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Re: [ox] Konkurrenz, Vielfalt und Selektion



On Tue, Sep 03, 2002 at 12:09:47AM [PHONE NUMBER REMOVED], Jobst Quis wrote:
Natürlich gibt es eine Ebene, auf der Konkurrenz etwas ist, was
wir für uns geradezu einfordern. Wenn wir daran festhalten, dass
wir uns aussuchen mit wem wir zusammenleben, dann ist das ein
Bekenntnis auch dazu, dass Menschen umeinander konkurrieren -
wir suchen aus, wir nehmen nicht den ersten Besten. Wo man von
seinen Eltern verheiratet wird, gibts zwischen den jungen Leuten
keine Konkurrenz (da gehts dann um die Kamele der Eltern).

Also ich find, dass das nicht gleich für Konkurrenz spricht,
sondern erstmal gegen das Heiraten und ähnliche ausschließenden
Partnerschaften, gegen den Zwang zu einer Wahl mit großen
Konsequenzen, der zum großen Teil gesellschaftlich / kulturell ist.
Meine Freundschaften such ich mir zwar auch aus, doch da
keineR der/die Einzige sein muss, entfällt ein großer Teil der
Rivalität.

Auch wenn ich in größeren Verbänden lebe, suche ich mir aus mit wem.

Ich kann deine und Bennis Relativierungen des Konkurrenz-Dualismus
nachvollziehen und halte es auch für nötig, die Ambivalenz
solcher Begriffe deutlich zu machen. Doch wenn es bei der
Schlussfolgerung stehenbleibt, dass Konkurrenz notwendig ist
und deshalb Kritik am Konkurrenzprinzip unserer Kultur sinnlos
ist, bereitet mir das doch ziemliche geistige Bauchschmerzen.

Ich hab nirgends geschrieben, dass "Konkurrenz notwendig" ist, sondern
vielmehr immer wieder betont, dass es nicht viel Sinn macht Konkurrenz
und Kooperation isoliert zu betrachten und dass es gerade dieses
isolierte betrachten ist, das zu Schaden führt.

Ich werd den Verdacht nicht los, dass wir dadurch beschönigende
und herrschaftsstabilisierende Ideologie produzieren. 

Und ich werde den Verdacht nicht los, dass jeder der "Konkurrenz ist
böse/gut" oder auch "Kooperation ist böse/gut" schreit, genau das
macht. Gerade die Vergangenheit zeigt doch bestens, dass viele der
linken Anti-Konkurrenz-Konzepte in Wirklichkeit Konzepte erzwungener
Kooperation waren. Allen voran der Sta(at)s(i)-Sozialismus.

Anti-Dualismus ist paradox, weil es auch ein Dualismus ist, wenn
Dualismus als allgemein schlecht und falsch gesehen wird und
Ambivalenz als gut und wahr. 
Wenn wir allen Sachen und Begriffen
Ambivalenz (also gute und schlechte Seiten) zugestehen, dann muss
das auch für den Dualismus gelten. Also zugestehen, dass auch das
Ambivalenzkonzept Schwächen hat und deshalb manchmal etwas Dualismus
notwendig ist. 

Naja, diese Gedankenspiele kann man in beliebig vielen Metaebenen
weitertreiben...

Ein strenger Verzicht auf Dualismen ermöglicht
vielleicht, alles zu verstehen (Vita contemplativa), aber er ist
ungeeignet, um in das Weltgeschehen einzugreifen (Vita aktiva).

Auch das ist ein Dualismus ;-)

Auch wenn ich immer wieder versuche, beide Seiten einer
Angelegenheit zu sehen, bleibt es doch oft so, dass die eine Seite
sehr überwiegend bleibt und nach Einmischung schreit. So ist
es auch bei der Konkurrenz. Trotz aller theoretischer Einsicht
in ihre Unvermeidbarkeit bleibt der Eindruck bestehen, dass in
dieser Gesellschaft viel zu viel davon gefordert und gefördert
wird, so dass es nicht falsch sein kann, sie als
Konkurrenzgesellschaft zu bezeichnen und zu kritisieren.

Diese Gesellschaft ist mindestens so sehr eine
Kooperationsgesellschaft wie eine Konkurrenzgesellschaft. Auf beiden
Seiten gibt es sowohl Konkurrenzen als auch Kooperationen, die wir
eingehen wollen und solche bei denen wir es nicht wollen. Erzwungene
Kooperation und erzwungene Konkurrenz entstehen durch die jeweils
anderen erzwungenen K's auf anderen Ebenen. Anders ginge es auch
garnicht. Eine Gesellschaft die nur auf Konkurrenz aufbauen würde,
würde nicht lange existieren. Den Zwang kann man nur beseitigen in dem
man die beiden K's in ein sich gegenseitig unterstützendes Verhältnis
einbaut.

Bennis Gegenüberstellung von Konkurrenz und Kooperation erscheint
mir nicht treffend. Kooperation ist nicht das Gegenteil von
Konkurrenz, unsere Konkurrenzgesellschaft ist zugleich
hochkooperativ, weil arbeitsteilig. Die Kooperationen sind jedoch
größtenteils erzwungen, erzwungen durch die Konkurrenz.

Ahja, nichts anderes sage ich doch. Sie sind nicht das (undialektisch
verstandene) Gegenteil. Das war doch die Pointe an meiner Mail. 

Konkurrenz heißt soviel wie miteinander laufend. Das könnte so
harmlos sein wie es klingt. 

