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Re: [ox] Konkurrenz, Vielfalt und Selektion




Hallo Benni,

Also ich find, dass das nicht gleich für Konkurrenz spricht,
sondern erstmal gegen das Heiraten und ähnliche ausschließenden
Partnerschaften, gegen den Zwang zu einer Wahl mit großen
Konsequenzen, der zum großen Teil gesellschaftlich / kulturell ist.
Meine Freundschaften such ich mir zwar auch aus, doch da
keineR der/die Einzige sein muss, entfällt ein großer Teil der
Rivalität.

Auch wenn ich in größeren Verbänden lebe, suche ich mir aus mit wem.

Vielleicht gibts da regionale Unterschiede, aber nach meinen
Erfahrungen hat die Frage, wer mit wem in Wohngemeinschaften
zusammenlebt, vielmehr mit Zufall als mit aktiver Auswahl oder
gar Wettbewerb zu tun. Meist kommt es darauf an, wer gerade auf
Wohnungssuche ist, wenn ein Platz frei wird. Wenn was absolut
nicht passt, gibts vielleicht mal ein Veto, aber im allgemeinen
kann mensch die Leute eh erst richtig beurteilen, wenn die
Entscheidung schon längst gelaufen ist. Find ich allerdings
nicht weiter tragisch. Schon eher, wenn jahrzehntelange
Freundschaften nach kurzer Zeit in die Brüche gehn, weil sie
endlich zusammengezogen sind.


Ich kann deine und Bennis Relativierungen des Konkurrenz-Dualismus
nachvollziehen und halte es auch für nötig, die Ambivalenz
solcher Begriffe deutlich zu machen. Doch wenn es bei der
Schlussfolgerung stehenbleibt, dass Konkurrenz notwendig ist
und deshalb Kritik am Konkurrenzprinzip unserer Kultur sinnlos
ist, bereitet mir das doch ziemliche geistige Bauchschmerzen.

Ich hab nirgends geschrieben, dass "Konkurrenz notwendig" ist, sondern
vielmehr immer wieder betont, dass es nicht viel Sinn macht Konkurrenz
und Kooperation isoliert zu betrachten und dass es gerade dieses
isolierte betrachten ist, das zu Schaden führt.

Zu was für einem Schaden soll das denn führen? Was ist denn die
besondere Beziehung zwischen Konkurrenz und Kooperation, so dass du
es immer wieder als Begriffspaar verwendest? Denn wenn es keine besondere
Beziehung gibt, wäre es genauso schädlich, Konkurrenz isoliert von
zB Kohlrouladen zu betrachten. Dass Kooperation nicht das Gegenteil
von Konkurrenz ist, sagsts du ja auch, aber was ist es dann?

Ich seh eben Konkurrenz als unabhängig von Kooperation an. Wieviel
in einer Gesellschaft kooperiert wird, hängt davon ab, wie
arbeitsteilend sie organisiert ist. Unsere Kultur ist sowohl stark
konkurrierend als auch sehr kooperierend. Es sind aber auch
Kulturen aller anderen Kombinationen denkbar. Solidarische
Gesellschaften, die viel kooperieren; konkurrierende Gesellschaften
mit wenig Kooperation, also hoher individueller Autarkie; und
schließlich solche mit hoher Autarkie, die sich aber dennoch
untereinander solidarisch verhalten. Von daher find ichs auch
legitim, über Konkurrenz (und Solidarität) zu reden und dabei die
Frage der Kooperation mal draußen zu lassen.

Ich werd den Verdacht nicht los, dass wir dadurch beschönigende
und herrschaftsstabilisierende Ideologie produzieren.

Und ich werde den Verdacht nicht los, dass jeder der "Konkurrenz ist
böse/gut" oder auch "Kooperation ist böse/gut" schreit, genau das
macht.

Warum ? Ich schrei zwar nicht, und sag auch nicht "Konkurrenz ist böse",
aber wenn ich Konkurrenzdruck als Herrschaftsmittel kritisiere, wie
soll das die Herrschaft stabilisieren?

Gerade die Vergangenheit zeigt doch bestens, dass viele der
linken Anti-Konkurrenz-Konzepte in Wirklichkeit Konzepte erzwungener
Kooperation waren. Allen voran der Sta(at)s(i)-Sozialismus.

Der Sta(at)s(i)-Sozialismus, den ich genauso ablehne wie du, war
vielleicht ein Anti-Markt-Konzept oder Anti-Freiheits-Konzept,
aber kein Anti-Konkurrenz-Konzept. Eine streng hierarchische Organisation
mit entsprechendem Gedrängel um die Posten, der Rummel um die Helden
der Arbeit, die erklärte Konkurrenz zu den kapitalistischen Staaten ...
wo bleibt da die Anti-Konkurrenz?

