also Hinweise, die fuer die These sprechen, Kooperation und Konkurrenz seien in Freier Software Maennersache - voellig im Einklang mit ihrem Gebrauch im dominanten Diskurs. Wenn stimmt, was Benni sagt, dass Kooperation und Konkurrenz oder eben Kooperenz (oder so) zentrale Begriffe zum Verstaendnis von FS sind, dann wuerde es andersherum gesehen eben auch erklaeren, warum Frauen dort so selten sind.

Eine Kritik, die hegemoniale dualistisch strukturierte Dualismen als Ausgangspunkt fuer Gesellschaftsveraenderung ernst nimmt, wuerde nun nach dem suchen, was Frauen gemaess des traditionellen Rollenverstaendnisses tun, waehrend Maenner miteinander kooperieren oder konkurrieren. Dazu muss man nur den naechsten Deppen um die Ecke fragen, warum eine Frau an den Herd gehoert anstatt in die Kooperationen und Konkurrenzen des Berufslebens. Begriffe, wie Schwaeche, Liebe, Dienen, Hingabe, Pflege usw. werden da wahrscheinlich fallen. Diese Begriffe werden 'gemeinhin' fuer unvereinbar mit Kooperation _und_ Konkurrenz gesehen. Wenn FS _diesen_ Widerspruch aufheben wuerde, dann kauf ich mir ein Tux-Kostuem, stelle mich 7 Tage die Woche an den Trondheimer Marktplatz und verteile SuSe-Distributionen.

mfg

Thomas Be

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05326 Message: 33/66 L10 [In index]
Message 05442 [Homepage] [Navigation]