Harmlos ist daran garnix. An Kooperation aber auch nicht. Menschen
sind nie harmlos, schon garnicht, wenn sie mit anderen Menschen zu tun
haben. Zum Glück.

Doch der kritische Punkt ist, was dieses
miteinander laufen für Konsequenzen hat, sowohl für die in diesem
Lauf Stärkeren als auch für die Schwächeren. Und das ist eine
gesellschaftliche Frage, kein unvermeidbares Naturgesetz. 

Um Naturgesetze gehts sowieso nicht.

Hier
unterscheiden sich die Kulturen, ob der Sieger alles bekommt und
der Rest nichts, oder ob der Sieger die Annerkennung bekommt und
die Gewinne auf alle verteilt werden. Oder ob Mitlaufende zu Feinden
werden müssen, weil den Verlierern der Existenzberechtigungsnachweis
entzogen wird. Auch ist es eine Frage der gesellschaftlichen
Organisation, ob jegliches Nebeneinander zum Wettbewerb
umstrukturiert wird, oder ob Rivalität weitgehend vermieden wird.

Genau. Die Frage ist nur, ob man letzteres überhaupt anstreben will.
Ich halte das für falsch, genauso wie ich es für falsch halte überall
Konkurrenz einzusetzen.

Deshalb ist das Gegenteil von Konkurrenz für mich nicht Kooperation
sondern Solidarität. 

Wenn "Solidarität" in diesem moralisch aufgeladenen Sinne gebraucht
wird, dann ist das schon der Anfang von erzwungener Kooperation.

Doch vielleicht sollte ich für das, was mir an
Konkurrenz kritikwürdig und hassenswert erscheint, angesichts der
Schwammigkeit dieses Begriffs besser Rivalität oder Selektion
gebrauchen.

Bei "Selektion" muss ich zuerst an die Rampe in Auschwitz denken. In
diesem Extrembeispiel wird vielleicht klar, was ich meine. Diese auf
die Spitze getriebene Vernichtungskonkurrenz hatte zur Basis eine
extreme volksidentitäre Kooperation. Das Übel entsteht also dadurch,
dass Kooperation und Konkurrenz nicht da in ein positives,
ausgewogenes Verhältnis treten, wo sie entstehen - nämlich zwischen
den Menschen, sondern dass sie in unterschiedliche Sphären ausgelagert
werden. Hier die Kooperation in der Volksgemeinschaft - dort die
Vernichtungskonkurrenz zum Feind. Je künstlicher die nationale
Schicksalsgemeinschaft um so herbeihaluzinierter der Feind.

Mit jeder (dualistischen) Grenze die wir ziehen, ob zwischen privat &
politisch, Mann & Frau, schwarz & weiss oder Inland & Ausland erzeugen
wir eine osmotische Membran an der sich Kooperation und Konkurrenz
scheiden lassen und umgekehrt erzeugt jede solche Scheidung neue
Grenzen. 

Das Spektrum an Bedeutungen von "Konkurrenz" reicht von Vielfalt bis
Selektion. Eure positive Einschätzung meint eigentlich die
Wahlmöglichkeit, also die Vielfalt, während meine Bedenken sich an der
Selektion, der Existenzbedrohung für die Verlierer entzünden.

"Vielfalt" kann es sowohl unter kooperativen als auch unter
konkurrierenden Bedingungen geben. Sie entseht vielleicht insbesondere
gerade dann, wenn wir die Grenzen niederreissen und Kooperation und
Konkurrenz zur Kooperenz verschmelzen.

Nun ist aber Vielfalt nicht dasselbe wie Selektion, es steht in einem
dynamischen Verhältnis zueinander (im Winkel von 90 Grad für Leute,
die sich das bildlich vorstellen). Vielfalt ist die Voraussetzung
von Konkurrenz bzw Selektion, doch die Wirkung der Selektion ist
Monotonie oder Vereinheitlichung, also die Reduzierung von Vielfalt.
Auch der wirtschaftliche Wettbewerb führt zu Monopolen oder zu
einem immer-ähnlicher-werden der wenigen Überlebenden und schafft
damit selbst die Wahlmöglichkeiten ab, die zu seiner Rechtfertigung
herangezogen werden.

Falsch: Erst die unglückliche Zusammenwirkung von Kooperation und
Konkurrenz führt zu Monopolen. 

Zum Glück haben wir ja ein allseits bekanntes Beispie: M$. Ihr Monopol
beruht einerseits auf radikalem Konkurrenzverhalten gegenüber jedem
auch nur annähernd aufmuckendem Konkurrenten aber eben auch auf der
Kooperation einer ganzen Industrie, die auf einen "Industriestandard"
eingeschworen ist. Dieser ungute Dualismus findet seinen Meister in
der freien Software eben gerade deswegen, weil diese das Verhältnis
von Kooperation und Konkurrenz als Kooperenz neu definiert durch
niederreissen der Grenzen (in diesem Fall zwischen Firmen).

Um durch Variation wieder von der Monotonie zur Vielfalt zu kommen,
muss Selektion vermieden werden. Spielen, Experimentieren, Grübeln,
Muße, Spontaneität, Ab- und Ausschweifungen und andere
kreativitätsfördernde Umstände sind unter strengen Bedingungen der
Selektion kaum möglich. Deshalb braucht es Nischen verminderten
Drucks, um wieder Vielfalt entstehen zu lassen.

Vielleicht. Nur ist der Druck ebenso ein Konkurrenz- wie ein
Kooperationsdruck.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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