Anti-Dualismus ist paradox, weil es auch ein Dualismus ist, wenn
Dualismus als allgemein schlecht und falsch gesehen wird und
Ambivalenz als gut und wahr.
Wenn wir allen Sachen und Begriffen
Ambivalenz (also gute und schlechte Seiten) zugestehen, dann muss
das auch für den Dualismus gelten. Also zugestehen, dass auch das
Ambivalenzkonzept Schwächen hat und deshalb manchmal etwas Dualismus
notwendig ist.

Naja, diese Gedankenspiele kann man in beliebig vielen Metaebenen
weitertreiben...

Das hat mit Metaebenen garnichts zu tun. Dualismus ist ein Begriff
wie alle anderen auch, er kommt auch nicht von einer höheren Ebene.


Ein strenger Verzicht auf Dualismen ermöglicht
vielleicht, alles zu verstehen (Vita contemplativa), aber er ist
ungeeignet, um in das Weltgeschehen einzugreifen (Vita aktiva).

Auch das ist ein Dualismus ;-)

In dem bisher verwendeten Sinn von bewertetem Dualismus ist es keiner.
Ich hab ja nicht gesagt, dass das eine gut ist und das andere scheiße.
Es ist nur eine Polarität, dh je näher ich der einen Seite komme,
umsomehr entferne ich mich von der anderen. Es ist so wie mit Nord
und Süd, völlig ohne Wertung. Und so wie eine Landkarte von Leuten
mit ganz unterschiedlichen Zielen genutzt werden kann, könnten
wir uns ja vielleicht über Zusammenhänge von Begriffen einig
werden, ohne uns in den Zielen und Vorlieben einig werden zu müssen.

...

Hier
unterscheiden sich die Kulturen, ob der Sieger alles bekommt und
der Rest nichts, oder ob der Sieger die Annerkennung bekommt und
die Gewinne auf alle verteilt werden. Oder ob Mitlaufende zu Feinden
werden müssen, weil den Verlierern der Existenzberechtigungsnachweis
entzogen wird. Auch ist es eine Frage der gesellschaftlichen
Organisation, ob jegliches Nebeneinander zum Wettbewerb
umstrukturiert wird, oder ob Rivalität weitgehend vermieden wird.

Genau. Die Frage ist nur, ob man letzteres überhaupt anstreben will.
Ich halte das für falsch, genauso wie ich es für falsch halte überall
Konkurrenz einzusetzen.

Also ich fühl mich bedeutend wohler unter Leuten, die Rivalität vermeiden.
Wenn Leute, die das brauchen, miteinander konkurrieren, ohne andere da
mit reinzuziehen, hab ich da auch überhaupt nichts gegen. Aber gegen den
Konkurrenzdruck, der für alle gelten soll, leiste ich eben Widerstand,
soweit ich kann.

Deshalb ist das Gegenteil von Konkurrenz für mich nicht Kooperation
sondern Solidarität.

Wenn "Solidarität" in diesem moralisch aufgeladenen Sinne gebraucht
wird, dann ist das schon der Anfang von erzwungener Kooperation.

Nun schieb doch nicht so'ne Moral-Paranoia. Davon ist doch überhaupt
die Rede. Ich hab von gesellschaftlicher Organisation geschrieben, nicht
von Solidaritätsforderungen an Einzelne. Solidarität und Freiwilligkeit
gehört zusammen, sonst ist es höchstens eine Simulation von Solidarität.

Zur gesellschaftlichen Organisation von Solidarität ein praktisches
Beispiel. Die Volksküche, die auf Grenz- und anderen Camps, bei
Castortransporten und ähnlichen Ereignissen für Verpflegung sorgt,
macht dies seit vielen Jahren auf Spendenbasis. Das heisst jedes
Mensch kann essen solang es Hunger hat, trinken solange es Durst
hat, kann zahlen wann es will und nicht mehr, als es freiwillig geben
will. KeineR wird kontrolliert. Und doch funktioniert es, oft bleibt
am Ende sogar noch ein Überschuß, der dann an irgendwelche politischen
Solidaraktionen weitergeleitet wird. An freiwilligen Helfern für die
verschiedenen Arbeiten mangelt es auch nicht.

Das heisst ein paar wenige Regeln, die eigentlich eher Aufhebungen
von Regeln sind, und die Menschen verhalten sich ganz anders als
sonst, vielleicht auch weil sich die anderen anders verhalten.
Übrigens sind diese Vereinbarungen auch eine praktische Widerlegung
der These von Hartmut, dass Vereinbarungen generell erfordern,
dass man sie gegen einige Leute mit Zwang durchsetzt.

Doch vielleicht sollte ich für das, was mir an
Konkurrenz kritikwürdig und hassenswert erscheint, angesichts der
Schwammigkeit dieses Begriffs besser Rivalität oder Selektion
gebrauchen.

Bei "Selektion" muss ich zuerst an die Rampe in Auschwitz denken. In
diesem Extrembeispiel wird vielleicht klar, was ich meine. Diese auf
die Spitze getriebene Vernichtungskonkurrenz hatte zur Basis eine
extreme volksidentitäre Kooperation.

Ich halte das für einen Fall, wo zwar Selektion passt, aber nicht
Konkurrenz. Hier war ja kein Wettbewerb mehr, sondern die Verlierer
standen von vornherein fest. Auch kam die volksidentitäre Kooperation
erst mit der Bestimmung und Ausmerzung der "undeutschen Elemente"
aus dem Volk. Sie ist also eher das Ziel als die Ursache der Vernichtung.

Das Übel entsteht also dadurch,
dass Kooperation und Konkurrenz nicht da in ein positives,
ausgewogenes Verhältnis treten, wo sie entstehen - nämlich zwischen
den Menschen, sondern dass sie in unterschiedliche Sphären ausgelagert
werden. Hier die Kooperation in der Volksgemeinschaft - dort die
Vernichtungskonkurrenz zum Feind. Je künstlicher die nationale
Schicksalsgemeinschaft um so herbeihaluzinierter der Feind.

Ich bezweifle, dass Konkurrenz (oder das Gefühl konkurrieren zu
müssen) zwischen konkreten Menschen entsteht. Mir scheint es eher
so, dass es aus dem Verhältnis des Einzelnen zu einem
verallgemeinerten Menschenbild entsteht. Also aus dem Gegensatz
"Ich oder die Anderen" und nicht "Ich oder Herr Müller".

Mit jeder (dualistischen) Grenze die wir ziehen, ob zwischen privat &
politisch, Mann & Frau, schwarz & weiss oder Inland & Ausland erzeugen
wir eine osmotische Membran an der sich Kooperation und Konkurrenz
scheiden lassen und umgekehrt erzeugt jede solche Scheidung neue
Grenzen.

Das versteh ich nicht so ganz, kannst du das mal näher erläutern?

Das Spektrum an Bedeutungen von "Konkurrenz" reicht von Vielfalt bis
Selektion. Eure positive Einschätzung meint eigentlich die
Wahlmöglichkeit, also die Vielfalt, während meine Bedenken sich an der
Selektion, der Existenzbedrohung für die Verlierer entzünden.

"Vielfalt" kann es sowohl unter kooperativen als auch unter
konkurrierenden Bedingungen geben. Sie entseht vielleicht insbesondere
gerade dann, wenn wir die Grenzen niederreissen und Kooperation und
Konkurrenz zur Kooperenz verschmelzen.

Nun ist aber Vielfalt nicht dasselbe wie Selektion, es steht in einem
dynamischen Verhältnis zueinander (im Winkel von 90 Grad für Leute,
die sich das bildlich vorstellen). Vielfalt ist die Voraussetzung
von Konkurrenz bzw Selektion, doch die Wirkung der Selektion ist
Monotonie oder Vereinheitlichung, also die Reduzierung von Vielfalt.
Auch der wirtschaftliche Wettbewerb führt zu Monopolen oder zu
einem immer-ähnlicher-werden der wenigen Überlebenden und schafft
damit selbst die Wahlmöglichkeiten ab, die zu seiner Rechtfertigung
herangezogen werden.

Falsch: Erst die unglückliche Zusammenwirkung von Kooperation und
Konkurrenz führt zu Monopolen.

Und die glückliche Zusammenwirkung von Kooperation und Konkurrenz führt
zu Vielfalt, meintest du so ähnlich weiter oben. Aber wann ist die
Zusammenwirkung glücklich (Kooperenz) und wann ist sie unglücklich
(Konkuration)? Und ist das nicht auch wieder ein Dualismus mit der
guten Kooperenz und der bösen Konkuration?

Ich meine, dass hoher Konkurrenzdruck unabhängig von der Frage der
Kooperation immer die Vielfalt reduziert. Denn es ist ja geradezu
das Wesen der Selektion, dass nicht alle durchkommen, sondern nur
die, die den Selektionskriterien entsprechen. Also entweder Aufgabe
der Existenz oder Anpassung an die Kriterien unter Aufgabe der
Eigenheiten, die von der Selektion nicht berücksichtigt werden.
Im ersten Fall geht die Tendenz zu Monopolen, im zweiten zu einer
Anähnelung der Konkurrenten, beides ist ein Verlust an Vielfalt und
an Wahlmöglichkeiten.

Gruß,Jobst




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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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